Vorab vielleicht noch eine Info: Arbeit und Wohnung sind in unserem Fall fünf Gehminuten voneinander entfernt. Zur Kinderbetreuung sind es fünf Kilometer hin und wieder zurück, eine Distanz, die wir gern als „unseren Sport“ verbuchen. Unser Wirkungsbereich ist beinahe zu 100 Prozent in der Stadt Salzburg. Und wir fahren gerne Rad.
#1 Kein Auto in Salzburg zu haben ist unbequem
Diesen Absatz müssen wir stehen lassen, denn er stimmt immer noch. Die Sommermonate in Salzburg waren einfach nur herrlich. Morgens an der Salzach radeln. Vor einem Laden stehen bleiben, absteigen, absperren und nicht 25 Euro Strafzettel zahlen müssen – herrlich. Radfahren im Sommer und Herbst ist zwar anstrengend (weil körperliche Betätigung), aber sehr lohnend (weil gutes Körpergefühl). Bis Ende November ließ sich dieser Traumzustand aufrecht erhalten, dann kam der erste (und letzte?) Schnee. Diverse Krankheiten haben das Radfahren auf Eis gelegt und das mühsame Leben eingeläutet. Ohne Rad ist Salzburg unbequem, mühsam, kraftaufwendig. Und wir haben uns oft gewünscht, einfach ins Auto einsteigen zu können und uns, mit Sitzheizungswarmen Popsch, im Stau einzureihen. Naja.
#2 Wir haben jetzt ein E-Bike
Lange haben wir uns gewehrt, aber wogegen eigentlich? Weil wir immer öfter „Autokaufen Salzburg“ gegoogelt haben, immer mehr Termine kreuz und quer durch die Stadt dazugekommen sind, wir immer früher am Abend eingeschlafen sind und in der kalten Winterzeit wirklich körperlich ziemlich am Ende waren, haben wir uns ein E-Bike gekauft. Das zieht jetzt den Anhänger und das Zusatzgewicht und ist ehrlicherweise die Lösung aller Probleme, die unsere Autofreiheit in Salzburg bereitet hat. Wir sind glücklich, haben in drei Monaten gut 1.500 Kilometer raufgeradelt und machen jetzt mal so weiter.
#3 Die Radspur wird immer beliebter – und das ist blöd und auch cool
Klar freuen wir uns, wenn mehr Menschen Rad fahren. Auf den Radwegen fahren aber eben nicht nur Radfahrer*innen mit und ohne Motor oder mit und ohne Anhänger/Lastenrad, sondern auch so Mini-Mopeds zur Essenslieferung, extrem schnelle E-Roller, die gern rechts überholen, sehr ungeduldige Rennradfahrer*innen, Fußgänger*innen, die abkürzen wollen und Menschen, denen ihr eigenes Leben und das der anderen komplett egal ist und das auch zeigen, indem sie mit Kopfhörern auf den Ohren, rauchend und ohne Rücksicht auf Verluste zickzack fahren. Wir stellen jetzt mal eine kühne Behauptung auf und sagen: Für diese Art von Befahrenheit sind die Salzburger Radwege (vor allem zu den Stoßzeiten) noch nicht geeignet. Scaaary!
#4 Wir hatten so so viele Patschen – was ist da los?
Es gab da eine Phase, da sind wir fast wöchentlich mit einem Patschn dagestanden. Am Rad oder am Anhänger. Fast haben wir schon daran geglaubt, dass uns eine*r was Böses will. Aber dann doch immer eine Scherbe rausgezogen. Weil: Selten waren so viele kaputte Glasflaschen am Radweg zu umfahren, wie in den letzten Monaten. Liebe Leute, bitte schmeißt keine Glasflaschen auf den Radweg. Danke!

#5 Immer noch vieeeeel billiger
Pro Monat haben wir für die Leasingrate unseres Auto ca. 300 Euro hingelegt. Dazu gut 100 Euro Benzin, die Vignette, Service, Reifenwechseln und einlagern. Parkgebühren und kleinere Unfälle. Macht pro Jahr ca. 5.800 Euro (in 2022). Mit dem Klimaticket Salzburg bestreiten wir ein ganzes Jahr für 365 Euro pro Person. Und obwohl wir uns gutes extrem gutes Radlzeug (Regenoutfit von Patagonia, gscheide Helme, Handschuhe, Lichter, etc) zugelegt haben, bleiben mehrere Tausend Euro für andere Dinge übrig. Zum Beispiel, ein E-Bike zu kaufen. Repariert werden unsere Räder übrigens bei Carla Velorep, das sich bei uns ums Eck in der E-Vorstadt befindet.
#6 Richtig viel Bewegung, die wir so niemals gemacht hätten
Für uns ein sehr wichtiger Punkt: Bewegungszwang durch Alternativlosigkeit. Wir sind unfassbar faul, wenn es ums Körperliche geht und haben uns in den letzten Jahren so wenig wie möglich bewegt. Dank Auto ist es uns selbst nicht einmal aufgefallen, WIE wenig wir per Muskelkraft durch die Welt gegangen sind. Das Auto ist aber weg und wir müssen nun jede Strecke per Rad, zu Fuß oder mit dem Bus zurücklegen. Soll heißen: Wenn wir nicht mit dem Rad fahren, schaffen wir die 10.000 Schritte ohne Probleme, mit dem Rad schaffen wir 14 Kilometer pro Tag ohne Probleme. Das ist wie Sport, ohne dass man sich dazu motivieren muss. Haben wir uns selbst ausgetrickst.
#7 Wir haben jetzt richtige Freude am Radfahren
Es hat ein wenig gedauert, aber mittlerweile können wir es uns gar nicht mehr anders vorstellen. Die Freude, auf dem Rad zu sitzen und der Salzach entlang zu radeln, an einem schönen (oder auch kalten Winter-)Tag ist so groß. Die Schadenfreude auch, wenn wir in der Imbergstraße am Stau vorbeidüsen, ohne selbst halten zu müssen. Gewohnheit erfolgreich angewöhnt.

#8 Rail & Drive, Taxis und nette Menschen, die uns mitnehmen oder ihr Auto borgen
Es kommt nicht jeden Tag vor, aber schon immer wieder: Manchmal braucht man einfach ein Auto. Bei größeren Einkäufen bzw. beim Transport von Möbeln. Oder wenn man irgendwo hin muss, wo es einfach keine Öffis gibt. Zu diesem Zweck haben wir uns bei Rail & Drive angemeldet. Das ist ein Service, bei dem man stundenweise Autos leihen kann, noch dazu in der Nähe vom Bahnhof situiert. Ab und zu fahren wir jetzt auch mit dem Taxi, weil es praktisch ist bzw. wenn es nicht anders geht. Und natürlich haben wir das große Glück, dass es viele nette Menschen in unserem Leben gibt, die ihr Auto mit uns teilen, wenn es mal nötig ist. Das haben wir in den letzten drei Jahren vielleicht 30 Mal in Anspruch genommen.
#9 Richtig viel Respekt vor betagten Radler*innen
Natürlich wollen wir immer so schnell wie möglich an unser Ziel, das ist der Fluch der Zeit zwischen 20 und 60 Jahren. Geht aber nicht immer, weil uns betagte Radfahrer*innen einbremsen und uns daran erinnern, dass man nicht immer hudeln muss. Wir haben großen Respekt vor Menschen Ü70, die regelmäßig am Rad sitzen, ohne Furcht, und ihr Tempo durchziehen. Weiter so, es ist für alle gut!
#10 Es ist normal geworden
Vor allem für Freund*innen und Verwandte war es ganz schwer zu verstehen, dass wir da jetzt freiwillig aufs Auto verzichten. Immer wieder wurde und wird uns angeboten, dass man uns ja mitnehmen kann. Aber nicht nur wir, sondern auch alle anderen haben sich an diese Entscheidung mittlerweile gewöhnt. Wir fahren mit dem Rad, Punkt. Und wenn das nicht geht mit dem Bus oder Zug. So ist das halt und wir finden’s schwer ok. Und wenn es ganz anstrengend wird, dann schauen wir uns Autos im Internet an.
Was wir noch sagen müssen:
Wir haben eigentlich sehr wenige Freund*innen oder Familienmitglieder, die ein Auto haben. Die wohnen aber meistens in Städten wie Wien, Berlin oder auch Oslo. Salzburg ohne Auto ist eine ganz andere Nummer. Wir finden es phasenweise sehr anstrengend und extrem unbequem, vor allem in den Wintermonaten, wo es immer dunkel und kalt ist. Die Überwindung, mit den Öffis oder mit dem Fahrrad zu fahren, ist groß. In den wärmeren Monaten hingegen ist eine reine Freude und macht wirklich Spaß.