Wie Sex Toys weibliche Lust revolutionieren

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Während der Coronakrise erlebten Sex Toy-Hersteller und Erotikversandhändler Umsatzsteigerungen im zwei- bis dreistelligen Prozentbereich. Vor allem der Verkauf von Toys, die via Fernsteuerung auch räumlich getrennten Paaren eine gewisse Intimität verschaffte, boomte. Und überhaupt haftet Herstellern und Händlern von Sex Toys längst nicht mehr ein schmuddeliges Image an. Sex Toys sind „Mainstream“ geworden – und werden immer häufiger auch für medizinische Zwecke eingesetzt.

Text: Sinah Edhofer

Wer zurückdenkt, erinnert sich: Der klassische Sexshop hatte um die Jahrtausendwende definitiv nichts Elegantes an sich. Nur Mutige wagten sich überhaupt in solche Läden, meistens nur zum Stöbern oder um sich für das Faschings- oder Halloween-Outfit auszustatten. Für Frauen gab es ohnehin nicht wirklich viel zu entdecken und man war schneller wieder draußen, als man „Sex“ sagen konnte. Wer sich weiter vorwagte, drehte spätestens beim ersten Anblick eines undefinierbaren Objekts wieder um. Die geheime Welt des Fetischs und der sexuellen Experimentierfreude blieb vielen Menschen, die nicht unbedingt zu den freizügigeren gehörten, eine verborgene.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Zum Glück. Online-Shops und Hersteller von Sex Toys punkten heute durch elegantes Design, bei dem man auf den ersten Blick nicht unbedingt auf Sexspielzeug schließen würde. Auch großbusige Porno-Girls auf Verpackungen von Dessous, Spielzeug und Co, die ohnehin meist eher die männlichen Kunden als die weiblichen ansprachen, gehören der Vergangenheit an. Diskrete Aufmachung in Zuckerlfarben empfiehlt sich der weiblichen Kundin dann eben doch mehr.

Überhaupt ist ein Grund, warum Sex Toys immer mehr „Mainstream“ werden, auf den diskreten Onlinehandel zurückzuführen, meint Kathrin Kirchheiner. Die klinische Psychologin und Sexualmedizinerin leitet die psychoonkologische Ambulanz am AKH Wien. „Heute muss niemand mehr in Sex-Shops gehen, die früher schmuddelig anmuteten, mit den Pornokabinen und den dunklen Ecken. Heute kann man ganz einfach von zuhause bestellen. Der diskrete Versand, den viele Online-Händler anbieten, ist attraktiv, da nicht ersichtlich ist, wer der Absender ist. Außerdem gibt es immer mehr sehr exklusive, gehobene Sex-Boutiquen, die durch professionelle Beratung und gut geschultes Personal punkten. Vor allem für Frauen ist die Beratung von Frau zu Frau oft nochmal wichtiger.“ Daneben haben auch unterhaltsame „Toy Parties“, in der persönliche Erfahrungen und Empfehlungen in intimem Kreis ausgetauscht werden, dazu beigetragen, dass Sex Toys in der breiten Masse ankommen, so Kirchheiner.

„Manche Männer gehen automatisch davon aus, das Toy sei ihr Rivale.“

Zudem hat das Produktdesign vieler Toys deutlich an Ästhetik gewonnen. Anstelle unappetitlicher Gummiknüppel, die an Penisse in Überlänge und -breite erinnern, sind stylische Lifestyle-Produkte getreten, erklärt die Sexualmedizinerin. Im Zuge dessen veränderten sich auch die Einsatzbereiche von Sex Toys. „Früher hat man vorwiegend dann Dildos eingesetzt, wenn der Penis des Partners nicht steif genug wurde und die Erektion nicht lange genug gehalten werden konnte.“ Das sei mitunter ein Grund dafür, dass manche Männer sich auch heute noch bedroht fühlen, wenn ihre Partnerin den Einsatz von Vibratoren oder Dildos im Bett vorschlägt. „Manche Männer gehen automatisch davon aus, das Toy sei ihr Rivale. Sie fühlen ihre Erektion infrage gestellt, wenn es um Dildos geht, und wenn ihnen ihre Partnerin den Einsatz von Toys mit Druckwelle vorschlägt, stellen sie womöglich noch ihre oralen Fähigkeiten infrage“, so Kirchheiner. „Dann gilt es klarzustellen, dass diese Toys eine Bereicherung darstellen und nicht als Kritik an den sexuellen Fähigkeiten gemeint sind. Sie stehen für Übermut und Neugierde und Experimentierfreude.“

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Sex Toys rücken die weibliche Lust in den Fokus, erklärt die Psychologin. Eine Thematik, die auch in vielen Langzeitbeziehungen oft nicht oder nicht ausreichend zur Sprache kommt. „Ich erlebe immer noch Patientinnen, die beschämt zugeben, dass sie beim Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus erleben. Vielen ist immer noch nicht klar, wo die Klitoris, das Lustorgan der Frau, ist. Da wird viel zu viel Fokus auf die vaginale Penetration gelegt aber das ist für viele Frauen eben nicht ausschließlich mit Erregung und dem Höhepunkt verbunden. Die meisten meiner Patientinnen wissen wenig über die Klitoris, vor allem über die internalen Anteile, die im Körperinneren liegen.  Aber es ist so wichtig, über die Anatomie der Frau zu reden.“ Frauen zwischen 20 und 30 seien Kirchheiner zufolge zwar eher in der Sex Positivity Bewegung verankert und dadurch offener, die Generation um die 50 tut sich in Sachen Offenheit aber noch deutlich schwerer.

Manche Frauen fühlen sich sogar minderwertig, wenn sie nicht in der Lage sind, ausschließlich durch Vaginalverkehr zum Höhepunkt zu kommen, erklärt die Medizinerin weiter. Sie schämen sich, wenn sie selber nachhelfen müssen. Oft haben die männlichen Partner zudem das Gefühl, dass sie nicht ausreichen. „Jede Frau ist ein bisschen anders und die weibliche Lust ist sehr varianten- und facettenreich, und höchst individuell. Nicht jede G-Fläche ist z.B. am gleichen Ort und gleich empfänglich für Stimulation. Manche Frauen schätzen Vibration, anderen ist das zu intensiv, wieder andere bevorzugen Druckwellen. Ein gewisses Ausprobieren mit Sex Toys ist deshalb wichtig, gerade wenn die Frau ihren eigenen Körper nicht so gut kennt. Manche Toys brauchen auch Übung und Routine. Das alles ist sehr wichtig für die Selbsterkundung der Frau.“ Viele Beziehungen bekommen durch dieses gemeinsame Experimentieren wieder eine ganz neue Dynamik. Zudem berichten viele Frauen nach dem Verwenden von Sextoys von einer positiven Veränderung der Orgasmusqualität, so Kirchheiner.

„Als Nachsorge bei Bestrahlungen von gynäkologischen Tumoren gilt das Dehnen der Vagina mittels Plastikdilatatoren als die offizielle medizinische Therapieempfehlung.“

Ein weiterer Anwendungsbereich, dem sich Kathrin Kirchheiner beruflich widmet, ist der Einsatz von Sexspielzeug im klinisch/medizinischen Bereich. „In der klinischen Anwendung braucht es aber noch „mutige“ und aufgeschlossene Praktiker, die sich drüber trauen. Um ein Beispiel aus meinem Arbeitsbereich zu geben: Als Nachsorge bei Bestrahlungen von gynäkologischen Tumoren gilt das Dehnen der Vagina mittels Plastikdilatatoren als die offizielle medizinische Therapieempfehlung. Nach einer Bestrahlung kann es – je nach Dosis und Bestrahlungsgebiet – akut zu kleinen Verklebungen in der Scheide kommen, die regelmäßig gelöst werden müssen. Langfristig kann es als Nebenwirkung der Bestrahlung auch dazu kommen, dass sich die Vagina verkürzt, verengt und das Gewebe generell nicht mehr ganz so elastisch ist. Das kann dann nicht nur beim Sex ziemlich schmerzhaft sein, sondern auch bei gynäkologischen Nachsorgeuntersuchungen, wenn der oder die Ärzt*in die Spekula einführt.“ Aus diesem Grund bekommen Patientinnen nach einer gewissen Zeit Plastikdilatatoren für den Heimgebrauch, um ihre Scheide regelmäßig zu dehnen.

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Mit lustvollem Experimentieren hat das aber wenig zu tun. „Das sind im Endeffekt Medizinprodukte aus Hartplastik, die wie Dildos aussehen und in unterschiedlichen Größen zusammengestellt sind.“ Viele Patientinnen klagen aber darüber, dass der Gebrauch dieser Plastikdilatatoren unangenehm ist. Kirchheiner bietet den Patientinnen dann Vibratoren als Alternative an. „Der Einsatz von Sex Toys gilt hier natürlich nicht als offizielle Therapieempfehlung, das möchte ich betonen. Allerdings muss man eines klar sagen: Das tollste Medizinprodukt hilft nicht, wenn es nicht verwendet wird. Mein kreativer Zugang ist deshalb, Vibratoren ausprobieren, weil die als Produkte eben klare Vorteile haben. Die Größe und Form sind ebenso variabel, das Silikon ist weicher und wärmer und passt sich eher der Anatomie an. Die gesamte Dehnung ist dann wesentlich weniger unangenehm. Und manche Patientinnen entdecken dann auch ungeahnte Vorzüge.“

„Wenn jemand einfach kein Interesse daran hat, mit Sex Toys zu experimentieren, muss man das einfach akzeptieren. Wenn jemand zufrieden ist, dann ist das völlig in Ordnung.“

Die beste Durchblutung in der Vagina und damit die beste Oxygenierung im Gewebe findet beim weiblichen Orgasmus statt, erklärt die Sexualmedizinerin. „Da können durchaus körpereigene Heilungsprozesse in Gang gesetzt werden, die mithelfen können das empfindliche Gewebe nach so einer Bestrahlung wieder zu regenerieren.“ Zudem kann es der Frau dabei helfen, zu einem neuen Wohlbefinden zu finden. „Nach einer solchen Krebsbehandlung ist es auch wichtig, dass die Frau sich wieder in ihrem Körper findet, Zeit für sich nimmt und ihren Körper neu erkundet. Da geht es nicht einmal so sehr darum, dass sie wieder bereit für vaginalen Geschlechtsverkehr ist, sondern darum, dass sie für sich selbst herausfindet, was sich gut anfühlt und was sich verändert hat.“

Während bei Männern das Thema Sexualität nach Prostataerkrankungen deutlich häufiger thematisiert wird, fällt das Thema weibliche Lust und Orgasmus nach einer Krebsbehandlung in der Onkologie oft unter den Tisch. „Der Großteil der Onkolog*innen möchte nicht mit den Patient*innen explizit über Sexualität sprechen. Wir leben in einer Zeit, in der jeder von sich glaubt, aufgeklärt und offen zu sein und nichts zu tabuisieren – aber von sich aus die Initiative zu ergreifen und das Thema Sex offen mit Patient*innen anzusprechen, das wollen trotzdem wenige.“

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Eine Ablehnung gegenüber Sex Toys ist aber, trotz aller Vorzüge, nicht immer zu pathologisieren oder gar zu kritisieren. Kirchheiner: „Wenn jemand einfach kein Interesse daran hat, mit Sex Toys zu experimentieren, muss man das einfach akzeptieren. Wenn jemand zufrieden ist, dann ist das völlig in Ordnung.“ Sie bedauere lediglich die Selbstzensur mancher Menschen. „Ich sage immer: Wenn man drei Akkorde auf der Gitarre kann, kann man auch damit wundervolle Lieder spielen. Aber man hat auch sein Leben lang Zeit, die Gitarre in all ihrer Komplexität und die ganze Bandbreite der Tonleiter zu erlernen. Manchen Menschen reichen die drei Akkorde, manchen nicht. Schade ist es allerdings, wenn man selber grundsätzlich Spaß am Ausprobieren hätte, sich diese Freiheit aber selber verbietet.“

Sexuelle Kommunikation zu üben ist ein Weg, den es sich zu gehen lohnt. Egal, ob man selber nun Sex Toys einsetzt oder nicht. Die WHO definiert sexuelle Gesundheit überhaupt als „untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden.“ Die schönste Nebensache der Welt hat eben doch einen größeren Einfluss, als man annehmen würde.

Sinah Edhofer ist Journalistin (NEWS) und Podcasterin beim Sex- und Beziehungspodcast „Couchgeflüster“ (Spotify/FYEO).


Titelbild: Photo by Dainis Graveris on Unsplash

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