Eltern sagen gerne, dass man nie vollkommen darauf vorbereitet ist, wenn Nachwuchs ansteht – auch dann nicht, wenn es sich um das absolute Wunschkind handelt. In manchen Fällen passiert es auch unerwartet, zum falschen Zeitpunkt oder mit dem/der falschen Partner*in. Und manchmal passiert es spät, weil vorher kein*e Partner*in da war, mit dem/der man sich Kinder vorstellen wollte, oder weil die Prioritäten andere waren. Das Leben hält sich schließlich nicht an Pläne und an Familie schon gar nicht.
Bei Birgit* etwa hat es früher einfach nicht gepasst, erzählt sie am Telefon. Da gab es eine Beziehung in ihrem Leben, früher, als Birgit im idealen Alter für die Geburt war (zumindest, was man in der Medizin darunter versteht), aber die beschreibt sie als eher holprig, unzuverlässig, als untauglich für die Familiengründung. Als Birgit sich dann noch einmal verliebt und eine Familie gründet, gebärt sie ihre beiden Söhne mit 38 und 40 und ist deshalb eben schon überdurchschnittlich alt für diesen Schritt.
"Warum werden’S denn in diesem Alter schwanger?"
Unverhofft kommt oft
Auch als Helena* Mama wurde, war sie 40 Jahre alt – und damit statistisch betrachtet spät dran mit dem Mutterglück. Zwischen Helena und einer jungen Mutterschaft lagen drei Fehlgeburten und die voranschreitende Zeit hat nicht auf sie gewartet. Als sie dann entgegen aller Erwartungen plötzlich doch schwanger wird und ihre Tochter zur Welt bringt, ist sie überglücklich. Trotzdem war ihre Schwangerschaft nicht einfach, erzählt sie. Nicht wegen der hormonellen und körperlichen Herausforderungen. Sondern, weil sie sich was anhören musste, als alleinerziehende und alte Mutter, besonders von den Frauen, sagt sie. Kinder, in ihrem Alter, ob da etwa künstliche Befruchtung im Spiel gewesen sei? Warum werden’S denn in diesem Alter schwanger, hatte man sie gefragt.
Viele alte Eltern haben bereits ein paar Stapfen auf der Karriereleiter zurückgelegt und in ihren Zwanzigern Beruf und Bildung vorgezogen, weshalb überdurchschnittlich viele Akademiker*innen spät Eltern werden.
Dabei stehen Birgit und Helena mit ihrer Entscheidung bei weitem nicht alleine da. Die Zahl der Frauen, die ihre Familienplanung auf später verschieben, wird im Langzeitvergleich stetig mehr: Allein im letzten Jahrzehnt hat sich das Durchschnittsalter der Frauen bei der Erstgeburt von 30 auf über 31 Jahre verschoben, Tendenz weiterhin steigend. Die Geburtenrate der späten Eltern ab 38 macht zwar weiterhin nicht die Mehrheit aller Geburten aus, aber trotzdem lässt sich hier im Langzeitvergleich ein Trend beobachten.
Wenn das Leben noch eine Überraschung bereithält
Das hat viele Gründe, wie Herbert Huka-Siller und Anette Hüttenmeyer von der Elternberatung des Landes Salzburg wissen. Viele alte Eltern haben bereits ein paar Stapfen auf der Karriereleiter zurückgelegt und in ihren Zwanzigern Beruf und Bildung vorgezogen, weshalb überdurchschnittlich viele Akademiker*innen spät Eltern werden.
Andere Paare finden ihr Liebesglück generell erst spät. Manche von ihnen haben bereits eine Familie und erwachsene Kinder und wollen eine zweite Familie gründen. Und eine weitere Gruppe vermag Huka-Siller in seiner Arbeit als Elternberater auszumachen: Frauen, denen in der gynäkologischen Untersuchung bereits ein beginnender Wechsel diagnostiziert wird und die deshalb die Verhütung bereits abgesetzt haben, als sie dann überraschend doch schwanger werden.
"Späte Mütter haben meist einen höheren Bildungsgrad erworben, erziehen ihre Kinder in emotionaler und intellektueller Hinsicht konsequenter und sind zufriedener mit ihrer Mutterrolle als ihre jüngeren Kolleginnen."
Viele ältere Mütter, sagt Huka-Siller, hegen aber meistens schon einen langen Kinderwunsch und haben sich demnach zumindest theoretisch, mit Ratgeberlektüre etwa, gut auf die Mutterschaft vorbereitet. Das beobachtet er zumindest in der Elternberatung. Damit gehen aber oft hohe Erwartungen an den Nachwuchs einher – und ans Familienglück. Weil: Die Lebensrealität, erzählt er, ist in Familien eben nicht immer so glücklich und perfekt. Dann funktioniert etwa das Stillen nicht, die Mutter sei von der Geburt traumatisiert oder leide unter einer postnatalen Depression. „Unsere Aufgabe von der Elternberatung ist es dann, die Eltern von der einsamen Insel der Vorstellungen in die Realität zu begleiten“, sagt Huka-Siller.
Sind spätere Eltern zufriedenere Eltern?
In Wien hat der Entwicklungspsychologe Harald Werneck eine wissenschaftliche Studie durchgeführt und darin die Lebensrealitäten von jüngeren und älteren Müttern miteinander verglichen. So konnte er beobachten, dass späte Mütter, weil sie meist einen höheren Bildungsgrad erworben haben, ihre Kinder in emotionaler und intellektueller Hinsicht konsequenter erziehen und zufriedener mit ihrer Mutterrolle sind als ihre jüngeren Kolleginnen. Sie haben meist schon mehr Stabilität im Leben gefunden, sind finanziell gut abgesichert und meist beruflich gut integriert, führen stabilere Partnerschaften als jüngere Paare und sind auch in ihrer Persönlichkeit gefestigt.
Das alles bringe eine gewissen Gelassenheit ins Leben, so das Ergebnis der Studie. Davon kann auch Birgit erzählen, als sie darauf angesprochen wird. „Ich muss mich nicht mehr ins Arbeitsleben stürzen, weil mich die Kinder rausgerissen haben. Das hab ich als befreiend empfunden, dass ich mich mit Kindern nicht beweisen muss“, sagt sie. Die zweite große Komponente sei für sie die Lebenserfahrung: „Bei Elternabenden in der Schule muss ich mich nicht über alles aufregen. Da ist es mir egal, ob einer dem anderen den Kuli zerbricht“, lacht sie. Und auch Helena beschreibt ihre Zeit als Mutter als ruhiger, ohne dem Druck, besonders viel erleben zu müssen, ohne Angst vor Verzicht und dafür mit mehr Gleichgültigkeit gegenüber der Meinung anderer Menschen ausgestattet:
„Mit Mitte zwanzig war es mir wichtiger, was andere von mir denken. Mit vierzig bin ich einfach ungeschminkt und völlig übermüdet mit dem Kind spazieren gegangen und es war mir egal.“, erinnert sie sich.
Elterliche Nachzügler*innen
Was sie aber sehr wohl als schräg empfunden hat, sagt Helena, war der Vergleich mit den anderen Müttern in ihrem Umfeld. An Elternabenden und am Spielplatz war sie oft so alt wie die Omas von manchen Kindern. Besonders in ihrem Freundinnenkreis war Helena oft allein. „Die haben alle etwa im selben Zeitraum viel früher als ich Kinder bekommen und sind durch diese Zeit zusammen durchgegangen.“ Als Helena dann Jahre später mit ihrer Tochter nachzieht, ist der Nachwuchs der Freundinnen oft schon aus dem Haus und ihre eigene Lebenswelt zwischen Windeln und nächtlichem Stillen eine andere als die der Freundinnen. Sie hat also einen Mamakreis am Spielplatz gesucht und gefunden, und dort die Rolle der Ältesten akzeptiert.
Birgit sagt, dass ihr das Alter gegenüber den Müttern in ihrem Umfeld egal war. „Manchmal hatte ich schon das Gefühl, das könnten meine Töchter sein. Ich hab aber nie das Gefühl gehabt, ich bin zu alt, sondern eher, dass die anderen so jung sind“, schmunzelt sie. Sie glaubt auch, dass es für die Kinder schwerer auszuhalten sei, wenn die Eltern von anderen Kindern als Großeltern bezeichnet werden. Aber trotzdem ist sie überzeugt, dass ihre Söhne keine Probleme mit ihrem Alter hatten, sagt sie. „Gefühlsmäßig würde ich sagen, dass wir eine gute Gesprächsbasis haben. Da ist natürlich ihre Pubertät da, aber das hat mit meinem Alter nichts zu tun.“
Birgit kommt selbst aus einer Familie später Eltern: Ihr Mutter war 38 Jahre alt, als sie sie zur Welt bekommen hat. Das war in den 60ern und es war am Land. Es gab auch große Probleme, erzählt sie, nach dem Motto: So alt noch Mutter werden gehört sich nicht. Birgit weiß deshalb auch, was Kommunikation mit älteren Müttern bedeutet: „In meiner Pubertät hatte ich schwere Auseinandersetzungen mit meiner Mutter. Da war meine Mutter gerade im Wechsel und ich habe den Altersunterschied schon gespürt und dass wir in unterschiedlichen Welten leben“, sagt sie.
„Für Zwölfjährige sind Eltern immer uralt, egal, ob sie 40 oder 50 sind.“
Huka-Siller von der Elternberatung stimmt Birgit da wohl zu: „Je größer der Altersunterschied ist, desto stärker wird er auch zum Thema. Kinder unterscheiden sehr wohl, wie sie ihre Eltern erleben und die Eltern im Freundeskreis“. Trotzdem, fügt er hinzu, würde er den Aspekt nicht überbewerten: „Für Zwölfjährige sind Eltern immer uralt, egal, ob sie 40 oder 50 sind.“ Das Einzige, sagen Birgit und Helena einstimmig, was sie ihren Kindern nicht geben können, ist endlose Energie. Als ihre Tochter noch ein Kleinkind war, erzählt Helena, sei sie mit ihrer Tochter um halb 8 schlafen gegangen, „wo im Altersheim nebenan noch Licht gebrannt hat.“
"An dem Spruch, Kinder halten die Eltern jung, ist viel dran."
Kinder als Jungbrunnen?
Natürlich sind Kinder ein Jungbrunnen, fügt sie hinzu, trotz allem und vermutlich gerade deshalb. Man müsse sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen und werde permanent von den Kindern herausgefordert, das sieht auch Birgit so. An dem Spruch, Kinder halt die Eltern jung, ist viel dran, sagt auch Huka-Siller. Aber eigentlich, sagt er, sind die meisten Erziehungsfragen keine Fragen des Alters. Zu dem Schluss kommt auch der Wiener Entwicklungspsychologe Werneck: Es gibt späte Eltern, die ihr lang geplantes Wunschkind wie ein rohes Ei behandeln. Viele sind gelassener und präsenter, manche fit und andere schneller ermüdet und überfordert.
Aber auch wenn es verschiedene Herausforderungen und Startbedingungen in unterschiedlichen Lebenslagen gibt: Mutterschaft ist individuell, wird so erlebt und so umgesetzt. Für Birgit hätte es ein paar Jahren früher passieren können, sie ist aber zufrieden. Und auch Helena sagt: „Im Großen und Ganzen ist es genial. Ich bin so gern Mama und ich brauche zwar viel mehr Haarfarbe als früher, weil es natürlich Nerven kostet, aber es wiegt alles auf.“
Info der Elternberatung Salzburg:
Paare, die eine späte Elternschaft überlegen, können sich gerne bei den Psycholog*innen der Elternberatung Begleitung holen.
Fasaneriestraße 35, 5020 Salzburg
0662 8042 2887
*Name von der Redaktion geändert
Titelbild: Alexander Dummer / Unsplash