Wenn man so durch Insta und Co. scrollt, sieht man oft vor allem eines: sehr wenig. Der Trend weg vom Big Spending hin zum Minimalismus wird nirgends so deutlich, wie in den sozialen Medien und den dazugehörigen Lifestyle-Blogs. Wir haben uns das Phänomen angesehen und Tipps gesammelt, wie auch ihr euren Krempel loswerdet – und dabei trotzdem ein halbwegs erfülltes Leben habt.
Es ist schon komisch: Noch vor einigen Jahren ging es darum, wer am meisten Zeug im Eigenheim hortet. Jetzt sucht man auf Instagram-Interieur-Fotos verzweifelt nach Möbeln und Co. Minimalismus lautet das Stichwort. Gefeiert wird ein möglichst immaterieller Lifestyle, in dem es – surprise – nicht um Dinge, sondern um Erfahrungen geht. Lieber weniger Krempel in der Wohnung, dafür ein herrlicher Backpack-Urlaub in den Anden.
Über Minimalismus erzählen sich die Influencer*innen gegenseitig, die Modemagazine springen brav auf und erklären, welche minimalistischen Trend-Teile man auf jeden Fall besitzen sollte. Was mit den alten Teilen passiert? Die werden auf einen Haufen geworfen und in gut und böse aufgeteilt. Das schreibt zumindest Pia Mester in ihrem Buch „Minimalismus trifft Kleidung“. Das Ziel darin: In vier Wochen zum Kleiderschrank voller Lieblingsstücke zu finden.
Was ist eigentlich viel? Und was verstehen manche Leute unter „wenig”?
Überhaupt wird Minimalismus ganz oft mit Kleidung in Zusammenhang gebracht. Sauberer Kasten, sauberes Leben. Capsule Wardrobe ist das Zauberwort und die Message: Du brauchst nicht 100 Teile vom Gleichen, nur ein, zwei. Die sollten aber lange halten. Wer den Hashtag #capsulewardrobe auf Instagram anwendet, wird trotzdem unweigerlich vor einer Frage stehen: Was ist eigentlich viel? Und was verstehen manche Leute unter „wenig”. Bilder mit „nur” 20 Pullovern tauchen auf, „bloß” 30 Paare Schuhe in eh nur fünf Farben. Man hat schließlich reduziert.
Viele Dinge zu besitzen, meinen die Expert*innen, stört die Konzentration. Das Wissen über richtiges Zusammenräumen hat der Japanerin Marie Kondo übrigens eine ganz neue Lebensbestimmung gebracht. Ironie des Schicksals: Durch ihr Buch „Magic Cleaning“ hat sie jetzt ein bisschen mehr statt weniger – Geld nämlich. Der Bestseller inspiriert Ordnung suchende Leser*innen weltweit, ihr Leben zusammen zu räumen. Der Erfolg kommt dann von ganz allein, wahrscheinlich.
Beim Shopping stellt sie sich nun drei Fragen: „Brauch ich das wirklich? Gefällt mir das wirklich? Passt mir das wirklich?“
Googelt man das Wörtchen „Minimalismus“, tauchen ganz viele Überschriften auf. „55 inspirierende Vorteile von Minimalismus“ steht dann da. Oder „Minimalismus: Hallo Klarheit!“. Klingt vielversprechend. Dass Minimalismus auch unter Expert*innen als Trend gehandhabt wird, macht nur Wenige stutzig. Was passiert in der Zeit danach? Wenn man sein gesamtes Hab und Gut weggeworfen und durch wenige, aber qualitativ hochwertige Dinge ersetzt hat? Nunu Kaller hat den steinigen Weg vom Shopaholic zur Minimalistin aufgeschrieben.
In ihrem Buch „Ich kauf nix!“ erzählt sie von ihrer Shopping-Diät. Ihr Resultat nach 365 Tagen Abstinenz? Beim Shopping stellt sie sich nun drei Fragen: „Brauch ich das wirklich? Gefällt mir das wirklich? Passt mir das wirklich?“. Der neue Minimalismus hat seine Befürworter*innen. Und seine Gegner*innen. Alle haben recht, weil sie unterschiedliche Fragen stellen, die Antworten greifen in vielen Fällen zu kurz. Ob der große berufliche Durchbruch vom Kleiderkasten-Ausmisten kommt? Die Frage lassen wir einfach mal im Raum stehen. Und ob die Welt dadurch ein besserer Ort wird, auch. Trotzdem können wir dem Konzept einiges abgewinnen. Deswegen haben wir Tipps für ein bescheideneres Leben gesammelt, die auch oder vor allem in Salzburg einfach umzusetzen sind.
7 Tipps für ein minimalistisches Leben
Minimalismus hat, man glaubt es durch die kommerzielle Besetzung des Begriffes kaum, vier Anwendungsziele: Gesundheit, Beziehungen, Missionen, Leidenschaften. Kurz gesagt: Weg mit dem Überschuss. Wendet man das Konzept richtig an, soll alles im Leben einfacher werden. Entscheidungen, zum Beispiel. Vielleicht ein Anreiz für manche, unsere sieben Tipps umzusetzen?
#1 Der Kleiderschrank / Krempel zu Hause
Alle sagen es, deswegen muss irgendwas dran sein. Wer seinen Kleiderschrank unter Kontrolle hat, rockt sein Leben. Damit das mit dem Kleiderchaos ein Ende hat, bitte alles, was man besitzt, auf einen Haufen werden. Ist es kaputt, kommt es weg. Ist es zu klein oder zu groß? Es kommt weg. Hat es unseren Körper über ein Jahr nicht mehr berührt? Weg! Der Rest kommt wieder rein. Achja, vorher den Schrank putzen nicht vergessen! Tipp: Teile, die noch gut sind (nur zu groß oder zu klein), bringen wir in die carla-Shops. Kaputte Kleidung bitte wegwerfen. Die kann niemand mehr brauchen.
#2 Kaufverhalten ändern
Sven Koch schreibt in seinem Buch „Minimalismus. In 21 Schritten zu einem minimalistischen Leben”, dass Minimalist*innen durchaus Dinge neu kaufen dürfen. Das erleichtert. Aber: Ramsch gehört ab sofort nicht mehr in die Einkaufstasche. Bei jeder Neuanschaffung entscheidet man auf Basis von Praktikabilität und Qualität.
#3 The Feels: Sich von Verpflichtungen befreien
Dinge sind nicht alles. Auch ungewollte Verpflichtungen halten uns zurück. Weg mit Zusatzprojekten, die belasten. Nein zu Hobbies, die keinen Spaß machen. Zeit verschwenden mit Terminen, die öd sind, oder Versprechen, die ungern gemacht werden – no more!
#4 Sich auf eine Sache konzentrieren
That’s a toughie! Alleine die Idee von „Konzentration” kostet uns meist nur ein mildes Lächeln. Aber irgendwie macht es Sinn – im großen Bild zumindest. Wir definieren große Ziele, Dinge, die wir auf jeden Fall erreichen wollen. Am besten schreiben wir diese auf ein Blatt Papier, Datum nicht vergessen. Wenn das Chaos erneut einbricht oder schwierige Entscheidungen anstehen: Das Blatt Papier wird uns den Weg weisen!
#5 Bessere Ernährung
Das nächste Schlagwort. Im Minimalismus spielt Ernährung eine wichtige Rolle. Weniger essen, dafür besser. In Salzburg haben wir tolle Bäuerinnen und Bauern, die hochqualitative Produkte anbieten. Die werden oft sogar in Form von Obst- und Gemüsekisterl bis vor eure Haustüre geliefert.
#6 Die 30-Tage-Regel anwenden
Jetzt wird’s hart. Auch Minimalist*innen brauchen Geld. Damit dieses nicht ausgeht, gibt es die 30-Tage-Regel: Wir sehen etwas, das wir wollen. Erstmal nicht kaufen, sondern auf ein Stück Papier schreiben. Wenn wir nach 30 Tagen immer noch Konsumsabbern, dann darf die Karte gezückt werden.
#7 Slow Living als Anregung
Auch irgendwie einfach zu merken: S steht für Sustainable, L für Local, O für Organic und W für Whole. Finden wir alles gut, wenn es möglich ist. Beim Slow Living geht es nicht darum, Konsum komplett abzulehnen. Viel mehr wird hier die Idee hinterfragt, dass man härter arbeitet, um sich mehr leisten zu können. Irgendwie sowieso antiquiert.
Titelbild: Priscilla Du Preez on Unsplash
Dieser Artikel ist zuerst im QWANT. Magazin / Ausgabe 4 (2017) erschienen.