Kommentar: Scheiß auf die Corona-Selbstoptimierung!

ACHTUNG, DIESER BEITRAG IST VERALTET! BITTE ÜBERPRÜFE, OB DIE DARIN ENTHALTENEN INFOS NOCH AKTUELL SIND. WIR KÜMMERN UNS SOBALD WIE MÖGLICH UM EINE AKTUALISIERUNG!

Es herrscht bereits so lange Ausnahmezustand, dass er fast normal ist. Würde man die letzten Wochen in Phasen unterteilen, wären wir nach Verwirrung, Angst, Akzeptanz mittlerweile in der Produktivität angekommen. Das Motto du jour? Wenn wir schon daheim sind, dann machen wir das Beste daraus, Corona-Selbstoptimierung lässt grüßen. Warum ich das falsch finde.

Neue Sprachen lernen, 10 Kilo abnehmen, im Homeoffice glänzen, die Wohnung neu einrichten, putzen, täglich frisch und ausgefallen kochen. Mit einem strahlenden Lächeln, versteht sich. Schließlich geht es uns ja so gut – im Vergleich zu anderen. Corona haut gerade voll rein. Und uns haut’s den Vogel raus, kommt mir zumindest so vor. Seit wir daheim „festsitzen“, kommt der innerliche Stress, wie wir denn die Zeit produktiv nutzen können. Das Beste aus der Situation machen wird zu „mich zum Besten in der Situation“ machen. Hä? Wieso tun wir uns das an?

Ich verstehe es nicht. Obwohl ich nicht „strukturrelevant“ bin, ist mein Tag vollgepackt. Bissi arbeiten, bissi dies und das, bissi Betreuungsarbeit, bissi Haushalt, damit wir daheim nicht eine neue Seuche züchten und am Abend ganz viel Erschöpfung. Weil ich scheinbar leicht zu beeinflussen bin, habe ich die letzten Tage einen zusätzlichen Stress entwickelt: MUSS DIE ZEIT NUTZEN! MUSS SPORT MACHEN! MUSS TRÄUME JETZT VERWIRKLICHEN! WANN, WENN NICHT JETZT? Und nach und nach komme ich drauf: Genau jetzt ist eigentlich die falsche Zeit für gnadenlose Selbstoptimierung.

Viele von uns sind arbeitslos geworden, viele in Kurzarbeit geschickt worden. Bei vielen ist das komplette Betreuungssystem weggebrochen, einige haben Eltern und Großeltern auf der Intensivstation.

Viele von uns sind arbeitslos geworden, viele in Kurzarbeit geschickt worden. Bei vielen ist das komplette Betreuungssystem weggebrochen, einige haben Eltern und Großeltern auf der Intensivstation. Auch, wenn es in Salzburg nicht so wild aussieht – natürlich nur im Vergleich zu anderen Ländern – ist die Situation keine leichte. Wer bitte geht heim, am Tag der Kündigung, und denkt sich: Cool, jetzt habe ich endlich Zeit, Graphikprogramme zu lernen! Wer, der nicht doped, schupft den Haushalt mit Kindern, macht Homeoffice in der Nacht (#realitycheck) und springt in der Früh aus den Federn mit einem einzigen Gedanken, der da ist: Lässig, jetzt eine Runde joggen, dann habe ich zu Ostern das Wunschgewicht! Ich erspar euch das Nachdenken. Niemand tut das.

Mir reicht die Situation, wie sie ist

Unsere derzeitige Situation ist extrem fordernd – für alle. Für die, die sich den Arsch abrackern sowieso. Die Lehrer*innen, die gar nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Das Gesundheitspersonal, das neben Unsicherheit so viel arbeitet wie nie. Arbeiter*innen, die die Stadt am Laufen halten. Für alle Mamas und Papas, die zum einen die Familie zusammenhalten müssen, teilweise auf sehr kleinem Raum, und nicht durchdrehen sollen. Die Exekutive, die auf einmal Knöllchen verteilt an Leute, die sich zu nah sind. Und schließlich für alle, die zwar gesund sind, aber deren Existenz bedroht ist oder schon weggefegt wurde.

Manchen ist das natürlich alles wurscht. Die sollen jetzt bitte produktiv sein, sich bis zum Explodieren selbst optimieren. So viel wie möglich aus sich herauspressen, bis sie so effizient sind, dass sich kein Haar mehr an ihrer Haut hält, weil so sleek. Ich gehöre da nicht dazu. Sondern versuche, den Kopf hoch zu halten. Die Tragödie, die sich um uns herum, in Salzburg, in Österreich, in unseren Nachbarländern, in der ganzen Welt abspielt, irgendwie auszuhalten. Mit dem Gedanken klarzukommen, dass irgendwo in Griechenland Eltern ihren Kindern dabei zusehen müssen, wie sie leiden, wie medizinisches Personal abgezogen wird, bis nur mehr ein paar Ärzte ohne Grenzen (hier spenden!) übrig bleiben, mit wenig Wasser, wenig Ausrüstung, keine Hoffnung. Ich tu mir ehrlich gesagt sehr schwer damit.

Dieser Druck, dieser falsche Freund der permanenten Selbstoptimierung, der kann mir persönlich gestohlen bleiben.

Sucht euch Hobbies, ja! Zum Beispiel helfen!

Corona kann man nicht gewinnen, egal wie gut der Yogaflow nach der Quarantäne aussieht. Was man aber tun kann ist, sich Hobbies suchen. Da hätte ich auch ein paar Tipps. Bitte denkt nicht nur darüber nach, euren Nachbar*innen zu helfen. Tut es auch. Näht Masken für zum Beispiel demenzkranke Menschen, die Angst vor den medizinischen Masken haben und bunte bevorzugen. Ruft eure Opas und Omas an, mindestens einmal täglich. Denen ist gerade massiv fad daheim und die dürfen nicht raus. Schreibt Briefe, schickt Postkarten, backt Osterliches und bringt es Menschen, die sich darüber freuen.

Ich finde, eine neue Sprache lernen, das geht auch in ein paar Monaten noch. Ist sowieso leichter vor Ort. Aber dieser Druck, dieser falsche Freund der permanenten Selbstoptimierung, der kann mir persönlich gestohlen bleiben.

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