Straßennamen mit NS-Bezug: 10 Kandidaten für eine Umbenennung

Stelzhammerstraße

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Dass in Salzburg mehr Straßen nach Nazis als nach Frauen benannt sind, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Die Diskussion um die Umbenennung der Salzburger Straßen, deren Namensgeber*innen mit dem Nationalsozialismus in Verbindung standen, ist dagegen eine endlose Geschichte. Durch den jüngesten Historiker*innenbericht ist sie wieder einmal aktuell geworden. Es wäre aber nicht Salzburg, wenn nun, über 80 Jahre nach dem Anschluss, schnell gehandelt würde. Man gönnt sich nun einmal ein Päusschen bis in den Herbst, um dann gut erholt im Gemeinderat zu diskutieren und die Verdienste der einzelnen Protagonist*innen gegen ihre Verfehlungen „abzuwiegen“. Was man zwischen den Zeilen liest: Zu einer raschen Umbenennung von Karajanplatz, Porschestraße und Co. will sich niemand bekennen. Klare Bekenntnisse sehen wieder einmal anders aus.

Damit die Zeit bis zur nächsten Relativierungsübung im Gemeinderat nicht ganz ungenützt verstreicht, wollen wir aus einem Konvolut von 40-60 Straßennamen mit NS-Bezug zehn bekannte und weniger bekannte Kollaborateure, Mitläufer und Verfechter herausnehmen und ein wenig vorstellen.

#1 KARAJANPLATZ

Einer der bekanntesten NSDAP-Mitglieder war der Dirigent Herbert von Karajan, der am 8. April 1933 der Partei beitrat. Aufgrund des Verbots der NSDAP 1933 ruhte diese Mitgliedschaft allerdings bis der Dirigent erneut 1935 in Aachen der Partei beitrat. 1939 wurde die österreichische Mitgliedschaft für ungültig erklärt. Beide Beitritte wurden auf das Datum 1. Mai 1933 in Ulm geschrieben.

Herbert von Karajan ging 1933 zur NSDAP, trat 1934 der Reichsmusikkammer bei und wurde 1944 von Hitler in die „Gottbegnadeten-Liste“ aufgenommen. Nach dem Krieg wurde Karajans „Entnazifizierungsverfahren“ ohne schriftliche Belege abgeschlossen, „da der Dirigent zu Genüge gelitten habe und sich ohnedies nur für die Musik interessierte“.

Die jeweiligen Eintritte seien Karrieregründen bzw. künstlerischer Motivation geschuldet – so die spätere offizielle Meinung. Gegen diese Sichtweise spricht sich der Historiker Oliver Rothkolb aus. Ihm zufolge habe Karajan, aufgrund seines Unwillens an der Volksoper zu dirigieren, bereits 1934 in einem Brief an die Eltern abschätzig vom gesamten Palästina gesprochen, das sich in diesem „namenlosen Theater“ versammle. Karajan ging 1934 zur Reichsmusikkammer. Seine Heirat mit der Viertel-Jüdin Anita Gürtelmann, die aus einer Industriellenfamilie kam, brachte Karajan keinen Nachteil. Immerhin war es seine Frau selbst, die Goebbels kontaktierte, um die Hochzeit bereits 1942 zu vollziehen und nicht, wie zuvor geraten, erst nach dem Krieg. Karajan wurde von Hitler 1944 in die „Gottbegnadeten-Liste“ aufgenommen, was ihn vor einem Kriegseinsatz in der Heimatfront bewahrte. Nach dem Krieg wurde Karajans „Entnazifizierungsverfahren“ ohne schriftliche Belege abgeschlossen, „da der Dirigent zu Genüge gelitten habe und sich ohnedies nur für die Musik interessierte“.

#2 CARL-ORFF-STRASSE

Der Dirigent und Komponist Carl Orff schien unpolitisch und an Politik genuin uninteressiert zu sein. Er verstand es jedoch auf beste Weise, sich mit den Machthabern für künstlerische Karrierezwecke zu arrangieren, um als Komponist seiner Zeit gewürdigt zu werden. 1944 befand sich Orff auf der „Gottbegnadeten-Liste“, die ihn vom Wehrmachts- und Arbeitseinsatz an der Front befreite, denn Orffs künstlerisches Oeuvre galt als schützenswertes Kulturerbe. Im Nachhinein war der Komponist durchaus bemüht, sein Bild wiederherzustellen. Nicht nur betonte seine Freundschaft zu Karl Huber, dem Gründer der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“, er behauptete ebenfalls Mitglied dieser Gruppe gewesen zu sein, was bis dato offiziell allerdings nicht bestätigt werden konnte. Orff wurde rückblickend lediglich als Mitläufer festgehalten und konnte seine berufliche Laufbahn wiederaufnehmen.

#3 FURTWÄNGLERPROMENADE

Wilhelm Furtwängler war Dirigent und von 1952 bis zu seinem Tod Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele. Berichte zu seiner Verbindung zur NSDAP lassen ein ambivalentes Bild entstehen, dass den Künstler als Opportunisten zeichnet. Aufgrund seiner internationalen Reputation galt Furtwängler unter den Nationalsozialisten als Vorzeigekünstler. Der Dirigent selbst soll sich jedoch mehrmals für seine jüdischen Kollegen eingesetzt haben. Andererseits willigte er aber auch ein, den ehrenwerten Posten des Vizepräsidenten der Reichsmusikkammer anzunehmen. Die Reichsmusikkammer war eine Nationalsozialistische Institution, die es sich zur Aufgabe machte, systemkonforme Musik zu fördern, welche von der sogenannten „entarteten Kunst“ unterschieden wurde. Der Grund seiner Einwilligung als Vizepräsident war, laut Furtwängler, der Versuch einer taktischen Zusammenarbeit mit dem Regime, um schlimmere Folgen zu verhindern. Widersprüchlich scheint allerdings, dass Furtwängler zusammen mit Richard Strauß für die Ausgrenzung diverser jüdischer Künstler, „Kulturbolschwisten“, verantwortlich war, was einem Berufsverbot gleichkam.

Furtwängler fand sich 1935 wieder bei Goebbels ein, um Hitler „selbstredend“ sein Recht als Entscheidungsträger zuzusprechen und weiterhin eine Zusammenarbeit zu garantieren. Nach dem Krieg wurde Furtwängler im Zuge eines Entnazifizierungsverfahrens freigesprochen und er begann 1947 wieder für die Festspiele zu arbeiten.

Als sich Furtwängler 1934 für den Komponisten Hindemith aussprach, stoß er auf Widerstand bei dem Regime, was zu einem vorübergehenden Austritt aus der Reichskammer führte. Nach gründlicher Revision fand sich Furtwängler 1935 allerdings wieder bei Goebbels ein, um Hitler „selbstredend“ sein Recht als Entscheidungsträger zuzusprechen und weiterhin eine Zusammenarbeit zu garantieren. Nach dem Krieg wurde Furtwängler im Zuge eines Entnazifizierungsverfahrens freigesprochen und er begann 1947 wieder für die Festspiele zu arbeiten.

#4 HANS-PFITZNER-STRASSE

Hans Erich Pfitzner war ein Musiker, Komponist sowie Autor politischer Schriften wie „Futuristengefahr“, „Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz“ oder der „Glosse zum II. Weltkrieg“. Werke, die ihn als einen glühenden Nationalsozialisten repräsentieren. Jedoch, so Pfitzner, waren es nicht die Juden, die er kritisierte. Vielmehr bedrohte der jüdisch-internationale Geist die zeitgenössische nationale Ästhetik, denn Pfitzner huldigte ein deutsch-nationales Empfinden.

Trotz seiner Bemühungen, Anschluss an Goebbels und Hitler zu finden, erhielt der Musikus von ebendiesen keinerlei Beachtung. Das jedoch hielt den Polemiker nicht davon ab, die NSDAP weiterhin zu unterstützen und auch nach dem Krieg in wohlgesinntem Kontakt mit dem inhaftierten „Schlächter von Polen“, Polens Generalgouverneur Hans Frank, zu stehen. Interessanterweise war Pfitzner jedoch nicht in der Partei. 1945 befand sich Pfitzner auf der Flucht und landete zunächst in Gamisch-Partenkirchen. Diesen Ort konnte er nach der Entnazifizierung 1948 verlassen, da er als „vom Gesetz nicht betroffen“ eingestuft wurde.

#5 TOBI-REISER-STRASSE

Lautstark antisemitische Polemiken führte der ursprüngliche Metzgermeister Tobias Reiser, der als Volksmusikant, Gründer diverser Musikgruppen und durch seine Erfindung der Stubenmusik bekannt wurde. Nach dem Anschluss 1938 wetterte Reiser gegen jüdische Tänze und verteidigte ein Trachtenverbot für Juden, denn seiner Meinung nach war Heimatbrauchtum das beste Gegenmittel für das jüdische Gift.

Seine Volksmusik wurde später vom Historiker Rothkolb als „system- und herrschaftsstabilisierend“ festgehalten. Nach dem Ende der NSDAP hat Tobi Reiser seine Gesinnung scheinbar ganz und gar anders interpretiert und seine Parolen fern vom Nationalsozialismus zu deuten versucht. Die Nähe zur Nationalistischen Vergangenheit wurde vom Kultur­landes­rat Heinrich Schellhorn (Grüne) 2016 betont, seine Verdienste für die Volksmusik allerdings durchaus geschätzt.

#6 FRIDERICA-DERRA-DE-MORODA-STRASSE

Weniger vorlaut, jedoch durchaus profitierend verhält es sich mit der Choreographin und Tanzpädagogin Friderica Derra de Moroda. Sie begann früh zu tanzen und startete 1913 ihre professionelle Karriere in London. Ihre Forschungstätigkeiten im Tanzbereich brachten sie nach Ungarn und wiederholt nach Österreich. 1918 bekam die gebürtige Slowakin die englische Staatsbürgerschaft. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hielt sich die Künstlerin in Salzburg auf, ohne Möglichkeit, nach London zurückzugehen. Neben ihrer Forschungstätigkeit für den Tanz und die Choreographie übernahm Derra de Moroda 1941 die Leitung des Ballettensembles der NS-Gemeinschaft KdF, Kraft durch Freude. Mit diesem Ensemble präsentierte sie eigene Choreographien in ganz Deutschland.

Nach der Auflösung des Ensembles 1944 wurde sie in Liebenbau am Bodensee inhaftiert. Die Tänzerin siedelte nach Kriegsende nach Salzburg und erbte nach dem Tod ihrer Schwester die Villa Schmederer in Salzburg-Parsch, wo sie ihre Ballettschule gründete. Ihre opportune Zusammenarbeit mit dem NS-Regime weiter nicht thematisierend, erhielt die Künstlerin 1967 eine Wappen-Medaille sowie 1972 einen Professorentitel. Aufgrund ihrer Verdienste um die Englisch-Österreichische Beziehung mit dem Ordinary Officer of the Civil Division of the Order of the British Empire wurde sie 1974 ausgezeichnet.

#7 JOSEPH-MESSNER-STRASSE

Joseph Messner galt als revolutionärer Komponist, der vor allem im Deutschland der 1920er Jahre viel Aufmerksamkeit erhielt. 1930 änderte Messner seinen Stil einer der Dissonanz und dem Kontrapunkt verpflichteten Musik zum Wohle eines harmonischen Dreiklangs, der dem deutschnationalen Kultur- und Kunstverständnis ganz und gar entsprach. Auch plädierte er, im Gegensatz zu seinem Bruder Johannes Messner, für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich.

#8 JOSEF-THORAK-STRASSE

In der Bildenden Kunst fand das NS-Regime mit Joseph Thorak ein Vorzeigemodell. Thorak entsprach mit seinen Monumentalplastiken ganz dem Geschmack des Führers, der nicht zögerte, den Künstler besondere Wertschätzungen zukommen zu lassen. Seine im Deutschen Pavillon der Pariser Weltausstellung gezeigten Figurengruppen lobte Hitler als „Meisterwerke“ und es dauerte nicht lange, bis Thorak zum meist bewunderten und geförderten Plastiker des „Dritten Reichs“ aufstieg. Um seine Karriere voranzutreiben, machte Thorak keine Kompromisse und ließ sich von seiner jüdischen Frau scheiden. Er profitierte vom NS-Kunstraub, beriet die SS im Konzentrationslager Dachau und besuchte persönlich die Häftlinge. Konsequenzen für das Handeln des Künstlers blieben nach dem Krieg aus.

Josef Thorak war Hitlers Lieblingskünstler und ein echter Vorzeigenazi: Er ließ sich von seiner jüdischen Frau scheiden, um seine Karriere voranzutreiben und inspizierte persönlich die Häftlinge im KZ Dachau. Zur Verantwortung gezogen wurde Thorak dafür nie. Im Gegenteil: Seine Werke stehen bis heute im Kurgarten und in Aigen ist eine Straße nach ihm benannt.

Aufgrund seiner Nähe zum nationalsozialistischen Regime wurde der Bildhauer nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor der Spruchkammer München angeklagt, jedoch in allen Instanzen freigesprochen. Wider jedes Vorstellungsvermögens wurde der Künstler nach 1945 für seine Verdienste geehrt. 1950 stellte man seine Plastiken im Mirabellgarten aus und dort stehen sie bis heute.

#9 ERICH-LANDGREBE-STRASSE

Erich Landgrebe war Maler und Schriftsteller und leitete ein Reisebüro. Nach einem Aufenthalt in den USA von 1931 bis 1933 kam er wieder zurück nach Österreich, wo er 1936 aufgrund seiner Mitgliedschaft bei einer NS-Kulturgemeinde verhaftet, jedoch nach kürzester Zeit wieder freigelassen wurde. Noch im selben Jahr wieder Mitglied der NSDAP, arbeitete er als Verwalter des 1939 arisierten Verlags Zsolnay sowie anderer ehemals jüdische Verlage.

Von 1940 an war Landgrebe Kriegsberichterstatter in Russland und Afrika. Nach drei Jahren amerikanischer Kriegsgefangenschaft kam er zurück nach Österreich, wo er seine Handlungen während des Zweiten Weltkriegs ausdrücklich bedauerte. Sein dennoch positives Bild im Literaturwesen der Nachkriegszeit verdankte er vor allem Freunden wie Hans Weigel, Viktor Matejka oder Alfred Kubin. Bis dato gilt er als erfolgreicher Autor der österreichischen Nachkriegsliteratur.

#10 GINZKEYPLATZ

Franz Karl Ginzkey war nach seiner Pensionierung als Heeresmitglied 1920 vermehrt als Schriftsteller tätig und zögerte durchaus nicht, seine Wortkompetenzen auf die politische Situation auszurichten. 1938, nach dem Anschluss, verfasste Ginzkey sein Bekenntnisbuch österreichischer Schriftsteller. Sein Eintritt in die NSDAP verzögerte sich aufgrund seiner ehemaligen Mitgliedschaft bei den Freimaurern. Gnadenhalber gewährte Hitler jedoch die Aufnahme 1939. Ginzkey verfasste Propaganda-Lyriken, wie das 1943 entstandene Gedicht „Heimkehr der Panzerschützen“, das in der Zeitschrift Oberdonau erschienen ist. Wohl wurden nach dem Krieg Werke des Schriftstellers wie „Die Front in Tirol“ auf die Liste jener Literatur gesetzt, die es auszusortieren galt und seine zahlreichen Beiträge in der rechten Zeitschrift Eckartbote sind ebenfalls bekannt. Dennoch wurde Ginzkey in der Zweiten Republik immer wieder als Meister altösterreichischer Dichtung geehrt. Von Ginzkey stammt übrigens auch das Kinderbuch Hadschi Bratschis Luftballon. Noch Fragen?

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