Salzburg Club Commission: „Es braucht noch viel Aufklärungsarbeit“

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„Was wir brauchen, sind Räume und Bewusstsein!“

Seit Mitte des Jahres hat Salzburg erstmals eine Interessensvertretung für DJs, Kollektive und Veranstalter*innen. Wir haben mit Jürgen Vonbank und Daniel Käfer aus dem Vorstand der Salzburg Club Commission über Bewusstseinsbildung, sexuelle Gewalt im Club und die Verdrängung junger Menschen aus dem öffentlichen Raum gesprochen.

Warum braucht es eine Interessenvertretung für die Salzburger Clubkultur?

Jürgen: Es braucht uns in erster Linie, weil die Clubkultur in Salzburg keine Lobby hat. Wir reden ja von einer sehr heterogenen Gruppe. Es geht um DJs, Crews und Veranstalter, es geht aber auch um die Häuser, die diese Veranstalter und Crews beheimaten. Es ist also ein großes Feld, das aber keine Interessenvertretung hat und das auch nicht als ein Feld wahrgenommen wird. Wenn du einen Politiker fragst, wird der höchstwahrscheinlich gar nicht wissen, was wir meinen, wenn wir von Clubkultur sprechen. Es braucht also zuerst einmal Bewusstseinsbildung, dass es diese Szene gibt und dass sie einen gesellschaftlichen Mehrwert hat.

Dani: Genau, es geht um Bewusstseinsbildung, dass Clubs und Veranstaltungen soziale Knotenpunkte sind, die in Salzburg ohnehin sehr rar gesät sind. Es gibt Akteure, die immer wieder viel probieren, um ein Club- und Veranstaltungsleben aufrecht zu erhalten, aber das ist alles sehr prekär. Da schauen wir eben, welche Mechanismen wir in Bewegung setzen können.

Wagen wir doch einmal eine Standortbestimmung. Wie geht es Salzburgs Clubkultur, von Corona einmal ganz abgesehen?

Jürgen: Einerseits gibt es einen Mangel an Flächen und Räumen. Wir haben in Salzburg wenige Offspaces, wo du schnell mal reingehen kannst um etwas zu machen, ohne dass es gleich wieder behördlich abgedreht wird. Man wird von offizieller Seite natürlich an die Häuser wie Rockhouse, ARGE, MARK oder Jazzit verwiesen, was für junge, unerfahrene Leute aber oft schwer ist. Man muss dort vergleichsweise lange warten, dass man einen Termin bekommt und dann hat man zum Teil Konditionen, die aus finanzieller Sicht so risikobehaftet sind, dass man sich als junger Veranstalter nicht drüber traut. Was es also bräuchte sind niedrigschwellige Experimentierflächen, an denen die Leute ihre Erfahrungen machen können.

Ihr habt von ARGE, Rockhouse, Jazzit und Co. gesprochen. Tun diese Häuser zu wenig für die Clubkultur?

Dani: Nein, das kann man so nicht sagen. Ich habe das selbst kennengelernt mit meiner eigenen Veranstaltungsreihe. Die wollen schon, aber die sind halt auch overbooked und du kannst nicht spontan was machen. Das zeigt ja, dass die eine sehr gute Arbeit machen. Es gibt einfach zu wenig Fläche.

Jürgen: Außerdem muss man auch schauen, wie die Häuser aufgestellt sind. Ich kann ja als junger Veranstalter nicht den ARGE-Saal mit Publikum füllen, das geht nicht. Es fehlt an mittelgroßen Räumen, wo man mit 250 Leuten gut feiern kann, die sich aber auch nicht leer anfühlen, wenn es nur 100 sind. Dazu kommt, dass das alles keine Häuser sind, die speziell für Clubkultur ausgelegt sind. Wir würden den Häusern also keinen Vorwurf machen wollen, die müssen ja auch wirtschaften und ihr Stammpublikum befriedigen.

Und was gibt es abgesehen von den genannten Institutionen an privaten Clubs?

Jürgen: Ich will niemandem auf den Schlips treten, aber mir fällt da im Stadtgebiet bis auf den Soda Club eigentlich nicht viel ein. Wenn man von Clubkultur im engeren Sinne spricht, bei der es um regelmäßiges, künstlerisch kuratiertes Programm geht, nicht nur um Mottopartys und Genre-Abende. Und wo sich eine Community und Szene versammelt, also nicht die Gastronomie und der Umsatz im Vordergrund steht.

Dani: Leider gibt es da im kommerziellen Bereich aktuell wirklich nur das Soda. Also einen Club, wo auch Local DJs mal für eine kleine Gage spielen können, um Erfahrung zu sammeln. Wobei man sagen muss: Die Stadt selbst wird nicht einfach private Clubs schaffen können. Aber sie könnte die Freiflächenbespielung ausbauen, die so wichtig wäre.

„Live im Park im Volksgarten wurde total ausgesetzt, gerade in Zeiten, wo es das ganz dringend gebraucht hätte.“

Jürgen: In allen anderen Landeshauptstädten ist es möglich, dass Freiflächen bespielt werden. In Innsbruck hat es im Sommer am Landestheater-Platz jede Woche Programm mit Local DJs gegeben. In Linz wird am OK Platz mitten in der Stadt gespielt, in Wien und Graz sowieso. Nur in Salzburg passiert gar nichts. Live im Park im Volksgarten wurde total ausgesetzt, gerade in Zeiten, wo es das ganz dringend gebraucht hätte. Dabei hätte man damit auch die viel diskutierten Kais an der Salzach entlasten und sicheres Feiern ermöglichen können. Die Stadt hat aber genau das Gegenteil gemacht.

Woran liegt das?

Dani: In Salzburg sind gewisse Mechanismen schon sehr lange im Gange. Das ist auch nichts, was unbedingt erst seit der neuen Stadtregierung so ist. Diese Dynamik war vorher schon spürbar. Wenn man zum Beispiel an die Siemens-Festspielbühne am Kapitelplatz denkt: Warum kann das nicht eine Woche vorher schon von Locals bespielt werden? Da könnte man von Filmabenden bis zu Bands und DJs alles machen. Dafür müsste man nicht einmal extra etwas aufbauen, nur Bestehendes nutzen.

Jürgen: Wir sind nicht gegen die Festspiele und wir halten auch nichts davon, Sachen gegeneinander auszuspielen. Wir haben es einfach mit allgemeinen Gentrifizierungstendenzen und mit Verdrängung zu tun. Das gibt es sogar in Berlin, wo Clubkultur ja mittlerweile ein Wirtschafts- und Tourismusfaktor ist.

Um bei einem konkreten Beispiel zu bleiben: Der Freakadellen Heizkeller, in dem wir gerade sitzen, ist so ein Raum der Clubkultur. Wie geht es dem?

Jürgen: Das ist ein Glücksfall. Wir haben einen privaten Vermieter, der das zulässt und zwar zu sehr fairen Konditionen. Das ist super, aber es geht sich auch nur aus, weil die Leute es supporten. Es gab natürlich auch hier Polizeikontrollen und es war eine Weile behördlich geschlossen – auch nicht ganz zu unrecht, das muss man zugeben. Wir haben den Raum dann zusammen mit der Politik, konkret mit Herrn Padutsch, legalisiert bekommen. Der hat erkannt, dass das einen Mehrwert hat. Der Verein wird trotzdem nicht gefördert und es werden immer wieder neue Gründe gefunden, ihn nicht zu fördern.

Woran liegt das? Das Interesse an den Veranstaltungen ist ja sehr groß.

Jürgen: Wenn man mit einem Ansuchen zu Stadt und Land geht, ist eine Jahresförderung von vornherein ausgeschlossen, die kriegen nur die großen Häuser. Man wird also immer auf Projektförderung verwiesen. Jetzt hat man in der Praxis aber nicht immer ein konkretes Projekt beziehungsweise arbeitet man ohnehin das ganze Jahr ehrenamtlich und reißt sich den Arsch auf. Und dann muss man sich wieder irgendein Projekt aus den Fingern saugen. Deshalb wäre es ganz wichtig, dass es eine Förderung zum Beispiel für die Infrastruktur von Vereinen gibt.

Dani: … wenn zum Beispiel die Anlage kaputt geht oder die Toilette repariert werden muss.

Ich bin mir sicher, dass von vielen Betreibern Dinge wie „Auf den Hintern greifen“  immer noch nicht als Belästigung empfungen werden.

Themenwechsel: Wie steht es in Salzburg um das Thema Sexuelle Gewalt im Club?

Jürgen: Da gibt es gravierende Probleme. Es ist in ganz vielen Lokalitäten so, dass ständig Übergriffe und sexualisierte Gewalt stattfinden. Ich bin mir sicher, dass von vielen Betreibern Dinge wie „Auf den Hintern greifen“ immer noch nicht als Belästigung empfungen werden.

Was braucht es da? Bessere Türsteher? Besser geschultes Personal?

Dani: Das reicht nicht. Die Türsteher sind ja vor der Türe und kriegen oft nicht mit, was drinnen abgeht. Die Leute an der Bar sind im Stress. Da geht vieles einfach unter. In einer solchen Situation denken Frauen sich bestimmt in vielen Fällen: Warum soll ich das melden? Dann ist mein Abend ruiniert und der Typ macht trotzdem einfach weiter.

Jürgen: Wir planen dazu einen Awareness-Day, zu dem wir Clubbetreiber aber auch Generaldienste von den Häusern einladen wollen, um etwas Konkretes zu erarbeiten. Dabei muss man einerseits die Betreiber in die Pflicht nehmen, aber auch die Gäste sind gefordert, so etwas zu melden. Die müssen dann aber auch wissen, dass das was bringt und sie sich dadurch nicht in Gefahr begeben. In Deutschland gibt es zum Beispiel das Konzept Luisa ist hier (Anm. d. Red.: mehr zur Umsetzung in Salzburg findet ihr hier). Diese Dinge wollen wir auch vermitteln, aber da braucht es noch viel Aufklärungsarbeit.

Auch wenn ein Club diese Utopie von Freiheit und Gleichheit leben sollte, reproduziert sich drinnen natürlich das, was draußen in der Welt passiert.

Und wie sieht es in Sachen Rassismus aus?

Jürgen: Wir bewegen uns mit der Clubkultur in einer Szene, die so ein bisserl links angehaucht ist und gerne behauptet, sie sei besonders tolerant. Aber natürlich gibt es das dort auch. Wir haben hier im Heizkeller einen Verhaltenskodex aufgehängt, aber das reicht natürlich nicht. Und auch wenn ein Club diese Utopie von Freiheit und Gleichheit leben sollte, reproduziert sich drinnen natürlich das, was draußen in der Welt passiert.

Kommen wir zu Corona. Wie gehen Salzburgs Veranstalter*innen und Gäste damit um?

Jürgen: Die Leute haben Bock, das merkt man schon. Es gibt aber schon auch Menschen die sagen, es ist ihnen zu früh. Man muss natürlich schauen, wie sich die Situation entwickelt, aber die Clubs sind wirklich die letzten, die sich gegen Maßnahmen sperren. Die waren eigentlich seit Anfang an kooperativ. Ob jeder eine Freude mit 1G hat, ist die andere Frage.

Was spricht denn aus eurer Sicht gegen 1G?

Jürgen: Wir sind keine Virologen und keine Gesundheitspolitiker. Aber für die Betreiber wird es mit 1G aus ökonomischer Sicht noch schwieriger. Und es braucht trotzdem ein niederschwelliges Testangebot. Das wäre idealerweise gratis und ein PCR-Test.

Dani: Das engmaschige Testen, möglichst kurz vor dem Clubbesuch, ist eigentlich die einzige Möglichkeit, wie man als Besucher sicher sein kann, weil man soweit wir wissen ja auch als Geimpfter oder Genesener das Virus weitergeben kann.

Könnt ihr abschließend noch eine Vision für Salzburgs Clubkultur in zehn Jahren formulieren?

Jürgen: Zwei, drei weitere private Clubs würden wir uns wünschen und dass man von Seiten der öffentlichen Hand die Rahmenbedingungen schafft, dass sie erfolgreich sein können. Vielleicht haben wir dann auch noch einen geförderten Raum für 250 Leute mit niederschwelligem Zugang. Wir haben hoffentlich viel mehr Freiflächenbespielung und zwar nicht nur am Rand der Stadt sondern auch mal im Furtwänglerpark, wir haben eine flexiblere Kulturförderung. Und wir haben hoffentlich Politiker, die wissen wovon wir reden, wenn wir Clubkultur sagen.

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