heast #22: Jakob und die Radfabrik

Der Gründer von Fanzy Bikes erzählt uns was

Jakob Deutschmann beeindruckt uns schon länger. Studium abgebrochen und aus dem Wohnzimmer raus begonnen, Räder zu reparieren. Mittlerweile ist aus dem Unterfangen ein Zentrum für Radkultur in Salzburg geworden, heißen tut es Fanzy Bikes. Wir haben mit ihm geplaudert und ihn gefragt, woher er den Mut nimmt, seine Entscheidungen so zu treffen, wie er es eben macht. Viele gute Sager, viele Dinge zum Nachdenken. Vor allem, wenn man selbst eine Firma hat.

Jakob mag gern Radln reparieren, eröffnet deshalb ein Radgeschäft, das seinen Vorstellungen entspricht. Arbeitet viel, stellt wen ein. Macht sein Ding. Bis hierhin sind wir mitgekommen. Und dann kommt die Nachricht: „Ich mag meine Arbeit, möchte aber in Ruhe darüber nachdenken, wie ich meinen Laden weiterentwickeln will und kann das neben dem laufenden Geschäft nicht. Deswegen sperrt Fanzy Bikes für ein halbes Jahr zu.“ Wir waren beeindruckt und haben nicht verstanden, wie der das hinkriegt. Deswegen haben wir uns zum Reden getroffen und im Podcast gefragt, woher er den Mut nimmt. Und uns ganz viel inspirieren lassen. Zum Nachhören überall, wo es Podcasts gibt und hier als Text. 

Jakob, für alle, die dich nicht kennen, wer bist du?

Ich bin da Jakob, 28 Jahre und schmeiß Fancy Bikes. Ich nehme alte Räder und mache sie wieder neu. Das war immer die Idee. Und das, was ich schon immer gemacht habe, auch als Kind. Wenn ich mal ein Rad hatte, ist mir recht schnell fad geworden damit.  Also habe ich mir vielleicht eines vom Sperrmüll geholt oder von willhaben und hab es dann umgebaut, wie ich es gebraucht habe und dann wieder verkauft, weil ich das nächste haben wollte. Das hat sich zu mehr als einem Hobby entwickelt, also hab ich einen Beruf daraus gemacht. Irgendwann habe ich eine Radlwerkstatt aufgesperrt und wie das halt so lauft. Und irgendwann hast du ein Geschäft und genau, das mache ich jetzt. Und vielleicht unter dem Titel Upcycling, ist das glaub ich ganz gut zu verstehen.

Wenn du zurückblickst: War das alles Strategie oder etwas anderes?

Es hat sich alles ergeben. Später habe ich das Wort Serendipität gelernt: Man findet etwas, das man gar nicht gesucht hat. Bei mir war das das Studium, das mich da rein geschubst hat. Ich hab berufsbegleitend Wirtschaft studiert und mir wurde gesagt, ich kann kein Radkurier sein, sondern ich muss irgendwas Wirtschaftliches machen. Dann habe ich mein Fahrradtechnik-Gewerbe in meinem WG Zimmer angemeldet, und ohne Hintergedanken begonnen, Räder zur reparieren. Das ist so schnell gegangen, dass ich auf einmal ein Geschäft gehabt habe. Ich hatte das Glück eines Selbsterhalterstipendiums, ich war also finanziell unabhängig, konnte das Geld in Werkzeug investieren und dann wollte ich einfach weitermachen. Das klingt sehr einfach, aber so war es.

Das klingt wie eine Bilderbuchkarriere. 

Es klingt, als hätte ich das geplant. Aber ich mach die ganzen Sachen aus dem Bauchgefühl raus. Ich glaube, das ist so ein cooles Wechselspiel. Mein „Unternehmerisch-Sein“ ist ein Probieren, eine Situation herzustellen, in der ich mich wohlfühle. Genau, zu aller erst muss ich mich wohlfühlen mit dem, was ich mache und was ich gern mache. Und wenn ich das tue, dann muss ich schauen, dass das Wirtschaftliche funktioniert. Ich bin nicht so, dass ich sage: Ich muss 40 Stunden offen haben und jede Stunde 120 Euro Umsatz machen. Sondern irgendwie habe ich den approach umgedreht und gesagt: Wieviel mag ich arbeiten? Ich sperre jetzt 14 Stunden die Woche auf, weil das ertrage ich, da kann ich mit voller Leidenschaft Menschen bedienen. Und dann schaue ich, wie ich das Geld verdiene, das ich brauche. Genau. 

War das auch der Grund, warum du dann gesagt hast: Jetzt sperr ich zu und denke mir das Ganze nochmal durch? 

Ich habe zugesperrt, weil ich vorerst genug hatte. Bis es zu dem Punkt kam, haben wir drei Jahre lang alles hochgefahren, vom Keller bis in den Schuppen, bis zum Radlgeschäft. Das alles aufgebaut und waren recht fleißig im klassischen Reparaturbetrieb. Aber irgendwie war das dann monoton und mich hat es nicht mehr ganz so gefreut. Und der Flo, der Mechaniker, wollte auch nicht mehr ganz. Also haben wir uns gedacht: Jetzt sperren wir zu. Flo wollte auf Reisen gehen und ich mich etwas entspannen, das Haus renovieren und alles so hinstellen, wie ich es gerne hätte. Weil zum Renovieren und ausmalen war damals keine Zeit. Das habe ich gemacht, war auf Reisen und hab dann ziemlich genau gewusst, wie ich weitermachen muss. 

Wie hast du dich darauf vorbereitet? 

Ich hab den Sommer davor gespart, das Geld auf die Seite gelegt, meine Fixkosten reduziert, dann war es erstaunlich einfach, den Winter zuzusperren. Auch, weil der Winter nicht die stärkste Saison ist, auf die kann man auch verzichten. Ich hab mir aber gedacht, dass ich ein bisschen Zeit brauche, um mich zu adaptieren, um eben nicht ins selbe Geschäft zurück zu kommen, das selbe wieder zu machen und auch, dass die Menschen merken, dass das was anderes ist, auf einem neuen Level angekommen. Ich habe viel überlegt, wie ich das anbahne, wie ich mich wegpositionier vom Dienstleister. Ich wollte einfach mehr wahrgenommen werden für qualitative Arbeit und für die schönen Räder, die ich baue und weniger für alte Räder herrichten und schauen, dass die wieder laufen. Und es hat hervorragend funktioniert.

Das waren Jakob und Flo, während der Reparatur eines Rades, das wir an euch verlosen durften. 

Du unterrichtest an der FH Salzburg Unternehmertum. Was waren deine Learning aus den letzten Jahren Unternehmer sein? 

Puh, da hat es ganz schön viele gegeben. Ich glaube, wenn man was macht, wo man leidenschaftlich dahinter steht, vielleicht auch sein Hobby zum Beruf macht, muss man lernen, wie das Wirtschaftliche funktioniert. Weil irgendwo ist leider doch Geld der Treibstoff fürs Unternehmen. Ein großes Learning war also in wirtschaftlicher Hinsicht, Cashflow zu generieren. Und herauszufinden, dass, wenn das rotiert, man wieder coole Sachen machen. Zum Beispiel mal ein halbes Jahr zusperren. Nein, das funktioniert nicht, da muss man schon sparen. Aber, das war ein Learning, dass man das auch wirtschaftlich angehen muss. Man braucht Geld und man muss schauen, dass regelmäßig Geld reinkommt, damit es funktioniert. Sonst kannst du nicht leben, von dem, was du machst. Und gleichzeitig kannst du auch nicht wachsen oder Sachen ausprobieren, eben. Genau, also Geld ist eines der wichtigsten Werkzeuge in meiner Werkstatt.

Unternehmer sein bedeutet auch, dass man nicht alles superernst nehmen darf. So ist es zumindest bei uns. Wie gehst du damit um, wenn Dinge liegen bleiben?

Ich bin schon auch sehr schlampig. Eben genau wegen dieser Gelassenheit, mit der ich da rangeh. Wenn ich in die Arbeit komme, wie heute, dann ist es oft so, dass ich nicht rational überlege: Was ist jetzt zu tun? Sondern mehr emotional: Worauf habe ich gerade Lust? Und dann kann es sein, dass ich eine Stunde Klavier spiele oder Kaffee trinke oder irgendwas tue. Und die Buchhaltung halt vergesse und die dann zu spät abgebe. Da muss man einfach cool bleiben als Unternehmer. Das ist so der bürokratische Dschungel. Da ist es schon ok, wenn sie mal zwei oder drei Briefe schicken. Ich glaube, da darf man sich nicht zu sehr stressen.

Fanzy Bikes

Süß: Das war Jakob am Anfang von Fanzy Bikes. 

Fanzy Bikes

Rund um Fanzy Bikes hat sich eine wunderbare Rad-Community versammelt. Wie ist denn das passiert? 

Ich glaube, weil sich mein Beruf aus einer Leidenschaft oder einem Hobby entwickelt hat, war es auch immer ganz wichtig, dass er einfach Spaß macht. Dass er zu meinem Lifestyle passt. Und der Lifestyle war viel mit Menschen Radfahren, Räder bauen, diese Radkultur leben. Und so hat sich der Laden eigentlich primär als Community Hotspot entwickelt, am Anfang. 

Der Spirit war aber immer schon unterwegs und die einzelnen Charaktere, die die Radkultur zu dem machen, was sie ist, die waren alle schon da und haben vielleicht das auch schon im Kopf gehabt. Irgendwo hat es an dem Ort gefehlt, wo diese Menschen zusammenkommen und diese Ideen austauschen und dann auch umsetzen. Und das hat sich prächtig entwickelt, und verschiedene Charaktere, die da zusammengekommen sind, machen halt jetzt ihre verschiedenen Dinge, die da auch super zusammenpassen.

An alle Garagenbesitzer*innen: Jakob sucht eine leistbare Lagerfläche. Habt ihr was frei? Dann meldet euch bei ihm.

Wie geht’s weiter mit Fanzy Bikes?

Ich will mir wieder ein Team aufbauen, weil ich gern weiter will. Ich finde es ganz schrecklich, zu stagnieren, was zu erreichen und da zu bleiben. Jetzt braucht es für nächstes Jahr einen neuen Schwung. Ich mach keine Reparaturen mehr, aber ich würde gern wieder Upcycling Services anbieten, alte Räder neu aufbauen, umbauen und pimpen. Und ich will neue Räder produzieren.

Neue Räder produzieren, wie stellst du dir das vor? 

Der logische nächste Schritt ist, Räder zu bauen, die man in 40 Jahren noch upcyclen kann. Mit leichten Anpassungen, die technisch Sinn machen, aber ohne den Schnickschnack, der teuer und schnell kaputt ist. Das soll in einer Radfabrik passieren. 

 

Nimm uns bitte mit auf eine Gedankenreise durch diese Fabrik.

Das ist voll das utopische Areal. Da hängen überall Pflanzen rum. Das würd ich cool finden. Die Fabrik schaut nicht aus, wie eine Fabrik, da stehen lauter coole Menschen drinnen, die das machen, was sie gern machen. Einer baut Rahmen, einer bemalt ihn, einer baut etwas zusammen. Einer macht Kaffee und verkauft Kuchen und dann werden da Räder gebaut und verkauft. Ich hätte es auch gern, dass die Menschen ihre Räder selber zusammenbauen oder richten können, dass sie gar nicht mehr ins Geschäft kommen müssen. Das wäre eigentlich cool, dann kannst du das Rad billiger verkaufen. Das ist nicht so schwierig, ein Rad zusammenzubauen. Das haben schon viele geschafft, die das vorher noch nie gemacht habe. Das wäre die Radfabrik, die ich gern hätte.

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