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Die guten Tage im Toihaus

Vom Buch auf die Bühne

Marko Dinićs Romandebüt wird im Toihaus inszeniert. Kann das gelingen?

Das Toihaus Theater kennt man in Salzburg für zwei Dinge: Auf der einen Seite die Theateraufführungen für Kinder und auf der anderen Seite den Schwerpunkt im Bereich Performance und Postdramatisches. Klassisches Sprechtheater sieht man auf der Bühne im Salzburger Andräviertel dagegen fast nie. Umso erstaunlicher fanden wir es, als wir vor einigen Wochen die Ankündigung der Bühenadaption von Marko Dinićs Roman Die guten Tage erhielten.

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Im „Gastarbeiter-Express“ der Vergangenheit entgegen

Allen Salzburger*innen, die sich für zeitgenössische Literatur interessieren, ist Marko Dinić sicher ein Begriff. Immerhin hat der Literat bis vor wenigen Jahren selbst in Salzburg gelebt. Spätestens seit dem Erscheinen seines Debütromans Die guten Tage gehört Dinić endgültig zu den Fixsternen der jungen österreichischen Literatur. Der Roman handelt von einem jungen Mann, der nach dem Tod seiner Großmutter mit dem „Gastarbeiter-Express“ nach Serbien fährt, und sich im Laufe der Reise an seine Jugend in Belgrad erinnert. Der Vater steht dabei für alles, was der junge Mann an der alten Heimat zu hassen gelernt hat: für den Nationalismus, das Nicht-Bearbeiten der eigenen Verbrechen und für die Enttäuschung einer ganzen Generation.

Ein Roman als Theaterstück als Film

Gut vorstellbar, dass dieser Stoff auch auf der Bühne funktioniert. Aber ausgerechnet im Performancetheater Toihaus? Wir waren neugierig und bestellten uns den Link zur Online-Aufführung. Schließlich läuft das Stück bis 20. Juni nicht „live“, sondern als Video-On-Demand-Fassung. Ein Roman als Theaterstück als Film sozusagen. Ob das klappt?

Ja, tut es! Denn schon in den allerersten Minuten des Stücks wird klar: hier wurde ganze Arbeit geleistet. Mit kundiger Hand und Mut zur Lücke wurde der Romanstoff von Felicitas Biller in eine Bühneninszenierung für drei Schauspieler*innen (Dominik Jellen, Max Pfnür, Gudrun Plaichinger) übersetzt, die auch auf dem Laptop im Wohnzimmer bestens funktioniert. Nur drei Personen und ein paar angedeutete Schauplätze braucht es, um voll in die Gedanken- und Erinnerungswelt des Protagonisten einzutauchen und seine Zerrissenheit mitzuerleben.

Mehr noch: Je länger man dem kammerspielartigen Stück zusieht, desto klarer wird, dass die Inszenierung am Toihaus ein absoluter Glücksfall für den Stoff ist. Immerhin bringt man dort von jeher die Offenheit mit, Stoffe abseits der herkömmlichen theatralen Erzähltraditionen aufzubereiten. Genau dieser wohldosierte Einsatz von Klang, Farbe, Bewegung und Ausdruck sorgt dafür, dass die Bühnenadaption trotz all ihrer Schwere federleicht daherkommt. Ganz schön großartig, was dem Team hier gelungen ist.

Die guten Tage von Marko Dinić läuft am Toihaus Theater als Video on Demand noch bis 20. Juni 2021. 

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