Fräulein Flora

Ritterkampfsport in Salzburg

Samstag Nachmittag: In Salzburg-Süd rollen bärtige Männer und stämmige Frauen mit Family-Sized-Trolleys gen Sonnenuntergang. Das unwahrscheinlich laute Scheppern vermischt sich mit freundlichem Grüßen, ehe man sich in der Polizeisporthalle zusammenrottet. Folglich kommen Eisenrüstung, Schwert und Schild nicht nur zum Vorschein, sondern auch zum Einsatz. Wir waren zu Besuch beim „Verein für Vollkontaktkampf in mittelalterlicher Rüstung Salzburg“ und haben uns (fast) verkloppen lassen!

Fotos: Kim Karisch / Wildkind

„In den letzten Jahren gibt es ein verstärktes Interesse an unserem Sport. Er hat sich aus der sogenannten Re-Enactement-Szene heraus entwickelt. “, erklärt Trainer Andrej in freundlichem Ton, während sich seine Schützlinge unter lautem Metallklackern die ersten Rüstungsteile auf die Körper klatschen. Die Trendwelle schwappte aus Osteuropa über und erobert Österreich noch zögerlich: In der aktuellen Weltrangliste ist es an letzter Stelle und konnte beim Finale der Weltmeisterschaft Russland gegen die Ukraine nur zuschauen.

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Andrej selbst fand über Judo zu dieser Kampfsportart. Wir unwissenden Redakteure haken der Bedeutung von Vollkontaktsport nach, zumal das eher nach Minnedienst oder mindestens ritterlichem Kuscheln klingt. Tatsächlich bedeutet es aber (wie in jeder anderen Kampfsportart auch): Hier wird ungebremst drauf losgedroschen!

Ritterkampfsport-Salzburg

„Aber keine Angst! Unsere Waffen sind stumpf… wir wollen uns ja nicht gegenseitig umbringen.“, wendet Germanistik-Student Tobias laut lachend ein. Wir springen als Knappen ein und helfen ihm beim Festzurren seiner Rüstung: An die 20-30 Kilogramm wiegt das Teil und ist somit alles andere als ein Federkleid.

Das Regelwerk schreibt außerdem vor, dass jede Rüstung historisch belegt sein muss (sorry an alle Orks und Elfen unter euch!).

Nachdem Tobias fertig aufgerittert ist, stößt er zu seinen Teamkamerad*innen.

„Das Tolle an dieser Sportart ist, dass es ein Kampfsport und ein Teamsport gleichzeitig ist.“, erklärt uns Andrej in seiner besonnenen Art, während die historischen Sportler*innen zum Aufwärmen laut dröhnend durch die Halle hopsen und mit ihren Schwertern die Luft durchsieben. Die Wände beben. „Das Regelwerk ist sehr genau und wir trainieren hart für den Sport. Einmal im Monat treten wir in voller Montur an, die anderen Einheiten benötigen wir für Kraft, Fitness und Ausdauer.“

Bei den Turnierkämpfen hierzulande, die mittlerweile wie Pilze aus dem Boden sprießen, gibt es verschiedene Modelle: Entweder haut man als Kollektiv auf gegnerisches Metall oder misst sich im Duell.

Mit Taschentüchern winkende Burgfräuleins und Prinzessinnen sind nicht obligat, Männer und Frauen springen gemeinsam und gegeneinander in den Ring.

Stiche sind verboten, gesiegt wird im Duell nach Punkten. Im Gruppenkampf gewinnt, wer zuletzt noch auf beiden Beinen steht. „Das Verletzungsrisiko ist ähnlich wie bei anderen Sportarten auch“, erklärt Tobias. „Meistens kommt es zu Verletzungen durch Umböckeln und falsch sitzende Rüstungen. Aber da sind die meisten eh gut vorbereitet.“

Der Trainer gibt Anweisungen für eine Duellübung. Wir dürfen endlich zu den Waffen greifen. Äxte, Lang- und Kurzschwert kommen beim Kloppen zum Einsatz. Bei der Übung sollen wir auf einen unbewaffneten Gegenüber einschlagen. Anfangs ist die Hemmschwelle recht groß – immerhin sind wir in einer sehr pazifistisch geprägten Welt aufgewachsen!

Wenn dann aber ein großer, bärtiger Metallkühlschrank lautstark „Hau g’scheid drauf!“ fordert, nimmt die Sache Fahrt auf.

Und die Sportler*innen haben sichtlich Spaß daran, zuzuhauen und auszuweichen. Die schwere Rüstung wird zur an der Haut anliegenden Kraftkammer – Koordination und Kraft werden auf’s Härteste geprüft.

Unser Redakteur hat auch selbst Hand angelegt und sich im Schwertkampf versucht.

Elli kreuzt mit Tobias freundlich die Klinge und dann geht es los. Eine Minute, Eins gegen Eins. Die Pinzgauerin nimmt jeden Samstag eine mehrstündige Anfahrt für ihre Leidenschaft in Kauf. Vorsichtig umkreisen sich die Kontrahent*innen ehe es stattliche Hiebe setzt. Andrej schreitet bei Fouls mit einem Bambusstab zwischen den Beiden ein. Nach einem spektakulären Zweikampf setzen sich die zwei Athlet*innen müde lächelnd und schwer durchschwitzt wieder zu uns. „Es macht einfach unglaublich viel Spaß!“

Das glauben wir ihnen. Nach einer Stunde neigt sich das Training dem Ende zu und wir dürfen noch ein paar wehrlose LKW-Reifen mit dem Langschwert bearbeiten. Die passiv angestaute Aggressivität wird dadurch abgebaut und der Reifen muss leiden. Sichtlich erleichtert und um einiges an Weltwissen reicher verlassen wir schließlich das mittelalterliche Ensemble. Sport ist Mord? Sicher nicht bei dieser freundlichen Truppe!

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