Look back in anger: So krass war das Jahr 2023 in Salzburg

Man verzeihe mir die „Krone“-artige Tonalität dieser Headline, aber nach allem, was in den letzten 365 Tagen so passiert ist, liegt Polemik als Stilmittel nahe. Nun mal der Reihe nach…

Jänner, Februar, März:

Das chinesische Jahr des Hasen beginnt ziemlich öd. Die Inflation beträgt 11,2 % und es passiert außer Streitereien um die Europark-Erweiterung und allgegenwärtigem Landtagswahlkampf nicht viel, außer, dass der Clever Mozzarella jetzt einen Euro kostet. Zugleich wird es einer der wärmsten und trockensten Winter gewesen sein. Schon wieder. Aktivist:innen, die darauf aufmerksam machen und sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen fordern, werden entweder als Chaoten verlacht oder als gefährliche Systemfeinde stilisiert.

(… und jede hat tatsächlich geholfen.)

April:

Weil niedliche Tierbabys immer ziehen: Anfang April kommen im Zoo Hellbrunn zwei Schneeleopardenbabys auf die Welt. (Eines davon stirbt ein paar Wochen später wieder.)

Wahltag: Ende April schafft eine aus ein paar Nervensägen bestehende Partei mit 11,6 % aus dem Stand den Einzug in den Landtag. Zudem wird sie in der Stadt Salzburg mit 21,5 % zweitstärkste Kraft. Die Verwunderung darüber ist bei der politischen Konkurrenz groß. Denn wer hätte auch ahnen können, dass man im Jahr 2023 in Salzburg mit so weltfremden Themen wie leistbarem Wohnen oder Armutsbekämpfung Erfolg haben könnte? Die Bürgermeisterwahl 2024 wird jedenfalls interessant.

Mai:

Tod einer komplizierten Ikone nach einem Leben zwischen Schönheit und Verfall: Wahl-Salzburger und Schiaches-Salzburg spirit animal Helmut Berger stirbt zurückgezogen im Alter von 78 Jahren.

Zur Auflockerung nun eine kleine Scherzfrage: Was haben Salzburg im Mai 2023 und ein mittelaltes Hämatom gemeinsam?
Richtig: Beides tut relativ weh, wenn es schwarz-blau ist und wäre mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit leicht vermeidbar gewesen, hätte man ein bisschen mehr Umsicht walten lassen. Tat man aber nicht, weshalb Ende Mai die Verhandlungen für die blaues Aug‘-Koalition zwischen ÖVP und FPÖ beginnen.

 

Juni:


Offizielles Ende der schwarz-grün-pinken Dirndlkoalition. Schwarz-Blau wird angelobt. Wahlgeworben wurde von ÖVP bzw. FPÖ unter anderem mit Slogans wie „Eine von uns“ und „Anstand“. Dass die neue Landesregierung sehr volksnah, anständig und relatable ist, zeigt sich direkt in einer ihrer ersten Amtshandlungen: Sie tut, was jeder Gering- und Normalverdiener momentan auch gern tun würde: sich erst mal selber das Gehalt erhöhen.

Nicht weit vom Chiemseehof entfernt geht währenddessen das Innenstadtsterben weiter. Wenn es diesmal aber ein multinationaler Großkonzern und der Marktführer der weltweiten Systemgastronomie ist, der seine Pforten im Herzen der Stadt schließt, fragt man sich schon, was da eigentlich falsch läuft in der Getreidegasse – und auch außerhalb.

(Potenzialrealisierung nach Salzburger Art)

Beruhigend immerhin: Die Europark-Erweiterung ist durchgewunken und wenn die Altstadt nun endgültig zum Museum oder potemkin’schen Dorf für Tourist*innen wird, kann man immerhin schön groß im Taxhamer Industrieviertel shoppen gehen.

Juli:


In einer kleinen Vinothek in Hallein treffen sich bei Edelwein und Käsehäppchen ein paar normale Männer in entspannt-gediegener Slimfit-Atmosphäre.

Indes macht in der Stadt Salzburg ein selbstbewusster Gastronom mit einer kuriosen Forderung Schlagzeilen. „Entweder die Autos oder ich!“ lautet das Ultimatum in Richtung der Stadtregierung und meint damit ein autofreies Andräviertel oder die Schließung seiner Bar. In Anbetracht des Realitätsgehalts dieser im Grunde sehr ehrenwerten Forderung hier ein Vorschlag für das legendäre Schild an der Eingangstüre der Bar: Sag zum Abschied leise Serv…olenkung.

Währenddessen starten die Festspiele. Friendly reminder: Die Erweiterung des Festspielhauses wird 335 Millionen kosten und von Bund, Land und der Stadt Salzburg getragen. (Also auch von dir. Ja, dir! Wann warst du eigentlich zuletzt bei den Festspielen? Was? Noch nie? Karten zu teuer. Ah ok. ☺)
Sebastian Kurz, gegen den aktuell ein Strafverfahren läuft, hält unterdessen medienwirksam Einzug in Salzburg und trifft sich nach der Festspieleröffnung mit Markus Friesacher im Café Bazar zum zwanglosen PR-Schinkenfleckerlempfang. Und apropos Friesacher: Dieser prozessiert aktuell gegen einen Grün-Politiker, der es gewagt hat, Fotos von Friesachers Großbaustelle am Gaisberg zu machen. Heiteres Bezirksgericht.

Ebenfalls eine Baustelle: Das Paracelsusbad. Aufgrund gravierender Sicherheitsmängel wird es ab Ende Juli geschlossen.


Schönster lost place in Salzburg

August:


LH-Stellvertreterin und „eine von uns“ Marlene Svazek beweist im Sommer eindrucksvoll ihren Gerechtigkeitssinn und stellt sich im Zuge eines großen Skandals im Zusammenhang mit systematischem, sexualisiertem Machtmissbrauch auf die Seite der Schwächeren: einer kleinen Metalband aus Ostdeutschland.

Auch eine Erwähnung wert: Die Ski-Weltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm ist gesichert, eine Piste wird extra dafür erweitert. Freude. Zumal man dazu gleich noch ein lästiges Insekt, den streng geschützten Thymian-Ameisenbläuling, der auf den betreffenden Hängen lebt, loswird. Zwei Schmetterlinge mit einer Klappe sozusagen, denn wer braucht angesichts des globalen Artensterbens schon Insekten, wenn er dafür unter dem Deckmantel von nachhaltigen Synergieeffekten und Umwegrentabilität zwei Wochen Winter-Halligalli haben kann, an das sich spätestens bei der nächsten Ski-WM eh niemand erinnern können wird? Eben.

Ein paar Kollegen vom Thymian-Ameisenbläuling als Exponate im Haus der Natur. Vielleicht bald auch er.

September:

Das Treffen der ÖVP-Funktionäre in Hallein vom Juli gerät unfreiwillig zum einfühlsamen Ernährungs- und Finanztutorial eines nicht gewählten Bundeskanzlers für junge Familien, faule Arbeitslose und freche Teilzeitarbeitnehmer:innen. Mit lebensnahen, niederschwellig-umsetzbaren und nachhaltig-wirksamen Tipps bereichert der Kanzler die normalschlagenden Herzen des Landes.
Indes treffen sich ein paar FPÖ-Granden mit den Taliban direkt in Afghanistan. Es ist eine gute Zeit für Memes.

Das marketingstarke „Jugendkultur“-5020-Festival ist bereits nach der zweiten Ausgabe insolvent. Wyld! Der kolportierte Knackpunkt des Weiterbestehens waren 40.000 Euro Förderungskürzung.

Nebenbei erwähnt: Es wird ein September komplett ohne nennenswerte Niederschläge und der Wärmste der Messgeschichte sein.

Oktober:


Am 3.10. hat es knapp 30 °C, die Menschen in der Stadt vergnügen sich im Aya-Bad.
In eineinhalb Monaten wird der Christkindlmarkt am Residenzplatz eröffnet.

November:

Das desolate Paracelsusbad ist kaputter als angenommen: Der gesamte Schaden der Konstruktion wird öffentlich, die Sanierung wird – wie der Neubau – viel kosten und lange dauern. Und offenbar zieht sich das Problem von Freizeitstätten, die mit Wasser zu tun haben, in Salzburg durch, denn nicht nur flüssig, auch gefroren macht H2O hier nur Probleme. Die Eishalle ist nämlich ebenso desolat.

Am 26.11. findet eine Bürgerbefragung zum S-Link, genauer: zur Untertunnelung der Stadt Salzburg, statt. 60 % sprechen sich dagegen aus. LH-Stellvertreter und Verkehrsbeauftragter Schnöll sieht dies als „Stimmungsbild“ und arbeitet, ganz der Stimmung entsprechend, weiterhin an der Durchsetzung des Baus.

Dezember:

Der Dezember beginnt unerwartet mit Schnee. Viel Schnee. So viel Schnee, dass der bereits 2021 von einem Sturm angeknackste Kletterbaum im Mirabellgarten, unter der Last nun vollständig zusammenbricht. Irgendwie stirbt damit für viele Salzburger:innen generationenübergreifend ein Stück Kindheit.

Gleichzeitig gibt es Grund zur Hoffnung: Die städtischen Gärtner bemühen sich, den Baum so zu beschneiden, dass er neue Triebe bilden und weiterleben kann…

Eine schöne Message für 2024 eigentlich. Weg mit morschen, alten Strukturen, die ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen können. Dafür vielleicht neu austreiben und gepflegt weiterwurschteln. In diesem Sinne: Look back in anger. Seid aktiv, lasst euch nicht unterkriegen. Und schauen wir, dass 2024 ein bisschen besser wird.

(Inzwischen so selten, wie Schnee im Juli: Schnee im Dezember.)

Alle Foto: Schiaches Salzburg

“Schiaches Salzburg” ist unser Außenposten fürs Unangenehme und bringt laufend neue Krach- und Sachgeschichten aus SBG.

Gefunden haben wir diesen Account auf Instagram, wo er als @schiaches.salzburg die halbschattigen Seiten der Stadt herzeigt. Was es dort gibt? Found objects, Kurioses aus dem öffentlichen Raum und andere schiache Sachen aus der schönsten Stadt Österreichs. Immer mit im Gepäck? Gesunder Grant, absurder Humor und Sinn für Unsinn.

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