Mit Zimmer, Küche, Kabinett [TEIL 4]

ACHTUNG, DIESER BEITRAG IST VERALTET! BITTE ÜBERPRÜFE, OB DIE DARIN ENTHALTENEN INFOS NOCH AKTUELL SIND. WIR KÜMMERN UNS SOBALD WIE MÖGLICH UM EINE AKTUALISIERUNG!

Von einer Lungenentzündung auf vier Quadratmetern über Frostbeulen im spanischen Baskenland bis zum Corona-Lockdown in einer leeren Wohnung. Unsere Autorin Luisa hat in den letzten Jahren so ziemlich alles erlebt, was man in Sachen Wohnen erleben kann. Und in einer sechsteiligen Kolumne ihre Erinnerungen für uns aufgeschrieben.

Hier geht es zu Teil 1: “Ich kann’s mir nicht mehr verkneifen“
Hier geht es zu Teil 2: “Du schaust scheiße aus”
Hier geht es zu Teil 3: „Dann eben mit Rum“

TEIL 4: VITORIA-GASTEIZ

„Kältebeulen für die radikale Autonomie“

Die Zeit im französischen Teil des Baskenland verging letztlich schneller, als wir gedacht hatten. Unsere Freunde kamen und für uns wurde es Zeit weiterzuziehen. Da erfuhren wir von Vitoria. Hier, auf spanischer Seite des Baskenlandes, befindet sich eine alte ehemalige Arbeitersiedlung, die in der Gegend heute als autonome Wohnsiedlung bekannt ist. Da unsere Freunde dort jemanden kannten, schien es naheliegend – zumal tatsächlich nur drei Stunden entfernt – dort vorbeizuschauen. Besucher waren dort für absehbare Zeit erlaubt und wurden in eigenen Gästezimmern untergebracht. Très bien alors.

Ans Ziel kommend, baute sich eine Häuserreihe nach der anderen vor uns auf und als wir den endlich warm gewordenen Wagen verließen, schlug uns erneut Eiseskälte in Gesicht. Spanien – eh klar! Es dauerte eine Weile, bis wir die zuständige „Bekannte“ erreichen konnten, denn Netzempfang war auch dort keine Konstante. Also spazierten wir am Gelände entlang und bewunderten Wand- bzw. Mauerbilder, die regelmäßig um anarchistische Motive bereichert wurden.

Endlich kam die uns unbekannte Bekanntschaft. Doch unbekannt und bekannt war hier ohnedies einerlei. In der Zwischenzeit waren wir bereits mehreren Siedlungsbewohnern über den Weg gelaufen, die uns allesamt mit einem offenen „hola“, oder auf Baskisch „kaixo”, begrüßten und unverzüglich zum regulären Trommeln im Gemeinschaftsraum einluden. Nun gut, unsere unbekannte Bekannte bergrüßte uns mit einer festen Umarmung und siehe da, wir fühlten uns schon fast wie zu Hause. Sie zeigte uns, wo wir unsere Koffer abstellen konnten. Im dritten Siedlungsbau von oben. Vorderes Haus, zweiter Stock rechter Hand. Oder war es linker?

 

radikale Autonomie

Die Zimmer für Besucher, wie wir es waren, hatten jeweils zwei bis sechs Betten. Die aufgestellten Heizkesseln wären mit Öl zu befüllen, das nicht vorhanden war, zumal sie nicht unbedingt den intaktesten Eindruck erweckten. Vom ersten Moment an war also klar – kalt wird es bestimmt auch diesmal wieder. Egal, da wir dem Trommeln neugierig zugesagt hatten, würden wir uns derartigen Fragen erst später widmen.

Als Gast in einer besetzten Siedlung sollten wir morgens und abends stets mit unserer nun tatsächlich Bekannten in ihrer WG kochen. So fanden wir uns schon am ersten Abend nach kräftigem Trommeln in ihrer kleinen Wohnung vor Tellern mit Bohneneintopf wieder und diskutierten mit Händen und Füßen über Politik, Energiefragen, Kälte und Katzen. Auch aus anderen Wohnblöcken kamen immer wieder Leute vorbei, bedienten sich an Bohnen und Wein, scherzten und gingen wieder. Dann war es soweit: Der Strom ging aus. „Zeit schlafen zu gehen“ – so das gechillte Kommentar der Bewohner.

Der spanischen Regierung ist die besetzte Siedlung in Vitoria-Gasteiz bekannt und die Bewohner ringen seit einiger Zeit um Möglichkeiten, den Alltag zu organisieren: Holz zum Heizen kleiner Blechöfen organisieren sie selbst. Für die ganze Siedlung steht ein Waschraum zur Verfügung. Die Bewohner*innen kümmern sich um die Radwerkstatt, sowie um die Reparatur des Brotofens der Siedlung oder der Häuser selbst. Zudem gibt es einen Raum für Kleidertausch, den Gesellschaftraum, eine Bibliothek, eine weitere allgemeine Werkstatt und das alte Kino, das die Besetzer*innen selbst bespielen.

Lediglich den Strom dafür gab es irgendwann nicht mehr, da die Behörden die Leitungen gekappt hatte. Also starteten die Bewohner*innen ein Crowdfunding, um Solarpanele aufzustellen, was auch gelang. Nunmehr war allerdings schon Winter, schlecht Wetter und das Licht nicht unbedingt das stärkste. Demzufolge gab es auch in der Stromversorgung einige Lücken.

Für uns bedeutete dies: Raus aus dem Block und den unsrigen suchen. Das nunmehr mit der Handytaschenlampe – die es ebenfalls galt, bewusst einzusetzen – war doch ein Aufladen nicht so einfach möglich. Gefunden! Es folgte die bereits traditionelle Pyjama-Mutprobe, diesmal im Dunkeln. Am nächsten Morgen klebte der gefrorene Finger unseres Zimmerkollegen an der Wand, hatte er doch im Schlaf vergessen, sich vollständig zuzudecken. Schmerzhaft, aber er hat es überlebt.

Für den ersten Tag war duschen eine Horrorvorstellung, jedenfalls für mich. Warmes Wasser gab es aktuell in den Blocks nicht. Dafür musste man schon hinüber zur ehemaligen Sporthalle. Hatte man das einmal geschafft und dann eventuell eine halbe Ewigkeit mit sich gerungen, endlich die Kleider abzustreifen, so wurde man mit warmen Wasser belohnt.

Auch ich hatte Schmerzen, allerdings an den Knien. „Habe ich mir die Knie angeschlagen? Sollte ich das nicht wissen? Soviel habe ich doch gar nicht getrunken.“ Tatsächlich, ein Blick nach unten ergab blaue Knie, die zu mir hochschielende Beulen zeichneten. Niemals zuvor gesehen, hatte ich weder Ahnung was das war, noch woher es kam. Es sollte noch etwas dauern bis ich begriff: Frostbeulen: „Kältebeulen für die radikale Autonomie“.

Sehr lange konnten wir aus diversen organisatorischen Gründen leider nicht verweilen. Wir verabschiedeten uns mit kräftigen Umarmungen und einem agur  – hasta pronto – bis bald.

Hier geht es zu Teil 5: „Corona Lockdown?
Vom Corona Lockdown in einer leeren Wohnung.

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