10 Orte für einen historischen Spaziergang durch das jüdische Salzburg

Müllner Steg

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Ein historischer Spaziergang durch das jüdische Salzburg

Wenn Häuser erzählen könnten. Bei einem kleinen Rundgang in Salzburgs Altstadt passiert man eine ganze Menge Hausnummern, die unglaubliche Geschichten erlebt haben. Wir haben uns zehn Häuser genauer angesehen, die über das jüdische Salzburg erzählen.

#1 Judengasse 15

Damit wir die Geschichte der Judengasse 15 erzählen können, müssen wir zurück ins 14. Jahrhundert. Zwischen 1348 und 1349 kam der schwarze Tod, die Pest, nach Europa. Für die hohe Todesrate musste irgendwie eine Erklärung gefunden werden und, siehe da, man fand sie bei den Juden. Wir wissen (hoffentlich) alle, warum: In Europa herrschte nämlich die Überzeugung vor, die jüdische Bevölkerung hätte die Brunnen vergiftet, mit dem Ziel, Christ*innen zu töten. Das reichte aus, um gleichermaßen alle jüdische Gemeinden Europas anzugreifen und zu verfolgen. Alle? Nein, in Österreich erhielten sie zunächst den Schutz von Albrecht II. Salzburg gehörte damals aber (noch) nicht zu Österreich, sondern war ein Erzbistum. In Salzburg lebende Jüdinnen und Juden wurde somit verfolgt, mehr als 1200 Personen verbrannt.

Was das mit der Judengasse 15 zu tun hat? In diesem Haus befand sich ursprünglich eine Synagoge, auch „Judenschul“ genannt. Wann sie eingerichtet wurde, weiß man nicht ganz genau, jedoch gibt es Hinweise, dass sie bereits seit 1346, also vor der Pest, bestand. 1404 erklärte der Landesfürst unter Erzbischof Eberhart III die jüdische Gemeinde erstmals als Eigentümer der Synagoge und räumte ihnen offiziell das Recht ein, sich dort zum Gebet zu versammeln, so sie 16 ungarische Gulden im Jahr dafür zahlten. Die scheinbar ruhige Zeit war jedoch nur von kurzer Dauer.

#2 Judengasse 12

Schräg vis à vis befindet sich die Judengasse 12. Dort befand sich zwischen erstem und zweitem Weltkrieg eine Zweigstelle des 1919 gegründeten Deutsch-Österreichischen Schutzvereins Antisemitenbund. Unter diesem versammelte sich Judenhasser aus allen politischen Lagern: deutschnational, nationalsozialistisch oder katholisch christlich-sozial. Mit der Zeit übernahmen die Nationalsozialisten die Führungsposition. Bald wurde hier das antisemitische Blatt Der eiserne Besen herausgegeben, das in Stil und Inhalt der Zeitung Der Stürmer entsprach.

Judengasse 12

#3 Kranzlmarkt 2-4

1418 lebten, nach vormaliger Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, wieder Juden und Jüdinnen in Salzburg. Jedenfalls deutet dies eine sogenannte Provinzialsynode, also eine Versammlung von Bischöfen einer Provinz, in der Regeln für das Benehmen der jüdischen Bürger*innen beschlossen wurden. Darunter fiel beispielweise die Verpflichtung, spitze Hüte zu tragen. Dieser steile Kopfschmuck wurde auch als „gehörnte Hüte“ bezeichnet, was wohl zum christlichen Glauben führte, Juden hätten Hörner. Nicht nur das, zudem mussten Juden und Jüdinnen eine Schelle tragen – wie Leprakranke.

Die Spuren könnten darauf schließen lassen, dass auch Flüchtlinge aus Prag in Salzburg wohnten

Dr. Adolf Altmann, der Autor der zweibändigen Geschichte der Juden in Stadt und Land Salzburg besichtigte um 1910 den Keller des Hauses am Kranzlmarkt 2 und stellte Spuren einer ehemals dort installierten Synagoge fest, die in architektonischer Hinsicht der Prager Altneusynagoge entsprach. Das ließe vermuten, dass im Laufe des 15. Jahrhunderts auch Flüchtlinge aus Prag in Salzburg wohnten. Diese Synagoge im Keller reichte vermutlich bis hin zum Kranzlmarkt 4. Später wurde hier eine Trennwand eingezogen.

Kranzlmarkt 2-4

#4 Kranzlmarkt 1 (Rathaus)

Bis zu dem Tod von Kaiser Friedrich III hielt sich in Salzburg eine vergleichsweise judenfreundliche Politik, der auch die Erzbischöfe folgten. Das heißt: Solange die jüdische Bevölkerung ihren gut erhöhten Steuerzahlungen nachkommen würde. Da man nun keine direkten Angriffe auf die jüdischen Mitbürger starten konnte, suchte man sich, ob Anlass oder nicht, andere Möglichkeiten. Dafür eignete sich die Kunst bestens. Dem Bildhauer Hans Volkenauer wurde folglich 1486 vom Bürgermeister der Auftrag erteilt, ein Marmorfries für das Rathaus zu gestalten, das an dem Turm angebracht werden sollte. Was war das Motiv? Eine sogenannte Judensau. Als solche wurde das Bild beschrieben, wo Juden an den Zitzen eines Mutterschweins saugen. Wohl denn. Da nun dieses Kunstwerk nicht nur die jüdische Bevölkerung höhnte, sondern auch eine Kampfansage an den Erzbischof war, der ja eine ruhige Politik zu führen gedachte, musste das Fries bald wieder entfernt werden.

Nicht lange, denn nachdem der Erzbischof von Keutschach rund dreizehn Jahre später die Ausweisung der Juden aus dem Erzbistum anordnete, herrschte grünes Licht, um das Schmähbild wieder am Rathaus anzubringen. Als die Judensau schließlich 1520 restauriert wurde, brachte man sie in Folge an dem neu errichteten Glockenturm an, wo sie neben der Justitia weilte. Erst unter Erzbischof Colloredo wurde sie tatsächlich abgenommen und zerstört.

#5 Getreidegasse 34

In der Getreidegasse fand man besonders Anfang des 20. Jahrhunderts einige jüdische Geschäfte, die allerdings mit dem stürmischen Empfang Hitlers 1938 durch Hackenkreuzfahnen verdeckt wurden. Viele Häuser könnten hier eine kleine Geschichte erzählen.

In der Getreidegasse 34 befand sich im späten 19. Jahrhundert das Sternbräu, wobei eine Brauerei wohl schon seit 1542 in Betrieb war. In den 1880ern wurden in diesem Haus von der jüdischen Gemeinde Zimmer gemietet, die sie als Gebetsräume benutzten. Der Braubetrieb wurde später in einen anderen Stadtteil verlegt und den Eingang des Sternbräus fand man seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Griesgasse. Rechts neben dem ehemaligen Sternbräu Eingang befand sich übrigens das Antiquitätengeschäft von Bella und Therese Spiegel. Es wurde jedoch im Zuge des Novemberpogroms 1938 geplündert.

#6 Steingasse 43

Gleich am Anfang der Steingasse, beim Das Kino, könnt ihr auf der rechten Seite eine Kerbe entdecken. Angeblich stammt diese von einem amerikanischen Panzer, der 1945 hier stecken blieb, als die Besatzung versuchte zum Maison de Plaisir zu gelangen, ein Bordell, das sich bis vor Kurzem einige Meter hinter dem Inneren Steintor befand. Passiert man das Steintor, früher auch Judentor/Judenklause genannt, kommt man wenig später zur Hausnummer 43. Davor findet man ein direkt in dem Felsen eingebautes Garagentor, beschriftet mit den Initialen FO und der Jahreszahl 1900. Ursprünglich befand sich hier der Arbeitsraum des Metzgers Franz Ostermaier. 1943 und 1944 wurde diese Räumlichkeit zu einem Luftschutzkeller umgebaut. Dafür holte man KZ-Häftlinge, die den Schutzraum und den Zubringerstollen bei diesem sowie dem Haus 45 graben mussten.

Steingasse 43

#7 Lasserstraße 8

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die jüdische Gemeinde immer größer und bestellte ein Komitee zur Errichtung einer eignen Synagoge. Zur selben Zeit kamen allerdings erneut antisemitische Gesinnungen auf, was die Baugenehmigung für die Synagoge gewollt verzögerte. Die erteilte Bewilligung erfolgte schließlich mit der Auflage, dass sie sich nicht direkt an der Straße befinden dürfe, sondern nur am Grundstückende zugänglich sei. Im September 1901 war es dann trotzdem soweit und zu Rosh Hashanah, dem jüdischen Neujahr, war die Synagoge fertig. Wie viele Synagogen wurde auch die Salzburger während der sogenannten Reichskristallnacht 1938 gestürmt. Was davon übrig blieb, wurde daraufhin von der SS-Organisation Todt als Lagerplatz verwendet. 1946 sollte sie, in zerstörtem Zustand, wieder der Kultusgemeinde zurückgegeben werden. Nachdem sie in den sechziger Jahren restauriert wurde, errichtete man später im Garten ein Mahnmal – versteckt hinter einer Hecke. Der Entschluss zu diesem Ort brachte Kritik mit sich. Warum musste das Mahnmal versteckt im eignen Garten stehen, wo es lediglich die Opfer selbst an die Grauen erinnerte?

#8 Schrannengasse 10

In der Franz Joseph Kaserne war nach dem zweiten Weltkrieg das Camp Herzl eingerichtet worden. Ein Camp für „displaced persons“, also für Menschen, die nach dem Krieg keine Heimat mehr hatten. Ab 1946 befand sich hier sogar sie Hauptregistraturstelle. Dieses Camp war allerdings hoffnungslos überfüllt und die Einrichtungen waren dafür ungenügend vorbereitet. Der von den Behörden ausgehenden Beschluss das Camp einzustellen, wurde an die Bewohner nicht klar genug vermittelt. Menschen, die die Höllen vom KZ gesehen hatten, aus Todeslagern entkommen und Pogromen ausgeliefert waren, nahmen die trocken überbrachte Nachricht mit Panik auf. In Folge schlossen sie sich im Camp ein und gingen in Hungerstreik. 200 amerikanische Soldaten versuchten daraufhin, die Insassen mit Tränengas aus dem Gebäude zu bewegen. Das Ganze dauerte beinahe eine Woche.

Schrannengasse 10

#9 Mülln Brandstatt

Im Jahr 1404 wurden in Salzburg die ansässigen Juden und Jüdinnen der Hostienschändigung bezichtigt. Worum es dabei ging? Es sollen Kommunionsoblaten aus der Kirche entwendet worden sein, um diese in der Synagoge zu „entweihen“, denn im Spätmittelalter glaubten die Christen, mit den Hostien würden Juden satanische Rituale begehen. Auf Grund dieses Vorwurfs wurden Juden und Jüdinnen der Stadt Salzburg zusammengetrieben, einige gefoltert und die Synagoge durchsucht. Hostien hatte man keine Gefunden. Doch im Zuge der Folter bekannten sich einige Bewohner gezwungenermaßen zum Diebstahl und gestanden darüber hinaus, ein christliches Kind gekauft zu haben, um es „ausbluten“ zu lassen. Dies wiederum entsprach der damaligen Vorstellung eines jüdischen Rituals, dass Christen den Juden ebenfalls nachsagten. Da kurz zuvor wirklich ein toter Säugling im Salzburger Dom gefunden worden war, diente er, wenngleich er keineswegs Spuren einer „Ausblutung“ aufwies, als weiterer Anklagebegründung.

Zwar gab es nicht genügend Beweise, doch hielt dies nicht davon ab, 1404 die jüdische Bevölkerung – Männer, Frauen und Kinder – abermals am Scheiterhaufen zu verbrennen. Ausgenommen waren nur ein paar reiche Juden, etwa 25 Kinder unter 10 Jahren und einzelne schwangere Frauen. Aufgebaut wurde der Scheiterhaufen beim Müllner Steg. Es wird jedenfalls angenommen, dass die Brandstätte zwischen dem Brückenkopf des Müllner Stegs und der Schwarzstraße lag, was heute schwer nachzuvollziehen ist, da sich innerhalb der letzten 600 Jahre das Flussbett verändert hat.

#10 Müllner Bräu – Augustiner Bräu

Um zum letzten Ort, dem Augustiner Bräu, zu kommen, überquert man den Müllersteg und geht Richtung Müllner Kirche. Daneben wurde im Jahr 1770 ein Schloss mit dem Namen Mönchstein gebaut (heute ist hier das Hotel Mönchstein). Bauarbeiter sollen beim Aushub des Geländes einige Skelette gefunden haben, an diesem Ort befand sich nämlich im 14. Und 15. Jahrhundert der jüdische Friedhof. Bis 1654 sprach man noch vom Judenfriedhof. Heute sieht man von diesem allerdings nichts mehr. Von hier geht es den Mönchberg hinunter Richtung Augustinergasse zum Augustiner Biergarten.

Das Bräu war nach dem zweiten Weltkrieg ebenfalls ein Camp für „displaced persons“, das sogenannte Camp Mülln. Es war eine Art Durchgangslager und beherbergte rund 200-250 Menschen, die in der Bierhalle des Augustiner Bräus/Müllner Bräus untergebracht waren. Die meisten hier waren auf Weiterreise, um ins alte Palästina zu fahren und blieben nicht unbedingt mehr als 72 Stunden. Zudem befand sich hier auch der Salzburger Stützpunkt der Bricha (hebr. Flucht). Dabei handelt es sich um eine Organisation, die illegale Einwanderungsmöglichkeiten nach Palästina organisierte. Bekannter Anführer vor Ort war Marko Feingold. Dafür bekam er von den Salzburger Behörden sogar Lastwägen zur Verfügung gestellt – jedenfalls nachdem er anmerkte, dass ohne diese die Jüdinnen und Juden hier in Salzburg bis auf weiteres verweilen müssten. Das Lager in Müll wurde 1947 geschlossen, als es langsam weniger Flüchtling gab und die Bricha ihre Hilfe beenden konnte.


Buchtipp! Wer Lust hat sich weitere Orte näher anzusehen, dem sei Ein Führer durch das jüdische Salzburg von Stan Nadel sehr empfohlen. Für die, die sich jede Menge Zeit nehmen möchten, ist sicherlich auch Dr. Altmanns zweibändige Geschichte der Juden in Stadt und Land Salzburg eine spannende Lektüre.

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