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Slay, Kween und #GRRLPWR

Femismus von der Stange

Schon klar: Es ist geil, dass jetzt auch der letzte Depp weiß, was wir von gängigen Geschlechterklischees halten, nur weil auf unseren Socken „Nasty Woman“ steht. Aber was passiert eigentlich mit der feministischen Bewegung, wenn ihre Inhalte zu Produkten werden?

Beyoncé singt bei den VMAs 2014 vor dem Wort Feminist in riesigen Leuchtbuchstaben, Modedesigner Prabal Gurung schickt seine Models in weißen T-Shirts mit dem
Aufdruck „The Future is Female“ über den Laufsteg, eine Firma für Slipeinlagen erklärt uns in ihrem Werbeclip, was „like a girl“ eigentlich bedeutet und BILLA hat jetzt einen weiblichen Hausverstand. Feminismus ist in – und im Sonderangebot.

Andi Zeisler, Mitgründerin und Chefredakteurin der feministischen Plattform Bitch Media, nennt das Marketplace Feminism: Der Prozess, in dem sich Unternehmen oder Marken feministischer Sprache, Symbole und Werte bedienen, um ihre Produkte zu verkaufen. In ihrem Buch We Were Feminists Once erklärt die Journalistin, wie Feminismus vom Schimpf- zum Modewort wurde, inwiefern der Kapitalismus die soziale Bewegung entpolitisiert und wieso deshalb strukturelle Änderungen auf der Strecke bleiben. Umsatzsteigerung steht für Unternehmen nach wie vor im Mittelpunkt, auch wenn sie den Schleichweg über Empowerment, Selbstbestimmung und Emanzipation nehmen. Fast wie Adam Smiths unsichtbare Hand – aber eben nur fast: Viel zu oft bleibt Marketplace Feminism ein Marketinggag, die bestärkenden Slogans reine Rhetorik.

Ein Yas Kween auf der Tasche hält den anrüchigen Typ von drei Straßen weiter hinten nicht davon ab, mir beim abendlichen Heimkommen bis vor die Haustüre zu folgen, der F*ck Trump Lippenstift von Lipslut macht zwar Profit, hat aber an der Position und Politik des neuen POTUS nichts verändert, keine Slay-Mütze führt zu gleichem Lohn für gleiche Arbeit.

Und innerhalb der Firmen? Ändert sich oftmals genauso wenig. Ein Jahr, nachdem uns die neue Frau Hausverstand von BILLA freundlich lächelnd erklärte, es „könnte sich lohnen, künftig öfter mal auf eine Frau zu hören“, sitzen immer noch exakt null Frauen im Vorstand – genau wie bei der Mutterfirma REWE.

Die „Self-Made-Woman“ Sophia Amoruso, die mit ihrem Buch #GIRLBOSS regelrechte Verehrung bei unternehmerischen jungen Frauen hervorrief, ließ Mitarbeiterinnen unbegründet vor oder während des Mutterschutzes feuern und die Produktionsbedingungen bei H&M und Tochter Monki sind trotz feministischer T-Shirts, Socken und Pins alles andere als empowering.

Der Kauf dieser Artikel unterstützt die Firmen, nicht jedoch die politische Bewegung. Es ist ein Zuckerwatten-Feminismus, der den gesellschaftlichen und sozialen Kampf in ein Wohlfühlpaket verpackt, leicht verdaulich und unproblematisch. Feminismus, der eigentlich Privilegien neu verteilt und vehement Rechte einfordert, der institutionalisierten Sexismus mit aller Kraft niederreißt, wird auf ein Shoppingerlebnis reduziert.

Einzig positiver Nebeneffekt: Dass feministische Ideale als Konsumgut im Regal stehen, erhöht die Aufmerksamkeit und Akzeptanz in einem breiteren Publikum. Feminismus ist jetzt cool, das sieht man auch an der Anzahl an Personen aus dem öffentlichen Leben, die sich als Feminist*in darstellen. Als VICE im März 2017 fünfzehn österreichische Politiker*innen fragt, ob sie Feminist*innen sind, antworten alle außer vier mit einem klaren Ja.

Bleibt die traurige Wahrheit, dass Reichweite allein noch keinen sozialen Umschwung auslöst. Außerdem: Der Trend Feminismus verspricht Emanzipation für alle, nützt aber, ganz ehrlich, bislang nur der weißen Mittelschicht. Marketplace Feminism lügt uns ins Gesicht, dass Emanzipation an uns selbst liegt und allen gleichermaßen offensteht: individuelle Grrrl Pwr gegen strukturellen Sexismus.

Was er dabei vollkommen ignoriert: Geschlechterbasierte Diskriminierung ist tief in unserer Gesellschaft verankert und trifft Minderheiten und sozial Benachteiligte am härtesten. Da hilft dann auch kein Pin mit der Aufschrift Uteruses Before Duderuses.

Also: Yaaaass, Feminismus! Aber bitte für alle. Und vor allem auch abseits der Konsumgüterindustrie.

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