Ungewöhnliche Berufe: Michaela war Aufräum-Coach

Und, was machst du so? In dieser Rubrik stellen wir euch Jobs vor, die im Alltag oft unsichtbar bleiben. Michaela war früher Aufräum-Coach. Uns hat sie erzählt, wie das gelaufen ist.

Schmutz ist privat. Ihn zu erzeugen, gesteht man sich nicht gern ein, deswegen ist auch seine Beseitigung privat. Putzen vor anderen Leuten? Tut man eigentlich nicht. Zuschauen, wenn die Haushaltshilfe daheim herumwischt, seeeehr unangenehm. Da gehen wir lieber raus. Was aber muss man machen, damit man den Schmutz leicht wegkriegt? Ordnung und Struktur schaffen, sagt Michaela. Sie hat einige Zeit als Aufräum-Coach gearbeitet und Leuten geholfen, ihr Daheim zu entrümpeln.

Michaela, wie kann man sich die Aufgabe als Aufräum-Coach vorstellen?

Wenn man Aufräum-Coach sagt, denken viele an Marie Condo. Mich haben sie auch früher die Salzburger Marie Condo genannt. Was ich dann immer sage, ist, dass an meiner Arbeit rein gar nichts wie bei Marie Condo war. Wenn mich Leute angerufen haben, hatten sie einen extrem hohen Leidensdruck. Die haben ganz dringend Hilfe gebraucht, nicht, um die Wohnung stylischer zu machen oder um einen „Spark“ zu finden, sondern schlichtweg, um sich wieder in der Wohnung bewegen zu können.

Folgt ihr uns eigentlich schon auf Instagram? Das solltet ihr unbedingt tun, wir posten nämlich auch ab und zu Witze.

Reden wir hier von Messies?

Genau, wir reden von Messies oder Hordern. Ich war in Wohnungen, da musste ich mir zuerst einen Meter Platz schaufeln, um überhaupt durchgehen zu können. Ich hab Kinderzimmer gesehen, die waren komplett vollgeräumt. Ich hatte einmal einen Kunden, der sich neben seiner Wohnung noch eine 60 m2-Wohnung gemietet hat, einfach nur, um Dinge zu lagern, die in der eigentlichen Wohnung keinen Platz mehr hatten. Das waren nicht nur Menschen, die gern Dinge kaufen, da war schon mehr dahinter.

Wie war ein Arbeitstag in deinem Leben?

Zuerst einmal war es für mich eine totale Befriedigung, wenn es den Leuten besser gegangen ist. Eigentlich könnte es mir ja egal sein, wie es bei anderen daheim aussieht – aber wenn ich gesehen habe, wie die Menschen wieder durchatmen können, wie das Zeug weniger wird, das war schon sehr toll. Bis dahin war es aber ein weiter, weiter Weg. Ich bin für eine gewisse Anzahl an Stunden gebucht worden und meistens war beim ersten Besuch klar: Mit zwei Stunden kommen wir hier nicht weit, eher mit 200. Ziel war es in vielen Fällen, Bodenfläche sichtbar zu machen. Und ganz sanft ein Ding nach dem anderen zu entfernen.

War es dann so wie bei Marie Condo: Zuerst alles auf einen Haufen schmeißen und dann aussortieren?

(lacht) Wenn wir alles auf einen Haufen geworfen hätten, wären die Leute wahrscheinlich durchgedreht. Ich habe mit den Kund*innen oft über die kleinsten Sachen diskutiert, zum Beispiel, ob wir eine selbstgeschriebene Notiz auf einem Schmierzettel aus dem Jahre Schnee wegwerfen dürfen oder ob die bleiben muss. Das war für mich auch sehr anstrengend, muss ich zugeben.

Was hat das mit dir gemacht, wenn du so ein Haus verlassen hast?

Ich war da oft fix und fertig. Immer, wenn wir fertig waren, hatte ich das Gefühl: Jetzt passt es, jetzt kann man hier wieder leben. Aber die Leute haben ja ein Problem, die füllen die Wohnungen gleich wieder mit Zeug auf. Eigentlich bräuchte es eine Betreuung, immer wieder. Und eine psychologische Betreuung noch dazu, zumindest für diese harten Fälle. Oft haben wir auch richtig diskutiert, zum Beispiel, wenn ich vorgeschlagen habe, Rechnungen von vor zehn Jahren wegzuwerfen. Es waren sehr emotionale Situationen. Und dann muss man auch sagen: Ich bin weit in die Privatsphäre von Menschen eingedrungen, in ihre innersten Schutzräume. Die wollten viele verteidigen. Ich musste viel Fingerspitzengefühl beweisen, und das, obwohl es eigentlich einen Bulldozer gebraucht hätte.

Eine Doppelseite aus dem Buch „putzen, eine Kulturtechnik“ mit Salzburgbezug und Notiz-Zetteln. Schön.

Warum glaubst du, machen das Leute, dass sie ihre Wohnungen so vollräumen?

Auch wenn wir nicht von Messies reden: Viele Menschen haben große Schwierigkeiten damit, los zu lassen. Das beeinflusst auch das Leben extrem. Ich habe jemanden kennengelernt, der 20 Jahre lange niemanden in die Wohnung gelassen hat, einfach nur aus Scham. Einige waren tatsächlich kaufsüchtig, also krank. Die hatten unzählige Amazon-Packerl in der Wohnung liegen, ungeöffnet. Und konnten dennoch nicht aufhören, weiter einzukaufen. Viele waren auch Sammler*innen. Wobei ich gegen das Sammeln nichts habe. Wenn man allerdings beginnt, alles zu sammeln, dann wird es gefährlich.

 

Drei Fehler, die man nicht machen sollte, wenn man Ordnung halten will

#1 Mehr Stauraum kaufen:

Regale, Kästen oder sogar externe Storage Rooms: Wer zusätzlichen Stauraum kaufen muss, sollte sofort zum Nachdenken anfangen. Brauch ich den Stauraum, weil er wirklich nötig ist oder habe ich schon zu viel und bringe die Sachen nicht mehr unter? Der Keller zum Beispiel, sagt Michaela, sollte nur für saisonale Dinge wie z. B. zur Lagerung von Skiern dienen. Blumentöpfe, Geschirr, etc. haben darin eigentlich nichts verloren. Man greift die Sachen meistens nie mehr an.

#2 Beim Kauf nicht nachdenken, ob ihr Platz habt

Noch vor der Kassa solltet ihr wissen, wo die Sachen, die ihr gerade kaufen wollt, einen Platz finden. Fällt euch keiner ein, dann stellt die Produkte besser wieder zurück. Habt ihr noch einen Platz im Schuhkastl? Go for it. Habt ihr keinen Platz mehr im Schuhkastl? Dann sortiert erst ein Paar Schuhe aus. Und noch ein Schuhkastl kaufen gilt nicht, siehe Fehler #1.

#3 Kaputte Sachen in der Wohnung herumstehen lassen

Der Mixer ist kaputt, aber ihr wollt ihn sicher noch richten lassen? Tut es! Passiert das nicht im ersten Monat, braucht ihr euch keine Hoffnung mehr machen. Kaputte Gegenstände, sagt Michaela, machen euch ständig ein schlechtes Gewissen. Immer, wenn ihr an ihnen vorbeigeht, denkt ihr euch, „Scheiße, das muss ich richten lassen“. Wenn ihr in jedem Raum so ein Ding stehen habt, könnt ihr euch nicht mehr frei durch die Wohnung bewegen.

Buchtipp, für alle, die Putzen und Schmutz interessiert

putzen, eine kulturtechnik“ heißt das Buch, in dem wirklich jede Menge interessante Sachen zum Putzen und zu Schmutz steht. Dass Haushalt früher eigentlich nicht nötig war, weil man eh so wenig hatte. Oder dass Schmutz und auch das Aufräumen kulturell ganz unterschiedlich sein kann. Wir haben es sehr spannend gefunden – großer Tipp.“
216 Seiten, 36 Euro, von Sonja Stummerer & Martin Hablesreiter

Weil es Michaela aber nicht ganz lassen kann, könnt ihr bei ihr auch gerne telefonische Beratung haben. Meldet euch unter 0660/2271974 oder michaela-gerhardter@eclipso.at. Dann könnt’s ja reden und ausmachen.

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