Schicht im Schacht. Oder: Wer wird die wirklich letzte Generation?

Unsere Kolumnistin Schiaches Salzburg fragt sich: Wozu eigentlich noch Kinder?

Woher kommt eigentlich das geflügelte Wort „Schicht im Schacht?“. Richtig: Aus dem Kohlebergbau. Falls ein Kumpel in der Grube am Ende des Arbeitstages die letzte Fahrt nach oben verpasst, muss er die Schicht unten, also im Schacht, verbringen. Unangenehm.

Passend zur Kohlethematik verpassen wir gerade das 1,5°C-Ziel.

Nicht nur knapp, sondern mit Pauken und Trompeten. Die Folgen: Keine Malediven mehr. Für London, Amsterdam und die Kakaopflanze sieht es auch nicht gut aus. Trotz großer Flut und Gletscherschmelze werden wiederum Trink- und Grundwasser knapp. Immer ärgere Hitzeperioden gehen damit einher, blablubb. Dazu kommen vermutlich neue Pandemien, ein noch nie dagewesenes Artensterben (Kakao!) und zum Drüberstreuen noch ein paar globale Konflikte. Stichwort „Klimamigration“.

Genauso zach, wie diese Dinge, die uns passieren werden, sind so manche Vorschläge und Ideen, mit denen man gegen die Klimakatastrophe ankämpfen will. Beispielsweise dieser hier, gelesen Anfang Februar: Da will doch jemand allen Ernstes Mondstaub ins All befördern, „und so die Erde mit einem kosmischen Sonnenschirm ausstatten“. Auch gut: Eine von Coca-Cola gesponserte Klimakonferenz in Ägypten ausrichten, auf der man – wie die zehn Klimakonferenzen davor – beschließt, mit irgendwas anzufangen. Diesmal aber echt!

 

So weit, so schlimm also.

Das ist die Sahelzonen-trockene Realität. Das und noch Übleres wird auf Sie, liebe:r Leser:in, und auf Menschen, die heute noch nicht geboren sind, zukommen. Die Kids, die jedoch bereits geboren sind, haben ihre Zukunftslast längst begriffen und gehen inzwischen sogar so weit, die Regierung aufgrund absichtlicher Verfehlungen in Sachen Klimaschadensbegrenzung zu klagen. Recht auf ein Leben in Sicherheit. Das ist irgendwo als dritter Artikel sogar auf einem Charta-Kas‘zettel verewigt, wenn mich nicht alles täuscht…

Daher: Ist es in Anbetracht von allem eigentlich egoistisch, Kinder in die jetzige Welt zu setzen?

Ein Thema, das uns in den nächsten Jahren möglicherweise immer öfter begleiten wird. Ist es egoistisch, noch Kinder in die jetzige Welt zu setzen? Kann man es ihnen antun, den Schaden, den die Vorgängergenerationen angerichtet haben bzw. den man auch mit tatkräftiger Hilfe von Coca-Cola, Mondstaub und Co. nicht wird ausbügeln konnten, in den geschmolzenen Polkappen auszubaden? Food for thought.

Ohnehin ist das Klima nicht wirklich kinderfreundlich.

Man denke etwa an den letzten Geniestreich des Arbeitsministers Koch, die Sozialleistungen für, Zitat „freiwillig Teilzeitarbeitende“, im Falle einer Arbeitslosigkeit zu kürzen. Der gute Mann scheint nicht zu bedenken, dass die meisten in Teilzeit arbeitenden Menschen Frauen mit kleinen Kindern sind. Die Folge: Jenen Frauen wird wenig Geld und Kraft für die Kinderkreation und -versorgung übrigbleiben, wenn im Falle eines Jobverlusts das Wenige noch halbiert wird.

Grundsatzfrage: Ist es eine persönliche oder eine sozialpolitische Entscheidung – für oder gegen die Allgemeinheit – keine Kinder zu bekommen? Ab wann wird der höchstpersönliche Lebensbereich überhaupt politisch? Zumindest das Kinderkriegen bzw. die absichtliche Kinderlosigkeit/das Childfree-Living geht gefühlt schon immer jeden etwas an.

 

Keine Kinder zu haben, war früher (nur für Frauen, versteht sich…) ein Charaktermangel.

Ein Ausdruck von Verderbtheit. Kinderlose Frauen als schrullige „alte Jungfern“ mit obskuren Hobbies, einer überbordenden, angestaubten Majolika-Wandtellersammlung und zu vielen Katzen auf zu wenigen Quadratmetern.

Vor ein paar Jahrzehnten also noch als exzentrischer Spleen oder verfehlte Lebensgestaltung abgetan, ist Kinderlosigkeit (Kinderfreiheit?) nun – zumindest im urbanen Raum – halbwegs salonfähig. Lesbar als ein Zeichen der Autonomie über den eigenen Körper sowie ein Verzicht aufgrund des greater goods. Früher war man abgewertet als „kinderlos“, heute ist man neutraler ausgedrückt einfach „childfree“.

 

Hier kommen Menschen wie Verena Brunschweiger ins Spiel.

Brunschweiger ist im deutschsprachigen Raum die bekannteste Fürsprecherin des Antinatalismus, also der selbstgewählten Kinderlosigkeit, und diskutiert öffentlichkeitswirksam und markig die Vorteile des „kinderfreien“ Lebens. Eben nicht nur, weil die Nicht-Mutter sich auf einem lebenslangen Hedonismus-Egotrip befinden möchte – sondern weil es fahrlässig wäre, zu den paar Milliarden Erdenbewohner:innen noch ein paar hinzuzufügen, die dann im Elend leben müssen. Frei nach Brunschweiger: Wir bräuchten jetzt schon fast zwei Erden, um unser aller Lifestyle weiterhin zu supporten. Wo soll das alles also hinführen mit noch mehr Menschen?

 

Wichtig zwischendurch: Es geht bei dieser Frage nicht um adoleszentes Edgy-Sein.

Auch nicht darum, die lebensmüdesten Philosophen rückwärts zitieren zu können oder ein wandelndes Kompendium von Emil-Cioran-Aphorismen zu sein. Auch wichtig zu verstehen: Antinatalismus richtet sich nicht gegen das Leben per se. Im Gegenteil. Er richtet sich gegen das potenzielle Leid neuen Lebens, das in „dieser“ Welt aufwachsen muss. „Diese“ Welt, die die Entscheidungsträger gerade mit vollem Tempo an die grüngewaschene Wand fahren.

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Apropos grün: Wer für das Abtauchen der eben genannten Entscheidungsträger ein Anschauungsbeispiel braucht, der muss nur einen Blick auf Österreichs Skipisten werfen.

Frage: Warum wird Skifahren in Österreich zu einer unumgänglichen Kulturtechnik hochstilisiert? Warum wird Skifahrenkönnen gleichgesetzt mit Schwimmenkönnen? Ein kleiner, aber relativ wichtiger Unterschied: Das eine könnte einem, besonders wenn man vom klimakatastrophalen Absaufen betroffen ist, das Leben retten. Das andere eher nicht. Wieso also wird es regelmäßig medial als Katastrophe geframed, dass immer weniger Kinder Ski fahren können oder wollen?

Was tun, wenn es in näherer Zukunft im Winter wirklich keinen Schnee, keine Ressourcen für künstlichen Schnee, keine Schneekonservierungstemperaturen und – vielleicht auch irgendwie wichtig – auch keine soliden Berge mehr gibt? Hm.

Da hat es sich dann schnell mal aus-getraumtagerlt. Warum erwähne ich das? Weil sich dadurch ganz gut die buchstäbliche „Hinter mir die Sintflut“-Einstellung der heimischen Bergbahnbosse widerspiegelt: „Gletscherschmelze und Schneeknappheit? Das Schlimmste daran ist der Wirtschaftseinbruch am Lift!“

Genau diese Menschen sind es dann auch, die sich über Hafermilch-trinkende Perchten in ihren Tourismusverband-Imagevideos aufregen und nun nicht verstehen können, wieso die – Achtung Hasswort – Gen-Z nicht mehr Ski fährt bzw. nicht mehr skifahrend ihr ohnehin spärlich vorhandenes disposable income in die Moncler-Schal-umwickelten Rachen der Bergbarone werfen will.

 

Aber ok.

Dass den Liftkaisern und -kaiserinnen der vegane Percht im Imagevideo mehr Angst macht als der Klimakollaps, ist feinste Schicksalsironie. Der Gipfel der Absurdität, von dem es aus es sich prächtig ins Tal der vermeintlich Ahnungslosen jodeln lässt.

Solange mit der Weitsicht eines verkehrtherum gehaltenen Feldstechers sozialer und umweltpolitischer Ärger ignoriert wird, haben wir ein Problem.

Lösen kann man es zu Lebzeiten der Verursacher wohl nicht mehr. Ist es daher also wirklich so falsch, den stillen Ungehorsam anzuwenden und schlichtweg keinen potenziellen Ski-Nachwuchs mehr in die Existenz zu hieven?

You decide.

Alle Fotos: Schiaches Salzburg

“Schiaches Salzburg” ist unser Außenposten fürs Unangenehme und bringt laufend neue Krach- und Sachgeschichten aus SBG.

Gefunden haben wir diesen Account auf Instagram, wo er als @schiaches.salzburg die halbschattigen Seiten der Stadt herzeigt. Was es dort gibt? Found objects, Kurioses aus dem öffentlichen Raum und andere schiache Sachen aus der schönsten Stadt Österreichs. Immer mit im Gepäck? Gesunder Grant, absurder Humor und Sinn für Unsinn.

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