Fräulein Flora

Schiaches Salzburg: Bänkespiele

Die Camden Bench – das perfekte Antiobjekt und ihre Salzburg-Connection

Als Beispiel für Hostile Design wird gerne die sogenannte Camden Bench herangezogen. Ein Betonobjekt, auf dem man zwar sitzen kann, das aber nur sehr unbequem. Ohne Schlitze (Drogenverstecke!) und ohne gerade Kanten (potenzielle Geraden zum Shredden!).

Zugegeben: Ganz so imposant wie diese Londoner Stilikone der defensiven Architektur sind ihre kleinen Salzburger Schwestern nicht, aber zumindest erfüllen sie dieselbe Funktion: Die Interaktion damit, oder deren Verwendung so unangenehm und kurz wie möglich zu machen. In der momentanen, seltsamen Zeit mit geschlossener (Außen-)Gastronomie bei frühlingshaften Temperaturen fällt mir das mehr auf, denn je.

Es zieht die Leute im trink- und sozialisationsfähigen Alter nach draußen. Ein leichtes Clochard-Feeling kommt auf, wenn man mit seinem warmen Dosenbier im Mirabellgarten hockt. Und vielleicht werden Erinnerungen an die Jugend wach beim Freiluftgammeln am rechten Salzachufer, Höhe Schwarzstraße. Beim Herumtreiben draußen drängt sich aber auch die Frage auf, wie es Leuten geht, die dauerhaft draußen sind. Sein müssen.

Dass man in der Altstadt zwischen Mozartkitsch, Barockschätzen und elitären Salzburg-Foundation-Exponaten wenige Obdachlose oder sonstig ungustiöse Gestalten (Pfuideifi, Skater! Und Sprayer!) findet, hat schon seinen Grund. Dafür wird bewusst gesorgt. Entweder mit Polizei-Eskorte, beispielsweise wenn Bettler aus den Dombögen vertrieben und strafverfolgt werden. Oder eben durch den gezielten Einsatz von defensiver Architektur.

„Ist das Kunst oder kann ich mich da draufsetzen?“

Am Residenzplatz kann man sich seit letztem September auch fragen, ob man es mit Anti-Objekten, öffentlich installierter Hochkultur, oder mit gemütlichseinsollenden Gebrauchsgegenständen zu tun hat. Glatte Betonflächen und halbe Rückenlehnen aus – darauf ist man im Chiemseehof mächtig stolz – Lärchenholz. Letztere sind gerade mal so lang und breit, dass zumindest der Quadrat-Arsch der Autorin bequem drauf Platz hat. Zu zweit nebeneinander wird es schon ein bisserl ungemütlich, wenn beide Sitzer was von der tollen Lärchenholzdesignrückenlehne haben wollen. Außerdem ist die tolle Lärchenholzdesignrückenlehne mittig auf dem Betonfundament montiert – also genau so, dass man sich unmöglich bequem dort hinlegen könnte. Zudem wird Beton praktischerweise im Sommer so heiß und im Winter so kalt, dass man gerne etwas früher wieder aufsteht und das Weite sucht. Das bedeutet ganzjährigen Schutz vor zivilem Müßiggang. Nicht nur rechtzeitig zu den Festspielen, wenn Salzburg jährlich aufs Neue zum Potemkinschen Dorf für Reich und Schön und Adabeis wird.

Ränkespiele der Gebrauchsar(s)chitektur am Hauptbahnhof

Auch an den völlig normalen, unglamourösen Orten abseits der Altstadt geht es aus städteplanerischer Sicht oft darum, die Verweildauer von Menschen zu verkürzen oder den Aufenthalt von vornherein so unangenehm wie möglich zu machen. An sozialen Hotspots, auf Bahnhöfen zum Beispiel.

Wer schon mal mit schwerer Reisetasche in der Bahnhofshalle war, kennt genau diese Art von „unangenehm“. Die Senior*innen unter uns erinnern sich vielleicht noch an die alte Bahnhofshalle mit den Sitzinseln in der Mitte. Diese lästigen Hemmnisse wurden beim Umbau 2010 durch viel leeren Raum, einen abfallenden, spiegelglatten Boden und vier Granitmonolithe ersetzt. Bei Modernisierungen kommt von den Verantwortlichen gerne dieses Argument: „Weite Sichtachsen, glatte Flächen und wenig Objekte im Raum erhöhen das Sicherheitsgefühl.“

„Wie haben die Menschen früher nur ohne sicheres Raumgefühl überlebt?“, frage ich mich jedes Mal, wenn ich bei Regen oder Schnee schwerbepackt die Bahnhofshalle hinunterschlittere.

Die Busleisten des Grauens

Ortswechsel auf den Bahnhofsvorplatz und point-in-case in Sachen „unangenehm“ auf Busleiste B und C. Vermutlich kennt eh jeder die seltsam abgeschrägten Anlehnmöglichkeiten aus Chrom, die normale Sitzbänke ersetzen. Abstellen kann man darauf nix, sich draufsetzen auch nicht wirklich. Das sind echte Meisterstücke der defensiven Architektur. Fragt sich nur, ob das aus Macher-Sicht langfristig nicht auch ein Schuss ins eigene Knie ist, die Umwelt so ungemütlich wie möglich zu gestalten. Ich schaue kurz eine etwas verdatterte Taube an, die sich gegenüber auf einem Vordach an einem Taubengitter abmüht. Wir sind alle ein bisschen diese Taube.

Jericho-Trompeten in der SB-Zone

Bleiben wir noch kurz am Bahnhof. Der SB-Bereich der Postfiliale wartet nämlich mit etwas ganz Speziellem auf. Hier wird nicht mit haptischen, sondern mit akustischen Reizen gegen eventuelle Wohlgefühle angekämpft. Die Beschallung mit schmerzhaft-artifizieller, generischer Klassischer Musik in Dauerschleife, sorgt dafür, dass man in Nullkommanix wieder raus will und sich nicht in der Packstation einnistet. Und: Es funktioniert. Schnell rein, schnell wieder raus. Außer, man ist etwas masochistisch veranlagt oder hat ein Faible für schiefe, klassische Muzak – aber bis jetzt zumindest wohnt noch niemand da drin. Hostile Design 1. Mensch 0.

So und jetzt weitergehen!
Nix zu sehen hier.

Fortsetzung folgt – vielleicht.

“Schiaches Salzburg” ist unser Außenposten fürs Unangenehme und bringt laufend neue Krach- und Sachgeschichten aus SBG.

Gefunden haben wir diesen Account auf Instagram, wo er als @schiaches.salzburg die halbschattigen Seiten der Stadt herzeigt. Was es dort gibt? Found objects, Kurioses aus dem öffentlichen Raum und andere schiache Sachen aus der schönsten Stadt Österreichs. Immer mit im Gepäck? Gesunder Grant, absurder Humor und Sinn für Unsinn.

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