Orte der Begegnung

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Von Armut betroffene Menschen brauchen mehr, als nur einen Platz zum Schlafen. Das wissen Sozialarbeiter*innen schon lange. Seit Kurzem gibt es in Salzburg zwei neue Projekte, die Personen in schwierigen Lebenslagen auch untertags Halt geben. Ein Besuch beim Salzburger Straßenchor und im neuen Tageszentrum Haus Elisabeth.

„Heute singen wir das erste Mal zweistimmig“, erklärt Mirjam Bauer, als wir das leerstehende Geschäftslokal im Bahnhofs-Einkaufszentrum betreten. Hier, im FORUM 1, hat der Salzburger Apropos Chor seinen vorübergehenden Proberaum. Sechs Musikant*innen sind heute zur Chorprobe gekommen und sitzen im Sesselkreis, einen Schnellhefter mit Notenblättern auf den Knien. „Das funktioniert schon ganz gut, aber die zweite Strophe versuchen wir gleich nochmal“, lobt Chorleiterin Mirjam ihre Sänger*innen, die sichtlich konzentriert bei der Sache sind. Vor gut einem Jahr hat sie den Apropos Chor gemeinsam mit der Salzburger Straßenzeitung gegründet. Das Ziel: ein Freizeitangebot schaffen, das für alle offen ist, das Sinn vermittelt und Menschen zusammenbringt.

Ein Leben mit Musik

Der 28-jährigen Mirjam Bauer ist das Musizieren in die Wiege gelegt: Der Vater Instrumentenbauer, die Mutter Musiklehrerin, da ist klar, dass auch Mirjam der Kunst in irgendeiner Form treu bleiben würde. Doch eine Karriere als Virtuosin auf der großen Bühne kommt für sie nicht in Frage. Stattdessen interessiert sie sich schon früh für die Möglichkeiten, Menschen durch Kunst zusammenzubringen. Nach der Matura studiert Mirjam Kindergartenpädagogik, engagiert sich in der Entwicklungszusammenarbeit und lässt sich zur Theaterpädagogin ausbilden.

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Ein preisgekröntes Projekt

Der Apropos Chor ist nicht Mirjams erstes inklusives Musikprojekt. Aber jenes, das in kürzester Zeit am meisten Aufsehen erregt hat. Denn schon kurz nach der Gründung wird der Chor mit dem Hubert-von-Goisern-Preis ausgezeichnet. Für Mirjam eine schöne Bestätigung ihrer Arbeit – und ein Motivationsschub, um weiterzumachen. Vorbilder für den Salzburger Straßenchor gibt es bereits an vielen Orten der Welt. Den Berliner Straßenchor zum Beispiel, den Wohnungslosenchor in Hannover oder den Wiener Sandlerchor. Doch im Gegensatz zu vielen ähnlichen Projekten richtet sich der Apropos Chor nicht nur an akut armutsgefährdete Salzburger*innen. Er will für alle offen sein: „Je mehr Sänger*innen kommen, desto besser”, erklärt Mirjam. Auch Musiker*innen zur instrumentalen Begleitung sind gerne gesehen.

„Musik kann einen Beitrag leisten, um das Puzzle zu lösen, weil sie Sinn stiftet und Menschen zusammenbringt“

Armut: Ein Puzzle mit vielen Teilen

Bei aller Offenheit ist aber auch klar: Viele der Menschen, die am Apropos Chor teilnehmen, haben in ihrem Leben schon Erfahrungen mit Armut und Ausgrenzung gemacht. Es sind Erlebnisse, bei denen oft ein Schritt zum nächsten führt: eine Kündigung, eine zerbrochene Beziehung, eine Krankheit. Kommen mehrere dieser Faktoren zusammen, setzt das eine Abwärtsspirale in Gang, die oft schwer zu stoppen ist. „Armut ist wie ein Puzzle mit vielen Teilen”, erklärt Mirjam, die aktuell einen Master für Musikpädagogik und Community Music abschließt. Deshalb genüge es nicht, an einer Schraube zu drehen. „Musik kann einen Beitrag leisten, um das Puzzle zu lösen, weil sie Sinn stiftet und Menschen zusammenbringt“, erklärt Mirjam. Dass die Idee aufgehen kann, hat sich schon mehrmals gezeigt: Im September hat der Chor am Jazz and the City seinen ersten öffentlichen Auftritt hingelegt. Bei den Teilnehmer*innen war die Nervosität im Vorfeld groß, die Freude nach dem Auftritt noch größer, erzählt Mirjam. „Sie waren richtig stolz darauf, was sie geschafft haben. Solche Momente wirken nach.“

Dass der Apropos Chor seine Zelte in Bahnhofsnähe aufgeschlagen hat, ist kein Zufall. Möglichst viele armutsgefährdete Menschen sollen den Weg zu den Proben finden. Und für die Zeit nach dem Ende der Zwischennutzung wurde auch bereits vorgesorgt: Dann wird der Chor wenige hundert Meter weiter in das kürzlich eröffnete Haus Elisabeth übersiedeln. Ein weiteres Leuchtturmprojekt in Sachen Tagesstruktur.

Haus Elisabeth: Ein neues Tageszentrum im alten Theater

Das Haus Elisabeth befindet sich auf historischem Boden: In den 1960er-Jahren wurde hier, im Keller der Elisabethkirche, ein Theaterverein gegründet, der es in den Folgejahren noch weit bringen sollte: die Elisabethbühne. Doch nach dem Umzug des heutigen Schauspielhauses in den Petersbrunnhof wurde es still im Keller. Lange Jahre diente die ehemalige Bühne als Abstellraum. Bis schließlich die Caritas auf den Leerstand aufmerksam wurde und ihn als idealen Standort für ein lange gehegtes Projekt entdeckte: ein Tageszentrum, das die Versorgungslücke für armutsgefährdete Menschen schließen soll.

Kaffeehausatmosphäre statt weißer Wände

Als wir an einem Mittwochmorgen im Haus Elisabeth eintreffen, sind die Vorbereitungen für den Tag in vollem Gange. Die Sozialarbeiter*innen sitzen beim Jour Fixe zusammen und im Aufenthaltsbereich des Hauses gurgelt die Kaffeemaschine. In wenigen Minuten werden die ersten Gäste eintreffen. „Aktuell sind das in erster Linie Menschen, die in der Früh direkt aus der Notschlafstelle hierher kommen“, erklärt uns Fachbereichsleiter Torsten Bichler. Damit schließt das Haus Elisabeth eine Versorgungslücke. Denn eine Notschlafstelle deckt nur den lebenswichtigen Bedarf nach einem sicheren Schlafplatz. Wenn sie um 9 Uhr morgens schließt, beginnt für viele Menschen ein Tag auf der Straße.

Um das zu ändern, bündelt das Haus Elisabeth verschiedene Angebote, die ineinander greifen: Zum einen finden hier Sozialberatungen statt. Darüber hinaus bietet das Haus eine Aufenthaltsmöglichkeit in freundlicher Atmosphäre. Statt weißer Wände und Linoleumboden gibt es hier Kaffeehaustische und Musik aus dem Radio, zu Mittag ein warmes Essen: „Das Haus Elisabeth soll eine erste Anlaufstelle für Menschen in Not sein. Sie haben hier die Möglichkeit, in angenehmer Atmosphäre auf ihre Beratung zu warten, aber auch einfach Zeit zu verbringen und sich zu erholen. Unser Ziel ist aber natürlich, dass Menschen, die sich hier aufhalten, auch irgendwann einmal eine Beratung in Anspruch nehmen”, erklärt Torsten Bichler.

„Tagesstruktur heißt, einen Raum zu schaffen, in dem man in Austausch kommen kann.“

Das Ziel: Ein Ort der Begegnung

Doch das Beratungs- und Aufenthaltsangebot ist nur der erste Schritt. In Zukunft wird das Haus Elisabeth auch mit Kulturangeboten bespielt. Dazu wurde die ehemalige Theaterbühne im hinteren Teil des Hauses renoviert und wieder nutzbar gemacht. Wenn im April die dort untergebrachte Winternotschlafstelle ihre Pforten schließt, wird das Haus Elisabeth bereit sein. „Wir wollen kein klassisches Tageszentrum sein, sondern ein inklusiver Ort, an dem wir auch ein Stück weit von der Schubladisierung weg kommen, an dem es Austausch zwischen Menschen gibt”, erklärt Torsten Bichler die Pläne für die Zukunft.

Denn: „Ein normales Leben zu führen heißt nicht, sich zurückzuziehen, sondern ins Gespräch zu kommen und Möglichkeiten des Austausches zu schaffen.” Hier schließt sich der Kreis zum Apropos Chor, der bald schon seinen Probenort in das Haus Elisabeth verlegen wird. Durch Projekte, die für alle offen sind, sollen hier echte Begegnungen stattfinden. Musik, Lesungen und Workshops sollen Menschen zusammenbringen, Austausch ermöglichen und neue Perspektiven schaffen. Ideen gibt es viele, an der konkreten Umsetzung arbeitet man gerade. „Es geht uns aber nicht darum, hier einen Animationsclub zu schaffen, sondern Strukturen zu finden, die Partizipation ermöglichen”, erklärt Torsten Bichler.

Bereits jetzt gibt es im Haus Elisabeth einen monatlichen Charity Lunch. Haubenköche, private Meisterköche und berühmte Restaurants bereiten auf Selbstkosten ein einfaches, aber auf höchstem Niveau gekochtes Mittagessen für das Haus Elisabeth und kümmern sich um den Service. Die Gäste des Elisabeth-Lunch sind einerseits freiwillig zahlende Gäste, die sich von den monatlich wechselnden Starköchen auch einmal außerhalb ihrer Gourmet-Tempel verwöhnen lassen wollen und andererseits von Armut betroffene Salzburger*innen, die das Haus Elisabeth als Tageszentrum nützen und die das Essen kostenfrei genießen können. Einmal hat der Elisabeth-Lunch bereits stattgefunden. Torsten Bichler ist vom Ergebnis zufrieden. Ihm geht es um den Austausch, darum „dass Menschen mit höherem Einkommen neben armutsgefährdeten Menschen sitzen und miteinander ins Gespräch kommen”, erzählt er. Denn: wo Begegnung stattfindet, da beginnt Veränderung.


Alle Fotos: Norbert Kopf

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