Wo man um sein Kind trauern kann

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Wenn das eigene Kind stirbt, bleiben unermesslicher Schmerz zurück. Zwei Familien erzählen, wie sie auf der Sonneninsel in Seekirchen einen Ort für ihre Trauer gefunden haben.

Text: Magdalena Lublasser-Fazal

Ein Besuch bei Familie Mielach kurz nach Weihnachten. Die beiden Kinder Valentin (3) und Melina (2) zeigen voller Stolz, was ihnen das Christkind gebracht hat. Valentin spielt mit dem Feuerwehrauto. Papa Edmund Mielach erzählt: „Unsere beiden Kinder sind ein Riesengeschenk. Sie ziehen uns ins Hier und Jetzt.“ Ihre erstgeborene Tochter Emilia verstarb vor fünf Jahren an Leukämie. „Sie war damals im dritten Therapieblock. Das Immunsystem war durch die Therapie so schwach, dass schon eine geringe Belastung dazu geführt haben kann, dass es ihrem Körper einfach zu viel geworden ist.“

Trost spenden kann man nicht, aber da sein

Wenige Tage nach Emilias Tod auf der Intensivstation wurden Elke und Edmund Mielach vom Regenbogenteam betreut. Silvia Dovits, Trauertherapeutin und Klinische Psychologin (siehe Interview nächste Seite), kam damals zu den Eltern nach Hause. „Uns hat es sehr gut getan, über das was geschehen war, zu sprechen.“ Zum unermesslichen Schmerz der Eltern kam der sehr unterschiedliche Umgang ihrer Freunde und Bekannten mit dem Verlust ihres Kindes. „Als trauernder Mensch ist man sehr sensibel. Viele wussten gar nicht, was sie zu uns sagen sollten. Es ist auch sehr schwierig, denn direkt Trost spenden kann man nicht“, erinnert sich Papa Edmund. Viele Bekannte hätten gar nichts gesagt, wahrscheinlich aus Angst, nicht die richtigen Worte zu finden oder aus zu großer Scheu vor dem Thema. „Andere haben versucht, uns durch guten Zuspruch aufzumuntern. Die gute Absicht war zu spüren, aber die Wirkung wurde meist verfehlt.“ Beide Eltern verstehen, dass die Umwelt mit solch einer Ausnahmesituation oft überfordert ist. Wirklich gut getan haben ihnen jene Mitmenschen, die „einfach für uns da waren, ohne uns Ratschlägen zu geben.“ Edmund Mielach denkt an seinen Nachbarn, der ihn auch direkt darauf angesprochen hat, wie es ihm nun wirklich gehe. „So schwer es war, an Emilias Tod erinnert zu werden, es hat einfach gut getan, dass sich jemand wirklich für uns interessiert hat.“

Das Leben weiter leben

Drei Monate später waren Elke und Edmund erstmals bei der Trauergruppe der Sonneninsel in Seekirchen dabei. „Für mich war es sehr entlastend, mit jemanden über meine Gefühle und meinen Schmerz zu sprechen“, berichtet Edmund Mielach. Gerade für Männer sei es oftmals schwierig, anderen die eigenen Emotionen mitzuteilen. Der Umgang in der Gruppe ist feinfühlig und offen, jeder kann, niemand muss darüber sprechen, wie es ihm mit dem Verlust des eignen Kindes geht. Elke Mielach fasst zusammen: „Wir alle haben gemeinsam, dass wir mit dem Tod des eigenen Kindes leben müssen. Dieses Schicksal ein Stück weit gemeinsam zu tragen, stärkt sehr. “ Anders als manche erwarten, wird in der Trauergruppe nicht ständig über das eigene Schicksal gesprochen. „Ganz im Gegenteil. Jedes Thema hat Platz. Häufig geht es auch darum, im Alltag mit seiner Normalität wieder zu bestehen und das Leben weiter zu leben.“

Ein Ort der Ruhe

Auch Karel und Renate Scharnagl fahren seit über vier Jahren auf die Sonneninsel zur Trauergruppe. Silvia Dovits hatte die Familie bereits während der Erkrankung ihres Sohnes Simon psychologisch betreut. „Der Kontakt zu Silvia war in dieser schweren Zeit unglaublich wichtig. So viele Dinge brechen auf einen herein, man ist teilweise überfordert und muss aber stark sein. “ Ihr Sohn Simon verstarb ein Dreivierteljahr nach der Diagnose. Renate Scharnagl erinnert sich zurück: „Nach dem Tod fällt man erst einmal in ein Loch. Es hat gut getan, einen vertrauten Menschen an der Seite zu haben, mit dem man über alles Geschehene reden konnte. Einer, der auch zuhören kann.“  Wenige Monate nach dem Tod ihres Sohnes besuchte Familie Scharnagl zum ersten Mal die Trauergruppe. „Dort saßen wir Eltern gegenüber, die das Gleiche erleben hatten und um ein Kind trauern. Für uns war alleine diese Tatsache sehr entlastend. Man sieht, dass es den anderen ähnlich geht und fühlt sich nicht so alleine mit seinem Schicksal. Als trauernde Eltern kann dich ja keiner verstehen, sei es die Familie oder der Freundeskreis.“ In der Gruppe lernte die Familie: „Egal wie die Trauer verläuft, es ist alles richtig so. Da gibt es keine Gesetzmäßigkeit, die Trauer hat immer Platz.“ In unserer Gesellschaft findet sich gerade dafür oft kein Raum. Renate Scharnagl denkt an ein Zitat: „Jede Erinnerung ist eine Form der Begegnung – es tut so gut, von seinem verstorbenen Kind zu erzählen. In meinem Umfeld ist das oft gar nicht möglich, da viele peinlich berührt sind von diesem Schicksalsschlag, den wir erleben mussten.“

Jeder trauert anders

In der Gruppe wird viel über die individuelle Trauer gesprochen. Jeder geht anders mit dem Verlust um und hat das Recht darauf, auf seine Weise zu trauern. Dieses Bewusstsein schafft Verständnis für das Gegenüber, ein wichtiger Punkt in der Partnerschaft. Neben vielen intensiven Gesprächen gibt es in der Trauergruppe aber auch Gelegenheit zum gemeinsamen Spielen, Lachen und gemeinsamen Erleben. Das Leben darf wieder schön sein. Auch das müssen Eltern nach dem Tod eines Kindes neu lernen. „Der Umgang mit dem Tod verändert viel. Wir versuchen im Hier und Jetzt zu leben und schätzen die Kleinigkeiten, die das Leben tagtäglich für uns bereithält“, sagt Renate Scharnagl. Karel Scharnagl erklärt: „Auf die Sonneninsel zu fahren ist für uns wie eine kleine Auszeit. Wir finden dort die Stille, um unserer Trauer Platz zu geben. Zudem können wir schöne Stunden mit der Familie und unseren Freunden aus der Gruppe verbringen.“ Die beiden sprechen für alle Eltern in der Trauergruppe, wenn sie von ihrer großen Dankbarkeit erzählen: „ Es ist für uns so wertvoll, die Gruppe zu haben.  Wir haben bereits viel miteinander erlebt, sehr viel Schönes, aber auch viele traurige Momente. Wir sind sehr dankbar, dass es diesen Ort für trauernde Eltern gibt.“

„Trauer darf im Alltag nicht sein“

Silvia Dovits ist klinische Psychologin und systemische Familientherapeutin mit Schwerpunkt auf Trauma und Trauer. Auf der Sonneninsel Seekirchen leitet Sie die Trauergruppe für Eltern, deren Kind an Krebs verstorben ist.

QWANT: Wie trauern Eltern um ihre Kinder?

Silvia Dovits: Trauer findet niemals linear statt, vielmehr ist der Trauerweg von Aufgaben begleitet, die für sich auch immer wieder durchlebt werden. Unmittelbar nach dem Tod funktioniert das Familiensystem meist weiter wie zuvor. Der Alltag ist so voller Aufgaben, das Leben geht weiter. Die Geschwisterkinder brauchen Aufmerksamkeit, viele organisatorischen Herausforderungen warten. Die Normalität des Alltags kann anfangs hilfreich sein, um zu überleben. Es ist eine wichtige Phase des Selbstschutzes.

Doch früher oder später kommt die Trauer. Wie  verläuft der Trauerprozess?

Die Traueraufgabe ist es, den Verlust des eigenen Kindes zu begreifen. Die Trauer um den geliebten Menschen ist allgegenwärtig. Die zweite Traueraufgabe besteht darin, mit den heftigen Gefühlen umgehen zu lernen. Diese machen sich auch körperlich bemerkbar: Schmerz, Traurigkeit, Verzweiflung und Wut breiten sich aus und nehmen die Betroffenen ganz für sich ein. Bei der dritten Traueraufgabe geht es darum, den Verlust zu akzeptieren und die Veränderung zulassen zu können. Auch wenn es schwer fällt, ist es ganz wichtig, dass trauernde Eltern sich wieder für das Leben entscheiden. Die vierte Aufgabe schließlich ist, dass Eltern einen (inneren oder äußeren) Ort für die Trauer um ihr verstorbenes Kind finden. Es wäre unmenschlich zu sagen, dass man das Kind loslassen oder gar vergessen soll. Die innere Beziehung bleibt auch nach dem Tod bestehen.

Wie gehen Geschwisterkinder mit dem Verlust um?

Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie sind im einen Moment zu tiefst traurig, im nächsten Moment wieder fröhlich und wollen sich ihrem Spiel widmen. Wir nennen das „von Trauerpfütze zu Trauerpfütze“ springen. In diesem Wechsel der stark ausgeprägten Gefühlsbewegungen und der Normalität des Alltags verläuft die Trauer. Was Kinder dazu brauchen: einfühlsame Erwachsene, die ihren Trauergefühlen Raum geben können.

Warum ist die Trauergruppe für die Eltern so bedeutsam?

In unserer Gesellschaft hat Trauer wenig Platz. In der Gruppe können Eltern ihre Gefühle und Erfahrungen miteinander teilen, der Trauer Raum geben, Unterstützung erfahren und so Schritt für Schritt wieder in ihrem Leben weitergehen. Anders als zuvor, aber vielleicht wieder mit etwas Freude, mit anderen Werten, mit neuen Aufgaben und Zielen.

Wie kann man sich ein Treffen der Trauergruppe vorstellen?

Wir treffen uns etwa alle vier bis sechs Wochen auf der Sonneninsel. Unser Angebot ist einzigartig, Eltern aus vielen Teilen Österreichs kommen nach Seekirchen. Dabei treffen unterschiedliche Menschen zusammen, die das gleiche Schicksal verbindet. Das Leben hat ihnen die gleiche Aufgabe gestellt. Ich gestalte die Gruppe gerne mit unterschiedlichen Herangehensweisen: Austausch und Gespräch, kreative und spielerische Methoden zur Trauerbewältigung, Achtsamkeits-und Entspannungsübungen in Verbindung mit dem Körper, da Trauergefühle ja sehr körperlich erlebt werden. Innerhalb der Gruppe entsteht ein starkes Miteinander und viel Raum für das Gegenüber. Für die meisten Eltern ist die Trauergruppe der einzige Ort, an dem sie wirklich offen trauern können. Ein betroffener Vater hat es einmal so beschrieben: „Trauer darf in meinem Alltag einfach nicht mehr sein. Darum ist die Trauergruppe so wohltuend für mich.“


Die Trauergruppe auf der Sonneninsel ist jederzeit offen für trauernde Eltern. Für Informationen könnt ihr euch jederzeit direkt an Silvia Dovits wenden: s.dovits@icloud.com oder an die Sonneninsel office@sonneninsel.at


Titelbild: Silvia Stödter auf Pixabay

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