„Alle warten auf den Fish“

Pokern in Salzburg

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POKERBOOM: Ein ehemaliger Mitarbeiter im Pokercasino und ein Profi-Spieler erzählen

Anfang der 2000er kam der Poker-Boom auch in Salzburg an. Casinos öffneten im 24-Stunden-Betrieb, Online-Poker wuchs und unendlich viel Geld wechselte Besitzer*innen. Wir haben mit einem ehemaligen Salzburger Poker-Croupier und einem Salzburger Poker-Profi geredet. Der Poker-Boom ist mittlerweile vorbei, zumindest offline. Viele Casinos haben wieder zugesperrt.

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Alle warten auf den Fish

Stefan* arbeitete drei Jahre in einem Salzburger Pokercasino

Differenziert betrachtet, sagt Stefan, gibt es beim Poker einen Glücksspielfaktor. Das heißt aber nicht, dass man zwingend süchtig wird. Er selbst hat drei Jahre in einem Salzburger Pokercasino gearbeitet. Zum Job kam er, weil er selbst Spieler war. „Beim Poker“, sagt Stefan, „gibt es einen wichtigen Unterschied zum Glücksspiel. Du spielst gegen andere Spieler*innen und nicht gegen die Bank. Stefans Poker-Karriere begann direkt nach dem Bundesheer.

Drei Wochen dauerte die Ausbildung zum Croupier. Während dieser lernten angehende „Dealer“ neben den Regeln des Spiels auch die Casino-Ettikette. Den Umgang mit Gästen zum Beispiel. „Das ist besonders wichtig“, sagt Stefan. Wird um Geld gespielt, ist das Frustrations-Potenzial hoch. In der Ausbildung wurde außerdem darüber gesprochen, wie man mit Spielsüchtigen umgeht. Wie man sie erkennt, welche Stufen es gibt, was hartes und was weiches Glücksspiel ist. Spieler*innen, die über ihre Verhältnisse spielen, sollten beispielsweise auf die Seite genommen werden. „In der Praxis nimmt das aber niemand so ernst“, sagt Stefan. Vor allem dann nicht, wenn es sich um finanziell kräftige Spieler*innen handle. „Es ist, als lasse man den Hund auf die Knackwurst aufpassen“, findet Stefan.

Pokern erfordert höchste Konzentration. Nicht nur bei den Spieler*innen, auch bei den Croupiers. Stefans alter Arbeitgeber war 24 Stunden geöffnet. Alle acht bis zehn Stunden endete eine Schicht. Alle halben Stunden wechselte er den Tisch, alle eineinhalb Stunden wurde Pause gemacht – rein theoretisch, denn: War viel Geschäft, konnten diese Regelungen nicht eingehalten werden.

Die Einsätze, erzählt uns Stefan, variierten. Manchmal setzten Spieler*innen zwischen fünf und zehn Euro, manchmal lagen 10. bis 30.000 Euro am Tisch. Vor allem im Casino bringen kleinere Einsätze Profis nichts, denn: Das Casino schneidet mit. Dass Spieler*innen einen ganzen Arbeitstag im Casino verbringen, kam vor, war aber nicht die Regel.

Außer, wenn ein „Fish“ im Casino war. Ein Fish ist eine Person, die leichtfertig viel Geld verspielt und von Profi-Pokern ausgenommen wird.

War ein Fish anwesend, blieben auch die anderen Spieler*innen länger.

Ein Fish wird man schnell, wenn man kein Profi ist. „Du kannst im Poker einen Lauf haben und gegen richtig gute Spieler gewinnen“, sagt Stefan. Dann hast du richtige Erfolgserlebnisse und merkst gar nicht, dass du am Ende mit weniger heimgehst. Dass sich Spieler*innen überschätzen, hat Stefan oft beobachtet. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten war stärker, als die Angst vorm Verlieren.

Echt tragische Fälle kennt Stefan wenige. Einmal war da ein sehr selbstbewusster Spieler und man hätte nicht vermutet, dass er Geldprobleme habe. Die 100.000 Euro, die er auf Firmenkosten verspielte, wurden ihm aber zum Verhängnis. An das Geld gekommen ist er mit der Spesenkarte, die er von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekam. Eine Ausnahme, sagt Stefan. Problematisch waren eher Streitigkeiten unter den Spieler*innen. Im 24-Stunden-Betrieb kamen sich Betrunkene immer wieder in die Haare, vergleichbar wie im Club, wenn Alkohol im Spiel sei. Bloß, dass die Spieler*innen keine 18 mehr waren.

Betrogen wurde bei ihnen nicht, glaubt Stefan. Wenn die Vermutung laut wurde, hat man einfach das Videomaterial gecheckt, das mit den Security-Kameras über jedem Tisch gesammelt wurde.

Was immer wieder vorkam: Dass Spieler*innen zusammengespielt haben. Bandenspiel ist verboten und diese Spieler*innen wurden gesperrt.

Warum Stefan das Pokerhandtuch geworfen hat?
„Es hat mich einfach nicht mehr interessiert, für mich gab es keine Karrieremöglichkeiten dort. Die Anmeldung war schlecht, das Grundgehalt wenig. Es gab kein Urlaubsgeld und kein Geld im Urlaub oder im Krankenstand. Wenn er aber gearbeitet hat, ging er dank Trinkgeld mit 2.000 Euro netto nach Hause.

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Verliebt ins Spiel

Chris* spielte 2007 zum ersten Mal Poker – und erzählt von seinen Höhen und Tiefen.

2007 hat Chris das erste Mal gepokert. Damals studierte er Mathe und Philosophie. „Ich habe mich in das Spiel verliebt“, sagt er. Begonnen hat alles mit einem 50 Euro-Gutschein, mit dem an ohne Einsatz auf einer Online-Poker-Seite einsteigen konnte. „Dort habe ich gesehen, dass es Leute gibt, die vom Pokerspielen leben können“, erzählt er. Ein Lebensmodell, das für Chris zum Traum wurde.

Der Salzburger setzte sich intensiv mit Online-Poker auseinander. Nach einigen Jahren begann er, zu gewinnen. Zuerst 1.000 Euro im Monat, dann immer mehr. „Wenn man ein Ziel erreicht hat, will man mehr.“ Richtig gut wurde Chris 2014. 20.000 Euro Gewinn im Monat waren keine Seltenheit. „Das bedeutet aber nicht, dass man mit 240.000 Euro im Jahr nach Hause geht“, sagt er. Manchmal bleiben nur 60 oder 70.000. Beim Pokern kommt und geht das Geld, abhängig von Glücksphasen und Pechsträhnen. Die besten Pokerspieler hatten Jahre mit Millionengewinnen. Beträge, von denen Chris weit entfernt war.

Poker ist kein billiges Spiel
Trotzdem blieb er dran. Vielleicht deswegen, weil sich sein Interesse am Spiel über die Jahre immer wandelte.

Am Anfang ging es darum, als Student finanziell unabhängig zu werden. Dann, in einer zweiten Phase, reizte es ihn, schlauer zu sein, als sein Gegenüber.

„Ich wollte meine Gegner nicht austricksen, das ist billig.“ Und Poker sei kein billiges Spiel. Man lerne genau, wie der Gegner denkt, was er tut und wie man selbst darauf reagieren sollte. Komplexe Annahmen also, die Chris für einige Jahr in den Bann zogen.

Vor allem das Live-Spiel, also das Spielen in einem Pokercasino, beschreibt Chris als intensive Erfahrung. „Im Casino spielen im Gegensatz zu Online-Poker mehr Faktoren eine Rolle, z. B. wie sich der Gegner kleidet, wie er aussieht, seine Gestik.“ Obwohl Chris diese Situation spannend fand, wurde sie ihm schnell zu stressig: „Im Casino an einem Tisch, mit echtem Geld und echten Gegnern, das war zu viel Adrenalin für mich, es machte mir Angst.“ Das große Geld suche man in Salzburgs Pokercasinos außerdem vergeblich. Neben wenigen Spieler*innen nimmt sich auch das Casino seinen Anteil. Für echte Profis also keine attraktive Stadt. Auch, weil es in Salzburg normal war, dass Spieler im Casino betrunken waren und zwischen jeder Hand einschliefen, um vom Dealer aufgeweckt zu werden. „Ich habe jedes Mal schlimme Sachen erlebt, wenn ein Spieler betrunken war, Taten der Verzweiflung.“ Einmal versuchte ein betrunker Spieler, immer wieder Geld abzuheben. Diese Person hatte sich zuvor bereits ein Abheb-Limit verhängen lassen, eine Taktik, um sich zu schützen. Das Casino-Personal ließ sich aber sehr schnell von seinen Überredungsversuchen weichklopfen und er konnte erneut Geld abheben. Verzweifelte Spieler gebe es natürlich auch im Netz. Das seien die Schattenseiten von Geld und Kapitalismus.

Wenn die eigene Ethik angepasst wird
Poker, sagt Chris, ist ein schöner Mikrokosmos kapitalistischer Wirtschaft. Man sieht, wie ein Mensch sich vornimmt, nach den eigenen Prinzipien zu handeln, der eigenen Ethik zu entsprechen. Dann befindet er sich jahrelang im Konflikt zwischen eben dieser Ethik und Geld verdienen – und früher oder später kommt die Situation, in der die Prinzipien gelockert werden. Oder die eigene Ethik angepasst.

„Was mich an Poker zu dem Zeitpunkt null interessierte, waren die mathematischen und spieltheoretischen Aspekte. Das kam später“, erzählt er. Um 2015 herum begann seine Suche nach der perfekten Strategie. „Gegen Software-Tools, die das Spiel online unterstützen, habe ich mich jahrelang gewehrt. Ich wollte mein eigenes Ding machen und nicht die Hilfe in Anspruch nehmen.“ Chris war überzeugt, dass sein Ansatz funktionieren müsse, zwang sich dazu, der kalkulierbaren Strategie treu zu bleiben. Und scheiterte immer und immer wieder. „Ich habe genau dann verloren, wenn ich mir sicher war, gewinnen zu müssen.“ 2019, im Frühling, hängte Chris die Pokerkarriere vorerst an den Nagel. „Es hat sich einfach nicht mehr rentiert.“

Was dann kam, war ein „Poker-Burnout“, wie Chris es selbst nennt. Zehn Monate lang spielte er nicht. Stattdessen begann er zu grübeln. „Mir ist aufgefallen, dass Poker eine sinnlose Beschäftigung ist. Es ist nur ein Spiel, man tut nichts Produktives damit, sondern nimmt Geld von schlechteren Spielern und verteilt es anders. Deswegen ist es schwierig, damit zufrieden zu sein.“

Seit einigen Monaten spielt Chris wieder, aber locker. „Es ist einfach gut, 1.000 oder 2.000 Euro im Monat zu gewinnen, in kurzer Zeit. Die restliche Zeit kann ich machen, wofür ich mich interessiert. Und hänge nicht in einem Job fest, der mir mehr Zeit und Energie rauben würde.“

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*Die Namen wurde anonymisiert. Beide Namen sind der Redaktion bekannt.

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