Fräulein Flora

Die Bullshitdiät: Detoxen für den Frühling

Hin und wieder, schreiben einschlägige Frauenmagazine, muss man den Körper von seinen Giftstoffen befreien. Am besten im Frühling, nachdem man sich den Winter über Speck und Sündiges angefressen hat. Zum Alkohol gibt’s Fettes und Fertiges und bewegen tun wir uns auch viel zu wenig. Deshalb müssen wir entschlacken. Was das heißt, weiß irgendwie jede*r und niemand so genau. Entschlacken wird als Synonym für Abnehmen, Gesundwerden und innere und äußere Reinigung missbraucht.

Weil die normale Lebertätigkeit aber kein lukratives Geschäft ist, wird sie von angepriesenen Detox-Smoothies und Fit-for-Fun Entgiftungsdiäten zu Grabe getragen.

Dabei stammt der Begriff ursprünglich aus der Kohle- und Metallindustrie und bezeichnet mit Schlacken Rückstände aus Verarbeitungsprozessen. Das Bild war so eingängig, dass es sich die Lebensmittelindustrie unter den Nagel gerissen hat. Der menschliche Körper als Ofenrohr, das giftige Altlast aus der alltäglichen Ernährung ausscheiden muss, veranschaulicht durch den angstlösenden Begriff „Detoxification“. Dass eingelagerte Giftstoffe mit Gemüsesmoothies und Tee einfach rausgespült werden können, hat aber eigentlich kein wissenschaftliches Fundament.

Der Körper ist nämlich gar nicht vergiftet, weiß Maria Benedikt dazu zu sagen.

Bis vor einigen Jahren leitete sie die Abteilung Ernährungsmedizinische Beratung im Landeskrankenhaus Salzburg und führt eine eigene Praxis. „Die Leber entgiftet gewöhnlich den Körper von Substanzen wie Alkohol-, Schad- und Giftstoffrückständen.“ Weil die normale Lebertätigkeit aber kein lukratives Geschäft ist, wird sie von angepriesenen Detox-Smoothies und Fit-for-Fun Entgiftungsdiäten zu Grabe getragen.

Und die können dann schon mal teuer werden. Detox-Saftkuren für fünf Tage und Pulverpräparate gibt es um satte 120 Euro, mit Tees kommt man deutlich günstiger davon. Ironischerweise sind Bestandteile vieler Detoxprodukte altbekannte Mittel der europäischen Heilfastenmedizin, sagt Benedikt. Stoffe zur Entwässerung und Bitterstoffe wurden schon in der Antike konsumiert. Allgemein lasse sich sagen, dass Detox nichts weiter ist, als ein neuer, fancy Begriff für althergebrachtes Fasten. Mit dem kleinen bildlichen Unterschied, einen verunreinigten Körper wieder auf Vordermann bringen zu wollen.

Denn im Gegensatz zu Detox stehen beim traditionellen Fasten viel mehr Wohlbefinden und bewusstes Essen und Tun im Vordergrund. „Wer fastet, soll auch in sich gehen, Stress reduzieren und achtsamer mit dem eigenen Körper umgehen.“ Es ist Bestandteil vieler kultureller und religiöser Praktiken, die sich heute im Ramadan und in der christlichen Fastenzeit vor Ostern bewahrt haben. Wenn man seine Nahrungsaufnahme innerhalb eines zehntägigen Rahmens bewusst einschränkt, kann das durchaus heilsame Wirkungen auf Körper und Psyche haben, bestätigt sie. Gewichtsabnahme oder Entschlackung haben mit Heilfasten aber nichts zu tun. Sobald die Eiweißversorgung wie bei Detoxdiäten massiv eingeschränkt ist, können Muskeln nicht erhalten und aufgebaut werden, um eine gesunde Gewichtsreduktion zu ermöglichen.

An diesem Punkt geht Detoxen an seiner Konzeptlosigkeit zugrunde. Detoxpläne in Brigitte und Co. präsentieren zwar eine eierlegende Wollmilchsau: Entsäuerung auf die Schnelle, Abnehmgarantien, Stoffwechselanregungen und innerer Reinigung durch Entgiftung. Die vermeintlichen Schlacken, die sich unter dem Bindengewebe ansammeln sollten, konnten aber wissenschaftlich nie nachgewiesen werden, weshalb eine derartige Abtragung zum Schauermärchen für schwarze Pädagogik mutiert. Detoxpulver im zermatschten Gemüse bleibt ein dreistes Beispiel der Diätindustrie, Menschen solange ein Defizit einzureden, bis daraus Gewinn erzielt werden kann. Punkt.

Liebe Leute, dieser Beitrag hat schon ein paar Jährchen am Buckel (erschienen 2021), aber irgendwie nix an seiner Aktualität verloren. Geschrieben hat ihn die wunderbare Veronika Ellecosta.  

Die mobile Version verlassen