Wenn die Not am größten ist, beten alle den selben Porzellangott an: das Klo. Als umtriebige Menschen können wir jedoch nicht immer den privaten Hochthron aufsuchen, sondern erfreuen uns am öffentlichen Heisl. Wir haben uns mit Hedi Wutte getroffen, die mit ihrem Team für saubere Toiletten in der Mozartstadt sorgt.
Um die Mittagszeit greift das Frühlingserwachen im Mirabellgarten um sich: Wedelnde Selfie-Sticks und fröhliche Menschenmassen säumen den Weg durch den Park, hin zum Vogelhaus. Dieses Mal interessieren wir uns jedoch nicht für Kunst oder Geschichte, sondern für das Souterrain des barocken Gartens. Dort befindet sich eine der insgesamt 22 öffentlichen Toiletten Salzburgs.
Beim Betreten der Anlage verwöhnt herber Zitrusduft die Geruchsrezeptoren. Aus einer unscheinbaren Nische heraus begrüßt uns Hedi Wutte herzlich. Die resolute Chefin vom Dienst ist bereits seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen, denn die außerhalb der Altstadt befindlichen WC-Anlagen sperren sich nicht von selbst auf. Ab sieben Uhr geht schließlich das Geschäft los. Seit zwölf Jahren ist Hedi für die Stadt und ihre Menschen im Einsatz, von Müdigkeit noch lange keine Spur.
Dabei war es anfangs alles andere als leicht für die geborene Salzburgerin. Das Stigma des Arbeitsplatzes öffentliche Toilette bekam sie am eigenen Leib zu spüren. Wenn es darauf ankam, Freund*innen und Bekannten von ihrem Job zu erzählen, befiel sie ein leises Gefühl der Peinlichkeit. „Am Anfang war ich schon ein bisserl so … hoffentlich sieht mich bloß keiner! Aber heute denke ich mir: Für was soll ich mich verstecken? Jeder ist froh, wenn er auf saubere Toiletten gehen kann. Warum soll ich mich da genieren oder schämen? Das ist harte Arbeit und ehrlich verdientes Geld!“
„Z’erst bin ich mal rearat worden. Es ist unglaublich, was man sich alles anhören muss!“
Mit ihren ausdrucksstarken Augen lässt sie an dieser Aussage keinen Zweifel aufkommen, während um die Ecke etwas verdächtig raschelt. Hedi wirft reflexhaft einen kurzer Blick in die Richtung des Geräusches, während ihre Hände automatisiert in die Taschen ihres Arbeitsmantels gleiten. Sie weiß, worum es geht. Flink ist sie zur Stelle, als eine Touristin etwas hilflos in ihrer Geldbörse nunkramt. Mit einem Lächeln auf den Lippen zieht Hedi eine 50-Cent-Münze aus dem Kittel.
Ebendiese 50 Cent sorgen übrigens auf den Heisln, die eigentlich Orte der Erleichterung sein sollten, für viel Unmut bis hin zu blanker Bosheit. Und das, obwohl das Geld nicht in die Taschen des Putzpersonals, sondern direkt in die Kassen der Stadt Salzburg fließt. Trotzdem sind Beschimpfungen als „geizige Abzockerin“ noch die harmlosesten Äußerungen, denen vollgekackte Pissoirs als nächste Eskalationsstufe gegenüberstehen.
,,Z’erst bin ich mal rearat worden. Es ist unglaublich, was man sich alles anhören muss!“, sagt Hedi mit einer Stimme, die gewachsene Elefantenhaut erahnen lässt. Einem Wiener, der sie wegen der 50 Cent über eine Sttmde lang verbal drangsaliert hat und eine lange Warteschlange gegen sie aufzuhetzen versucht hat, konnte sie Paroli bieten, berichtet sie stolz. Bei so viel Kämpferherz ist es ihr jedoch auch immer wichtig, Freundlichkeit zu wahren, denn sie ist sich sicher: „So wie man in den Wald einischreit, so kommt’s zurück!“
Mit Beschimpfungen als „bleds Kloweib“ und anderen Boshaftigkeiten hat sie gelernt, diplomatisch umzugehen und sich durchzusetzen. Vor allem die Unterstützung durch den Chef und ihre Kolleg*innen hat ihr durch die schwierige Anfangsphase geholfen. Besonders freut sie sich über nette Worte und das Lob für die Sauberkeit der Klos. Die Spülung erklingt im Hintergrund, ein Schloss geht auf und durch ein leises „Thank you“ verabschiedet sich die Touristin. Lächelnd blickt Hedi ihr nach.
Als das Happening ihrer Karriere würde sie eine Begebenheit am Domklo bezeichnen, als eine Mutter aus Dubai ihr Baby bei ihr abgab und mit dem leeren Kinderwagen wieder davonfuhr.
Von besonderen Heisl-Erlebnissen könnte sie ein Buch verfassen, vielleicht gehe sie das in der Pension – die sie schon längst antreten hätte können – auch an. Als das Happening ihrer Karriere würde sie eine Begebenheit am Domklo bezeichnen, als eine Mutter aus Dubai ihr Baby bei ihr abgab und mit dem leeren Kinderwagen wieder davonfuhr. „Es war so a lieber kleiner Bub“, erinnert sich Hedi mit strahlenden Augen. Schließlich musste sie die Mutter selbstständig ausfindig machen und konnte bei der Festungsbahn der etwas schockierten Mutter ihren Sohn zurückgeben. Bei so viel Action ist die Dankbarkeit groß und sie erhielt dafür ein Kopftuch und ein Koranexemplar von der Familie geschenkt.
Auf die Frage, was ihr an der Arbeit besonders gefalle, blickt Hedi kurz ungläubig und muss erst einmal nachdenken. ,,Es ist interessant, sonst würde ich es nicht machen“, resümiert sie, während ihr Blick auf den nahegelegenen Spielplatz abschweift. Neben dem Umgang mit allerlei verschiedenen Menschen kann sie in ihrem Beruf auch einer ihrer großen Leidenschaften nachgehen: ,,Schon als kleines Maderl hab ich mich sehr für Fremdsprachen interessiert.“ Kurse oder Lehrbücher hat sie hierfür keine herangezogen, ihre Schule ist der tagtägliche Umgang mit den Menschen. ,,Egal ob Holländisch, Französisch, Englisch oder Spanisch – die Leute sind immer sehr erfreut, wenn man ein freundliches Wort mit ihnen wechseln kann“, ist sich Hedi sicher. Aber auch einige asiatische Sprachen hat sie auf Lager. Sie lacht: ,,Optisch kann ich mittlerweile sogar Japaner, Chinesen und Koreaner unterscheiden und in ihrer Landessprache ansprechen. Die Herzlichkeit, die da zurückkommt, das hebt einfach a bisserl!“
Als sich eine Menschenschlange vor der Kloanlage aufzutürmen droht und wir uns auf den Weg machen wollen, bitten wir noch schnell um einen Ultra-Tipp, den Lifehack für ein sauberes Klo vom Profi quasi. Das Urgestein der Salzburger Heisln lacht aus voller Kraft: ,,Den Tipp gibt es nicht! Desinfektion ist ein Muss, aber es kommt auch immer drauf an, wie man umsaut!“
Dieser Text ist in der Printversion vom QWANT Magazin (Ausgabe 2/ 2017) erschienen.