Mission Cricket: Wo in Salzburg Cricket gespielt wird

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Mit den Menschen aus Pakistan, Indien und Afghanistan ist Cricket nach Salzburg gekommen. Wo genau die Spieler den Gentlemen’s Sport in Salzburg ausüben dürfen, ist noch unklar. 

Alle Fotos: Jasmin Walter Photography

Später Nachmittag im April und es ist viel zu warm für diese Jahreszeit. Der grüne Rasen in der Sportanlage Panoramacenter in Liefering leuchtet kräftig unter den Füßen der Sportler, die sich hier nacheinander einfinden. Auf dem Platz herrscht reges Treiben, schon lange, bevor das Crickettraining beginnen wird. Männer mit schwarzen Haaren und dunklen Augen stehen in Grüppchen zusammen und reden heftig gestikulierend miteinander. Etwas später wird der Trainer den Sportplatz erreichen, die Grüppchen ordnen und das Training einläuten.

Einer unter ihnen löst sich aus der Gruppe und wirft sich in seine Schutzkleidung: schwarze Knieschützer, weiße Handschuhe und dazu ein breiter Holzschläger. Dann stellt er sich auf den Pitch, eigentlich ein Rasenstreifen für den Schläger, den man Batsman nennt. Er heißt Shani und spielt im österreichischen Nationalteam. In der Sportanlage Panoramacenter haben die Spieler den Pitch mit Hilfe von Ästen improvisiert, ein richtiges Spielfeld gibt es in Salzburg nicht.

Etwas entfernt von Shani steht der Werfer, im Fachjargon Bowler, er nimmt Anlauf und wirft den kleinen harten Lederball zu Shani. 136 Gramm ist der Ball schwer und mit diesem Gewicht nicht ganz ungefährlich. Der Bowler gibt beim Wurf einen Schrei von sich, Shani trifft den Ball, Leder knallt auf Holz und der Ball fliegt hoch und weit.

(c) Jasmin Walter Photography

Das ist das Grundprinzip beim Cricket, erklärt Akthar, der Trainer, und schaut dem Ball zufrieden hinterher. Der Kern des Spiels ist das Duell zwischen Batsman und Bowler. Letzterer muss versuchen, das Wicket von Batsman und Mannschaft zu zerstören. Beim Wicket handelt es sich um eine Holzkonstruktion hinter dem Batsman. Aber auch das ist hier auf dem improvisierten Court nicht zu finden. Früher gab es in Salzburg noch weniger Raum zum Spielen als das Fußballfeld in Liefering.

(c) Jasmin Walter Photography

Früher haben die Spieler sich nämlich am Glanspitz aufgehalten und ihre Schläge und Würfe dort geübt. Zwischen den Fußballspielern und dem Rodelhügel war genug Platz da. Den harten Lederball haben sie mit einem Tennisball ausgetauscht. Inzwischen ist das Cricketspielen am Glanspitz verboten, ein großes Verbotsschild wurde angebracht. „Es war hauptsächlich deshalb, weil die Spieler so vielzählig waren, dass sie die anderen Sportarten dort verdrängt haben. Außerdem wurde einmal ein Lederball gefunden. Dabei hatten die Spieler versprochen, nur mit Tennisbällen zu spielen“, wird Sportkoordinator Klemens Kronsteiner von der Stadt Salzburg einige Tage später am Telefon das Verbot rechtfertigen.

(c) Jasmin Walter Photography

Der Spieler Mubashar hat das Cricketverbot anders erlebt. Er spielt in Akthars Mannschaft, dem Salzburg Cricket Club. „Wir sind eines Tages zum Glanspitz gegangen und dann stand dort: Verbot. Die Stadt hatte uns einen Trainingsplatz versprochen, bevor wir am Glanspitz nicht mehr spielen durften. Dann haben sie es dort verboten und uns vergessen.“ Von Beschwerden seitens der Bevölkerung wissen sie nichts, beeilt er sich zu sagen. Und nachvollziehen könne er das Verbot nicht: „Wir arbeiten hier, wir zahlen alles Mögliche, warum soll man ein Spiel verbieten? Also sind wir nach Liefering ausgewichen. Aber wenn hier Kinder spielen, oder die Rugbymannschaft, können wir nicht trainieren. „Weil es in Salzburg weit und breit keine Spielfelder gibt, fahren Akthar und sein Team an den Wochenenden nach Wien oder Velden am Wörthersee. Das sind die einzigen Plätze in ganz Österreich. Dort finden die Ligaspiele statt, die meisten Teams kommen dabei aus der Hauptstadt. Es ist natürlich auch Wien, wo sich in Sachen Frauen- und Kindercricket langsam etwas rührt. Angefangen hat der Boom hierzulande in den frühen Zweitausendern, ist aber nach wie vor Randsportart geblieben – mit Weltstatus. Hinter Fußball dominiert Cricket die weltweite Verbreitung.

Zwar noch etwas bescheiden in Europa, dafür aber umso lauter in Australien, Indien, Pakistan, kurz, den Staaten des Commonwealth. In den ehemaligen britischen Kolonien erfreut sich der Sport großer Beliebtheit, wie Fußball in unseren Breitengraden. „Bei uns spielt man Cricket an jeder Straßenecke und zuhause, die Spieler sind richtige Stars. Die Kinder fangen früh damit an und eifern ihren Heroes nach.“ So war das bei Akthar wie bei den meisten anderen
auch. In ihrer alten Heimat haben sie schon in jungen Jahren die Cricketschläger geschwungen und den Sport nach Salzburg mitgenommen.

(c) Jasmin Walter Photography

Am Anfang waren es nur wenige Leute am Glanspitz, dann wurden es immer mehr, bis die große Flüchtlingswelle einen neuen Schub an Interessenten gebracht hat. „Auf einmal waren wir um die 150. Und alle wollten natürlich spielen“, erzählt er. Deshalb wurden in den letzten Jahren zwei weitere Cricket Clubs in Salzburg aus der Taufe gehoben: Die Salzburg Lions und der Bulls Cricket Club. Heute sind sie alle hier und trainieren zusammen. Auch deshalb hat sich der Glanspitz mittlerweile als ungeeignet herausgestellt. In diesem Punkt sind sich die Stadt Salzburg und die Cricketteams einig: Um zu trainieren, müsste ein größeres Feld her.Die Sonne senkt sich näher gen Horizont und am Nachbarfeld finden sich immer mehr Rugbyspieler in Trikot und Schulterpolster ein. Sie beobachten das Cricket-Geschehen neugierig. „Haki, pass auf mit dem Ball, die Bulls sind jetzt da!“, ruft Akthar dem Spieler zu, der sich auf dem Pitch positioniert hat. Haki lacht fröhlich, verfehlt den ersten Ball, der landet im Gebüsch hinter der Straße und andere Spieler machen sich auf die Suche nach ihm. Inzwischen hat sich Zalami an den Spielfeldrand gesetzt. Schwarze Haare hat auch er, mit seinen dunklen Augen beobachtet er Haki und den Bowler. „Wir haben selber ein bisschen Angst wegen des Balls. Wer trägt die Verantwortung, wenn jemand getroffen wird? Es wäre einfacher, wenn uns die Stadt Salzburg ein großes Feld zur Verfügung stellen würde.“

Einfach einen Fußballplatz mitbenutzen reicht da nicht aus: Ein gewöhnliches Cricketfeld hat einen Durchmesser von ungefähr 150 Metern. Dann wäre das Spielen mit dem Lederball auch weitgehend ungefährlich. Nur für einen Platz von derartiger Größe fehlt es in Salzburg an Kapazitäten. Der Der Lieferinger Sportplatz ist ein Kompromiss, der für Zalami und seine Mitspieler bitter schmeckt. „Wir arbeiten unter der Woche und haben nur am Wochenende Zeit. Dann müssen wir nach Wien oder Villach fahren. Wenn wir hier einen Platz hätten, könnten die anderen Teams auch manchmal zu uns kommen.“ Aber der Plan vom Cricketcourt wird für die Spieler in naher Zukunft ein Traum bleiben.

„Die Salzburger*innen sind auch sehr vorsichtig im Umgang mit neuen Kulturen, die wir mitbringen. Manchmal kommen Rugbyspieler auf uns zu und wollen wissen, wie man Cricket spielt. Oder Kinder.“ Vor allem im Kindesalter, fügt Zalami hinzu, sei das Interesse oft sehr groß. Aber trotzdem wird Cricket in Salzburg nur langsam vorankommen, vermutet er und zuckt mit den Schultern.„Das ist die Natur des Menschen. Wenn zu viel von etwas Neuem da ist, hat er immer Stress. Und deshalb sind die Leute hier nach der großen Flüchtlingswelle ängstlicher geworden. Es gibt ja einige, die Dinge machen, die man normalerweise nicht macht und deswegen haben die Salzburger*innen ein bisschen Angst. Wenn einer etwas Schlimmes anstellt, müssen wir anderen dafür herhalten.“

„Ich arbeite die ganze Woche und dann habe ich einen Tag, wo ich alles vergessen kann. Das ist hier. Weißt du, unser Leben hier ist nicht einfach.“

Ein anderer Grund, warum Cricket nur schleichend angenommen wird, ist der Umgang mit der Zeit, fährt er fort. „Das Spiel dauert den ganzen Tag. Die Leute hier haben ein anderes Zeitverständnis, die wollen sich keinen ganzen Tag dafür nehmen.“ In Österreich, sagt Zalami, muss alles schnell gehen. Ein Fußballspiel sei in zwei Stunden abgehakt, dann kann man mit seinem Tagesgeschehen fortfahren, aber Cricket beansprucht eben viele Stunden. Die Zeit für seinen Sport will Zalami sich hingegen nehmen. „Ich arbeite die ganze Woche und dann habe ich einen Tag, wo ich alles vergessen kann. Das ist hier. Weißt du, unser Leben hier ist nicht einfach.“

Dann deutet er zu den Spielkollegen am Feld, deren Stimmengewirr aus fremden Sprachen unsere Unterhaltung begleitet. „Die Jungen haben ein schweres Leben. Viele haben keine Familie hier, kein Visum, keine Arbeit. Cricket ist der einzige Weg, um das zu vergessen.“ Auch deshalb hat er vieles der Ausrüstung aus eigener Tasche bezahlt. Die Spieler teilen sich die Kosten untereinander auf. Jene, die mehr verdienen, zahlen eben auch mehr und für andere mit. Förderungen erhalten sie keine. „Aber das, was wir hier machen, ist wichtig. Die Spieler kommen aus verschiedenen Nationen und Kulturen. Der Sport bringt uns zusammen. Die Jungen sind dann nämlich hier, anstatt am Bahnhof, um Alkohol zu trinken oder Haschisch zu rauchen. Das ist unsere Mission, eine kleine. Aber es ist eine Mission.“


Dieser Artikel ist zuerst im QWANT. Magazin (2/2018) erschienen.

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