Was spielt sich eigentlich in Salzburgs Bahnhofsbeisln ab? Welche Leute trifft man dort an? Wir haben’s uns angesehen.
Der Bahnhof gilt als Ort der Widersprüche: Ordnung und Chaos, Sammlung und Zerstreuung, Ankommen und Abfahren, Flüchtigkeit und Dauer, Menschenmassen und Anonymität. So besagt es zumindest die Raumlehre.
Eine wahre „Raumleere“ fanden wir vor, als wir das erste Beisl in Bahnhofsnähe betraten. Und fast eine Stunde lang änderte sich nichts daran. Wir bestellten einen Spritzer und machten es uns an der Bar gemütlich. Die Getränke platzierte man auf FPÖ-Bierdeckeln, die gegen rauchfreie Lokale warben. Die Bardame und ein Herr, dessen Spritzerglas sich wie bei ‚Tischlein deck dich‘ immer wieder zu füllen schien, waren nicht sehr gesprächig. Wir bildeten uns ein, die beiden haben ein wenig miteinander geflirtet – so lange, bis wir ihre Ruhe störten.
Eigentlich verbrachten sie die meiste Zeit damit, aus dem Fenster in den Regen zu starren. Es schien, als trauerten sie den guten alten Zeiten nach, während gleichzeitig „Have you ever seen the rain“ aus den Boxen dröhnte. Mehr Action versprachen wir uns vom nächsten Beisl – und die sollten wir bekommen.
Ein paar Meter weiter kehrten wir in die nächstbeste Lokalität ein. Ein Barplatz war gesichert, die Spritzer bestellt. Es dauerte keine fünf Minuten, da wurden wir von Max, einem Mitt-Vierziger, angequatscht. Arbeiten würde er bei der Bahn, aber er hätte schon längst Dienstschluss, sonst würde er natürlich nichts trinken. Deshalb bezahlte er an diesem gewöhnlichen Mittwoch-Abend auch prompt eine Runde Jägermeister. Anschließend lud er uns ein, bei ihm und seiner geselligen Runde Platz zu nehmen.
„Ich hab mir heute Batterien für meinen Fipsi gekauft.“
Die bunte Truppe bestand aus zwei Frauen und vier Männern. Wir wurden herzlich empfangen und man wollte auch gleich wissen, woher wir denn kommen und was wir hier machen. „Ach, nur ein gemütlicher After-Work-Drink“. Wir waren aufgenommen.
Zugegeben, wir fühlten uns schon irgendwie wohl in der Runde. Man plauderte aus dem Nähkästchen – manchmal ein bisschen zu viel – und erfuhr nette Geschichten aus dem Leben der neuen Bekanntschaften. Angelika, eine 47-jährige Frohnatur, musste sich bereits nach kurzer Zeit verabschieden. Die Männer fragten belustigt, was sie denn heute noch machen würde und untermalten die Frage mit zweideutigen Anspielungen. Darauf antwortete Angelika keck: „Ich hab mir heute Batterien für meinen Fipsi gekauft.“ Die innerliche Frage, was in aller Welt ein „Fipsi“ sein könnte, wurde wenige Sekunden später durch ein vibrierendes Mundgeräusch von Karl (Mitte fünfzig, kettenrauchend) indirekt beantwortet.
So kam es, dass Kurt den Bono von U2 mit den Worten „Servus Markus!“ auf den Straßen Monte Carlos begrüßte.
Karl war übrigens schon bei seinem sechsten Bier. Sein Sitznachbar Kurt, ebenfalls Bahn-Mitarbeiter, erzählte uns voller Stolz in Anspielung auf seinen Pullover, dass er Bono von U2 bereits zweimal im Leben getroffen hatte. Einmal 1984 in Frankfurt, als U2 vor 1.200 Leuten spielten und dann ein paar Jahre später in Monte Carlo. Das war aber rein zufällig. Kurt hat ihn nämlich auf der Straße gesehen und ursprünglich für jemand ganz anderen gehalten. So kam es, dass Kurt den Bono von U2 mit den Worten „Servus Markus!“ auf den Straßen Monte Carlos begrüßte und sich dann herausstellte, dass es gar nicht der Markus war. Sondern der Bono.
Beim Musikgeschmack schieden sich jedoch die Geister der Herrschaften. Leo, 62 und bekennender Fan der so genannten „Hardcore-Musik,“ hatte für Bono wenig übrig. Während er ein paar Tropfen seines nächsten Weißbieres bewusst verschüttete („a Lackerl muss immer daneben gehen“), erzählte er Anekdoten aus seiner Jugend in Oberösterreich. Jedoch nicht allzu lange, da zuhause sein Mittwoch-Abend-Pflichtprogramm auf ihn wartete: Wirt sucht Frau.
„Wenn wer an Schas losst, bin i der, der as Fenster aufmocht.“
Die lustige Runde wurde langsam kleiner. Kurt musste zum Bus, Max musste „kurz für eine Stunde weg“ (wohin, wollte er nicht verraten) und Gerlinde, die Schwester von Max, hatte bereits den Tisch gewechselt. Wir waren ebenfalls in Aufbruchsstimmung, aber es gab noch die Frage zu klären, was denn Karl beruflich mache. Er sei als Beamter tätig. Niemals würde er sich einen anderen Beruf wünschen. „Wissts, i bin zwor as Mädchen für olles – wenn wer an Schas losst, bin i der, der as Fenster aufmocht – oba i hob durt as schenste Leben.“
Bier Nummer sieben für Karl. Weil man aufhören sollte, wenn es am schönsten ist, verabschiedeten wir uns – fast ein bisschen wehmütig – von den neu gewonnen Bekanntschaften. Wir wurden übrigens in ihren „Stammtisch“ aufgenommen und sind ab jetzt jederzeit Willkommen, sich in diesem Beisl zu ihnen zu gesellen. Man sei ja ohnehin jeden Tag dort.
Anmerkung: Die Namen der betreffenden Personen sind frei erfunden. Die dazugehörigen Geschichten nicht. Die haben sich wahrhaftig genauso zugetragen.