Welche alternativen Wohnprojekte sind für Salzburg denkbar?
Als Leiter des Fachbereichs „Wohnen“ am Salzburger Institut für Raumordnung (SIR) berät Patrick Lüftenegger die Salzburger Gemeinden und unterstützt Verwaltung, Politik, Planer*innen und Bauträger in Wohnungsfragen. Wir haben mit ihm über Wohnutopien und alternative Wohnmodelle in Salzburg gesprochen.
Welche Wohnutopien aus aller Welt faszinieren dich?
Ein Gebäude verursacht irrsinnig viel Mobilität. Wo die Menschen hinfahren, wo sie einkaufen und vor allem wo sie arbeiten hat auf den Energieverbrauch und auf den Klimaschutz einen riesigen Einfluss. Mich faszinieren in diesem Zusammenhang Gebäude oder Wohnmodelle, die darauf eingehen. Also bei denen Menschen versuchen, nachhaltige Gebäude zu errichten und wenig Energie zu verbrauchen.
Zum Beispiel?
Es gibt spannende Beispiele in der Schweiz. Dort sind die Genossenschaften ein gängigeres Modell, als in Österreich. Es gibt dort Wohngenossenschaften, in denen sich mehrere Menschen zusammenschließen, die ihre Wohnträume realisieren. Also nicht, dass jeder einzeln für sich sein Haus baut, sondern, dass sich mehrere zusammentun und sich ergänzen – nicht nur im Sozialen, sondern auch im Wirtschaftlichen, wenn man das Geld zusammenlegt. Es muss nicht jeder sein eigenes Pool vor der Haustüre haben. Es reicht vielleicht, wenn man eines zusammen hat. Oder einen tollen Waschraum, oder einen Kinderspielraum, eine Bibliothek. Ein tolles Beispiel ist die Kalkbreite in Zürich.
Würde man das in Salzburg umsetzen können oder gibt es schon etwas in die Richtung?
Schwierig. Salzburg ist eine sehr tolle Stadt, aber in mehrerlei Hinsicht schon etwas konservativ. Auch was das Wohnen angeht. Es gibt Menschen und Gruppierungen, die versuchen, solche Projekte auf den Boden zu bringen, aber das ist schwierig, weil es wenig verfügbaren Boden in der Stadt gibt und auch relativ wenig Unterstützung von der Politik, wenn es darum geht, innovativere Konzepte auszuprobieren. Da ist in Salzburg auf alle Fälle noch Luft nach oben.
Die Rosa Zukunft oder die Autonome Wohnfabrik – sind das schon Projekte, die in diese Richtung gehen?
Die Rosa Zukunft ist auf jeden Fall ein gut gelungenes Vorzeigeprojekt, das im Rahmen von gefördertem Wohnbau realisiert worden ist. Man hat die Generationenthematik berücksichtigt und versucht, auch das Energiekonzept innovativer zu gestalten, sowie alternative Mobilitätsmöglichkeiten umzusetzen. Das geht schon in eine gute Richtung. Die riesigen Visionen oder eine Umsetzung von Wohnutopien sehe ich da noch nicht, weil die Rahmenbedingungen in diesem Bereich sehr eng sind. Die Autonome Wohnfabrik geht da schon mehr in eine visionäre Richtung. Ich kenne sie jetzt nicht im Detail, aber die Idee, ein Wohnhaus dem Markt zu entziehen und wirklich nur der eigentlich gedachten Nutzung – dem Wohnen – zurückzuführen, das finde ich visionär.
Das Ausmaß des geförderten Wohnbaus bei großen Wohnprojekten, wie dem Stadtwerk oder dem Quartier Riedenburg, halte ich auch für einen visionären Zugang der Stadt. Der geförderte Wohnbau ist weltweit ein sehr einzigartiges und visionäres Konzept und es passiert viel. Man probiert jetzt auch immer wieder mehr in Quartieren zu denken und zusätzliche Nutzung in den Wohngebieten unterzubringen. Sockelzonen, wo man Supermärkte drinnen hat oder Cafés, Restaurants, Kinderbetreuungseinrichtungen etc.
Und am Land? Beobachtest du einen Trend weg vom klassischen Einfamilienhaus?
Teilweise geht der Trend vom Einfamilienhaus weg, weil es für viele Menschen einfach finanziell nicht mehr tragbar ist. Und das finde ich eigentlich auch eine gute Entwicklung. Es ist einfach ein enormer Bodenverbrauch, der extrem zur Zersiedlung beiträgt. Einfamilienhäuser werden nur extrem kurze Zeit von ihrer Lebensdauer wirklich effektiv genutzt. Sprich, dass die ganze Familie drinnen wohnt. Binnen kürzester Zeit – da ist das Haus noch nicht einmal abbezahlt – ist schon nur mehr die halbe Belegschaft drinnen und dann irgendwann stehen sehr große Häuser halb leer. Das ist nicht effektiv. Es geht wahnsinnig in die Fläche und ist kaum finanzierbar.
Was motiviert Menschen, in Sachen Wohnen außerhalb der alten Muster zu denken?
Ich denke, es ist eine sehr evolutionäre Entwicklung. Das hängt mit veränderten Lebensumständen zusammen, die Menschen motivieren sich, Alternativen zu suchen. Hinzu kommt die Finanzierbarkeit. Gerade in den Städten sind die Wohnmärkte einfach dermaßen unter Druck, dass man schauen muss, wie man zu leistbarem Wohnraum kommt.
„Die Anzahl der Zimmer und die Größe finde ich nicht entscheidend.“
Stichwort Tiny House: Sind alternative Wohnformen, die uns auf sieben Quadratmeter reduzieren, überhaupt gesund? Was macht das mit uns?
Mit meiner Familie habe ich einmal selber ein Wohnexperiment gemacht. Da meine Frau und ich, als Architekten, immer wieder über Suffizienz-Themen im Wohnbereich sprechen, wollten wir selbst austesten, wie weit man da gehen kann. Wir sind dann mit unseren ersten beiden Kindern für ein halbes Jahr in einen Wohnwagen übersiedelt.
Man kann sich relativ schnell umstellen. Ich finde es nicht unbedingt notwendig, dass man auf riesiger Fläche wohnt. Bei kleinem Wohnraum ist es wichtig, dass man rundherum noch viel Fläche zur Verfügung hat. Dann kann man auf kleinerem Raum leben. Ich glaube, das sind zukunftsweisende Modelle – ein reduzierter privater Wohnraum und dafür viele Gemeinschaftseinrichtungen.
Die Tiny House Angelegenheiten halte ich allerdings eher für Experimente von Menschen, die sich da kurz einmal ausprobieren möchten. Das hat wohl in dieser Form keine große Zukunft. Dass man generell in kleinen Wohneinheiten denkt, das finde ich schon intelligent, aber die müssen schon irgendwie darüber hinaus etwas bieten, dass sie wirklich funktionieren.
Wie schaut der ideale Wohnbereich für Menschen aus? Was brauchen wir eigentlich wirklich in Sachen Wohnen?
Um glücklich sein zu können, ist es sehr wichtig, dass die finanzielle Belastung im Rahmen bleibt. Ich glaube, dann schläft man schon einmal viel besser. Die Lage ist auch wichtig. Wo ist diese Wohnung? Passt sie gut in mein Leben? Die kurzen Wege finde ich sehr wichtig, das ist wirklich sehr zentral. Hinzu kommt die Ausstattung. Gefällt es mir? Fühle ich mich da wohl? Was habe ich an privatem Freiraum? Was ist sonst noch im Angebot? Gibt es noch einen Freiraum, den mehrere nutzen können? Ich glaube, da ein gutes Angebot zu haben, ist eine Voraussetzung, um glücklich wohnen zu können. Die Anzahl der Zimmer und die Größe finde ich nicht entscheidend.
Kommen wir zum Reizthema Leerstand. Welche Möglichkeiten hat man hier?
Den Wohnungsleerstand zu mobilisieren ist wirklich schwierig, weil man sehr wenig darüber weiß. Man weiß nicht, welche Wohnungen leer stehen und wem sie gehören. Wegen des Eigentumsrechts gibt es auch wenig Handhabe, das zu mobilisieren. Die Stadt hätte da ein Modell vorgeschlagen, in dem sie als Mieter auftritt und sich um die Verwaltung kümmert. Das war ein Versuch der Stadt, den Leerstand zu mobilisieren. Das Angebot ist aber wenig angenommen worden. Ich glaube, dass das prinzipiell der richtige Weg ist und die Stadt eine wichtige Rolle spielen muss. Aber es ist schwierig.
Wie werden wir in hundert Jahren leben?
Die Gesellschaft verändert sich sehr stark und es gibt neben den typischen Familienmodellen einfach auch sehr viele andere Lebensgemeinschaften und Haushaltsformen, auf die unsere bisherigen Wohnmodelle sehr wenig eingehen.
Ich hoffe, dass man in hundert Jahren die Dinge nicht so strikt trennt – wohnen, arbeiten, Freizeit – sondern, dass das irgendwie mehr miteinander verbunden ist und dass gerade in den Städten dieser hohe Bedarf an Mobilität reduziert werden kann.