Trucker-Tagebuch: Mit dem LKW von Salzburg nach Wales und zurück

Kaffee machen im Truck

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„Hast Angst?!“, sagt Truckerboy zu einer ganz schlimmen Uhrzeit in der Früh, über der Eierspeis’, die wir noch bei ihm zuhause am Couchtisch essen. Und ich frag’, wovor ich bitte Angst haben soll. „Naja. Du bist ja wahrscheinlich einer der wenigen Menschen mit so einem hohen Bildungsniveau, der das überhaupt erleben darf.“

Am Vormittag

Ein wenig später unterhalte ich mich am Firmenparkplatz nahe Salzburg schon mit seinen Kollegen, muss mir oft mal das Grinsen verkniffen, weil der eine einfach wie das Ober-Truckerklischee aussieht (Karohemd, fette, prollige Gürtelschnalle, ein Anhänger aus Horn um den Hals, Kamm in der Arschtasche und Clogs mit Kuhfell) und der andere genau so redet, wie ich mir das vorgestellt habe („Hast leicht die Woche die Chefin dabei!“).

Knappe 4000 km auf dem Beifahrersitz von Truckerboy, von Salzburg nach Wales und wieder retour. Was mich in den nächsten Tagen erwartet? Leben zu zweit, auf wenigen Quadratmetern, ein komplett verrückter Schlaf- und Essrhythmus. Die Illusion des schönen, sauberen und immer verfügbaren Klos. Im Moment noch alles schwer vorstellbar.

Lisa mit Aussicht nach vorne

Zu Mittag

Auf einer Raststation in der Nähe von Nürnberg machen wir Pause. Nach 4 ½ Stunden fahren ist eine dreiviertel Stunde Pause gesetzlich vorgeschrieben. Truckerboy kocht Kaffee am Gaskocher. Im Auto. Notiz am Rande: Ich habe seit Kindertagen panische Angst vor Gaskochern, in ein paar Tagen werde ich Kaffee kochen, wie ein Profi. Ich soll mir keine Sorgen machen, es hat ihm eh erst eine Gaskartusche zerrissen in seiner fast zehnjährigen Fahrerkarriere. Irgendwie ist mir fad, so jetzt nach den ersten 350 Kilometern. Truckerboy bittet mich um Geduld, in England dann. In England haben wir dann auch wirklich etwas zum Arbeiten, da kommen die ganzen Lade- und Entladestellen, da ist es mehr als nur Fahren.

Ich merke an, dass ich meinen Kaffee eigentlich mit Kokosöl trinke, was Truckerboy dazu bringt, sich unglaublich über die Globalisierung und unsere Konsumgeilheit zu echauffieren.

„Alles, was aus Übersee kommt, ist a Scheiß, Lisa. Soja. Kokosöl. Überleg dir mal, wie viele hundert Leute dein deppates Kokosöl in der Hand gehabt haben, bevor du das kaufst.“

Am Nachmittag

Wir sind uns relativ schnell einig, dass es eigentlich eine ziemlich scheiß Jahreszeit für mich ist, um ihn zu begleiten. Es ist Ende November, es wird um halb 5 finster, es ist kalt. Ich versäume die Feierabendbiere draußen am Autohof, da, wo die ganzen Trucker zusammenkommen, wo die Fahrer die Griller auspacken, wo man sich über alles Mögliche austauscht. Die scheiß Arbeit, wo jetzt wieder eine Baustelle oder eine Umleitung ist, wo die Klos am Besten sind. Aber auch, manchmal über das, wie hart es ist. Wie viel man zuhause versäumt, wenn man eine knappe Woche, oder auch zwei, unterwegs ist, so wie es auch Truckerboy tut. Dass es schwierig ist, da Freundschaften aufrecht zu halten, eine klassische Liebesbeziehung undenkbar scheint.

Leben im Truck

Am Abend

Nach 815 km und zehn Stunden Fahrzeit ist Schichtende und wir schlagen auf einer Tankstelle in Eynatten, an der deutsch-belgischen Grenze, auf. Das Klo ist schon zu, also pinkle ich zwischen die Lastwägen.

„Ein richtiger Trucker bist du erst, wenn du unter den Aufleger gackst“, sagt Truckerboy und lacht über meinen entsetzten Gesichtsausdruck. Wir trinken belgisches Starkbier und lassen uns von Truckerboys Kumpel dazu überreden, mit ihm auf ein paar Bier in die La Quinta Bar ums Eck zu gehen. Eine ranzige Tschumsn, die tut, als wäre sie eine Szenedisko, wo frustrierte deutsche Hausfrauen auf ungewaschene Trucker spechteln und hoffen, für eine Nacht ein bisschen in die Welt der Fernfahrerromantik eintauchen zu können. Truckerboy sagt, natürlich gehen wir da hin, wenn du schon Milieustudien machen magst, dann richtig. Außerdem darf ich nicht vergessen, dass ich dort dann auch gacken kann. „Das kann ich doch nicht auf Kommando!“, sag ich und wieder sagt er „Warts ab. Nach der Woche bist du Truckerqueen und kannst das alles!“.

Lisa als Trucker

An der Kasse im La Quinta ist er dann erst mal baff, weil ich französisch spreche und das mit den Eintrittspreisen und den Getränkejetons abkläre. Ich fühle mich, als würd ich zum ersten Mal heute etwas Sinnvolles tun und nicht nur daneben sitzen und mich durch halb Europa kutschieren zu lassen. Das Feierabendbier, bzw. die vier Feierabendbier rinnen trotzdem runter wie nichts. Wir drei hocken an der Bar und richten Leute aus.

Lisa in der Truckerbar

Es ist faszinierend, ich fühl mich wie um 15 Jahre zurückversetzt in die Vergangenheit, auf den Feuerwehrball im Heimatdorf in Oberösterreich. An der Bar stehen die Jungs, das Bier in der Hand, und checken die Mädels ab, die etwas verunsichert und planlos in Kleingruppen auf der Tanzfläche hin und her treten. Nur, dass sie eben alle weit über Vierzig sind, und statt der Bloodhoundgang Umberto Tozzi läuft. Sonst ist alles wie früher, der leichte Hauch von Jägermeister in der Luft, bunte Scheinwerfer, der übertriebene Einsatz der Nebelmaschine, die dir die Tränen in die Augen treibt. Die Frauen, die sich am Klo nachschminken. Sehr schöne Klos übrigens, sauber, abschließbar, mit Klopapier, nur ein bissl Koks auf dem Spülkasten.

LKWs in Belgien

Als wir um drei zum Truck zurückkommen, dreht Truckerboy die Standheizung auf gefühlte 30°, kriecht in seine Koje und schläft sofort wie ein Stein, während ich versuche, meine Eindrücke zu sammeln. Es ist schon ordentlich schräg, das Leben als Truckerbraut.

Ihr wollt die ganze Reise nachlesen? Do it!

#1 Prolog: Die Truckerbraut: Viertausendundzehn Kilometer

#2 Tag 1: Mit dem LKW von Salzburg nach Wales und zurück

#3 Tag 2: „Ums Verrecken könnt ich keine Tiere durch die Gegend fahren!“

# 4 Tag 3: “Jetzt wartets. I muss mi konzentrieren. Jetzt kommen die Nutten!“

# 5 Tag 4: „Weißt, ich bin ja echt einiges gewohnt. Aber das war die ekelhafteste Dusche meines Lebens!“

# 6 Tag 5: „Das machen sonst nur die im Uboot!“

#7 Tag 6: “Wer eine Warnweste trägt, gehört dazu!”

 

Die Fotos stammen alle von der Autorin.

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