Der Club der jungen Witwen

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Wenn junge Menschen plötzlich ihre*n Partner*in verlieren, bricht auch ein Stück ihres eigenen Lebens weg. Und während andere im selben Alter heiraten oder Kinder bekommen, assoziiert auch unsere Gesellschaft den Tod mit einem hohen Alter. Ein Verlust in jungen Jahren ist deshalb wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert. Der „Young Widow_ers Dinner Club“ bietet Trauernden in dieser schwierigen Situation ein Stück Normalität.

Als Dagmar eines Morgens aufwacht, weiß sie ganz genau, dass etwas Schlimmes passiert ist. Ihr Partner klagte am Vortag noch über Übelkeit, die darauffolgende Nacht überlebte er nicht. Drei Tage vor seinem 46. Geburtstag verstarb er an einer perforierten Aorta. Plötzlich und völlig unerwartet. Als Dagmar von der Wohnung ihres Partners nach Hause kommt, wartet bereits die Soforthilfe vor ihrer Haustüre. Sie nimmt Angebote der Krisenintervention und diverse Beratungen wahr und meldet sich auch bei der Trauergruppe der Caritas Wien an. Dass hier, im Kreise vieler Gleichgesinnten, ein ganz besonderes Projekt entstehen wird, weiß Dagmar zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Vom gemeinsamen Abendessen zur Selbsthilfegruppe

In der Kontaktstelle Trauer der Caritas Wien lernt Dagmar unter anderem sieben weitere Frauen kennen, die in jungen Jahren ihren Lebenspartner verloren haben. Nach den Treffen in der geschützten Gruppe lassen sie den Abend meist noch in einem Restaurant ausklingen. Bald merken die Frauen, dass dieser informelle Rahmen eine andere Art von Gesprächen und Themen zulässt, als jener in der geschlossenen Selbsthilfegruppe. Das erste Mal seit dem Tod ihres Partners besuchen sie wieder Lokale und wagen sich in Gesellschaft. Die geschützte Atmosphäre und der Austausch mit Menschen in ihrem Alter, die ebenso ihre Partner*innen verloren haben, machen die Zusammenkünfte schließlich zum monatlichen Fixpunkt.

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(c) Studio Katsey

Im März 2017 geben sie den Treffen schließlich einen Namen und einen Projektcharakter: Der „Young Widow_ers Dinner Club“ war geboren. Eines Tages tritt auch Britta dem Club bei. Als sie 35 Jahre alt ist, begeht ihr Partner in Folge einer psychischen Krankheit Suizid. Daraufhin nimmt sie – wie Dagmar – jegliche Hilfe an, die ihr geboten wird: Krisenintervention, Trauerbegleitung, Psychotherapie und auch den Austausch in einer Salzburger Selbsthilfegruppe für Angehörige nach Suizid. Als sie wieder zurück in ihre Wahlheimat Wien zieht, wird sie über einen Zeitungsartikel auf den Young Widow_ers Dinner Club aufmerksam und entschließt sich, an einem Treffen teilzunehmen.

„An unserem Tisch wird gegessen, getrunken, gelacht, geweint und geplaudert, aber vor allem auch Erinnerungen geteilt.“

Neben Dagmar und Britta kommen inzwischen acht bis 18 Teilnehmer*innen regelmäßig zu den Abenden. Alle sind zwischen 20 und 50 Jahre alt und wollen sich vor allem im Erfahrungsaustausch mit ihrer Trauer auseinandersetzen. „Die Trauer darf mitklingen, muss aber nicht immer Thema sein“, sagt Dagmar. „Außerdem brauchen Betroffene bei uns keine Sorge zu haben, andere zu belasten oder betretenes Schweigen auszulösen. An unserem Tisch wird gegessen, getrunken, gelacht, geweint und geplaudert, aber vor allem auch Erinnerungen geteilt.“ Britta ergänzt: „Wir geben Raum und Zeit zum Zuhören. Denn ab einem gewissen Punkt wollen Familie und Freundeskreis nicht mehr mit einem darüber reden, obwohl wir Trauernden gerne weiterhin über unseren Verlust sprechen würden.“

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Warum gut gemeinte Ratschläge oft mehr schmerzen, als helfen

Dass viele Angehörige versuchen, die Betroffenen mit gut gemeinten Ratschlägen oder gängigen Floskeln aufzumuntern, schmerzt mehr, als dass es hilft. „Das Reden über den Tod, die Trauer und die Sterblichkeit ist vielen unangenehm“, sagt Britta. „Und in unserer Gesellschaft ist es irgendwie antrainiert, dass man es immer mit Aufmunterung versucht, wenn es jemandem schlecht geht.“ Floskeln wie „Du musst loslassen“, „Lass die Vergangenheit ruhen, schau in die Zukunft“ oder „Du wirst schon wieder einen Mann finden“ empfanden Dagmar und Britta zusätzlich schmerzhaft.

Kurz nach dem Tod ihrer Partner wollten sie weder Worte der Aufmunterung noch Aufforderungen hören, sich zu melden, wenn sie etwas brauchen. „Außenstehende sollten einfach anerkennen, dass das Geschehene furchtbar ist und es in dem Moment nichts Positives gibt.“ Der Young Widow_ers Dinner Club ist hingegen ein Ort, an dem man ohne große Erklärungen verstanden wird. Wie eine Schutzzone ist er frei von Bewertungen, Trauerzeitvorgaben, Plattitüden oder gut gemeinten Ratschlägen.

„Außenstehende sollten einfach anerkennen, dass das Geschehene furchtbar ist und es in dem Moment nichts Positives gibt.“

Obwohl manche Außenstehende ernsthaft helfen wollen, haben sie oft Angst davor, etwas Falsches zu sagen oder die Namen der Verstorbenen in Gegenwart der Trauernden auszusprechen. „Wir denken sowieso immer daran“, sagt Dagmar. „Und auch, wenn wir jetzt wieder lachen können oder tanzen, heißt das nicht, dass es uns wieder gut geht. “ Britta ergänzt: „Gerade am Anfang ist Trauer körperliche und emotionale Schwerstarbeit. Sie verändert sich und begleitet einen in gewisser Weise ein Leben lang.“

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(c) Niki Weber

Dagmar und Britta empfehlen, den Trauernden das Gespräch anzubieten, zuzuhören und deren Schmerz ernst zu nehmen. Mit Unterstützung im Haushalt, beim Kochen oder bei Amtswegen kann man ebenfalls helfen. Besonders herausfordernd war für Dagmar der Wiedereinstieg ins Berufsleben. Nach drei Wochen war sie noch immer viel zu schwach und schnell erschöpft. Britta nahm sich eine fünfmonatige Auszeit, bevor sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte. Beide würden sich für Trauernde eine Art bezahlte Trauerkarenz wünschen, wie es sie zum Beispiel in England gibt. „Trauer ist keine Krankheit und Urlaub schon gar nicht. Trauer ist zutiefst individuell. Ich hätte mir eine längere Auszeit gewünscht, während andere die Ablenkung im Berufsalltag suchen.“, sagt Dagmar.

Den eigenen Trauerweg finden

Zum Umgang mit Trauer gehört auch die Suche nach dem eigenen Trauerweg. Der Austausch im Young Widow_ers Dinner Club hilft, diesen zu finden. In der Theorie gibt es unterschiedliche Trauermodelle und -phasen, die man als Betroffene*r durchläuft. Faktoren wie die Todesart, das Alter der Verstorbenen oder die Dauer der Beziehung spielen hier genauso eine Rolle wie die Art und Weise, wie man selbst mit dem Verlust umgeht. Manche wollen darüber reden, manche lesen Bücher über die Thematik und andere möchten lieber im Stillen trauern. Der Young Widow_ers Dinner Club ist für alle da, die im Austausch mit anderen Trost finden. „Am Anfang hatte ich oft das Gefühl, niemand versteht, wie es mir wirklich geht“, sagt Britta. „Man passt sich über Wochen und Monate dieser neuen Situation an und versucht, mit dem Verstorbenen verbunden zu bleiben.“

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(c) Studio Katsey

„Für mich ist Trauer meine rückwärts gelebte Liebe.“

Diese Verbindung bleibt auch aufrecht, wenn man sich auf eine*n neue*n Partner*in einlässt. Britta lebt heute wieder in einer Beziehung und hatte anfangs mit Gewissensbissen zu kämpfen. „Darf ich wieder glücklich sein?“, hat sie sich genauso gefragt wie „Darf ich mich neu verlieben?“ oder „Haben beide Partner überhaupt Platz in meinem Herzen?“ Dass die Welt zwar voll mit Liebesfilmen und -liedern sei, sagt Dagmar, aber das Umfeld einem weismachen will, dass man mit der Trauer nach dem Tod des geliebten Partners zügig abschließen möge, das passt irgendwie nicht zusammen. „Für mich ist Trauer meine rückwärts gelebte Liebe.“

Der Young Widow_ers Dinner Club hat den beiden Frauen geholfen, ihrem eigenen Zugang zu Tod und Trauer näherzukommen. In Wien begonnen, finden die Treffen inzwischen an 11 Standorten in Österreich, Deutschland und der Schweiz statt. Wer Interesse an einer Teilnahme hat, meldet sich per Mail und bekommt im Anschluss den Ablauf eines Abends erklärt. Wenn weiterhin Interesse besteht, werden auch Ort und Zeitpunkt weitergeleitet und beim allerersten Mal darf man eine halbe Stunde früher kommen, damit man sich in kleinerer Runde ankern kann.

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(c) Mercan Sümbültepe

Ein Young Widow_ers Dinner Club in Salzburg?

In Salzburg gibt es noch keinen Young Widow_ers Dinner Club – einer möglichen Gründung steht jedoch nichts im Weg. Das Team in Wien bietet dafür die nötige Infrastruktur, stellt die Termine auf der Website online, Flyermaterial und Visitenkarten zur Verfügung und bewirbt die neue Gruppe auf Instagram. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Treffen, die während Corona überwiegend online stattfanden, bald wieder von Angesicht zu Angesicht möglich sein dürfen. „Auch in Salzburg wäre es schön, wenn junge Trauernde sich als neue Gruppe zusammenfinden und Menschen in ähnlichen Lebenssituationen treffen. Gemeinsam wollen wir an einem gesellschaftlichen Wandel zum Verständnis an der Trauer beitragen“, sagen Dagmar und Britta. „Und nicht zuletzt können Freundschaften fürs Leben entstehen.“

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Young Widow_ers Dinner Club

www.youngwidowersdinner.club
Kontakt: youngwidowersdinnerclub@gmail.com
>> Instagram <<
>> Facebook <<

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Titelbild: (c) Studio Katsey

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