Fräulein Flora

Architekturtage Salzburg: Wenn Gebäude sterben

Wir haben anlässlich der Architekturtage 2016 die ehemalige Riedenburgkaserne besucht und eine Gruppe junger Menschen getroffen, die einem verstorbenen Gebäude neues Leben einhaucht.

Zuerst widersetzt sich das Gras der militärischen Ordnung. Dann geht eine Scheibe zu Bruch. Und noch eine. Ein rostiges Schild spricht eine Warnung aus, die niemand mehr hören wird. Wände werden unsichtbar. Aus der Riedenburgkaserne ist ein Leerstand geworden. Wir spazieren unbehelligt durch den einst streng bewachten Kasernenhof. Kein 18-jähriger in Uniform fragt nach Passierscheinen, die wir nicht besitzen. Du flößt uns keine Angst mehr ein. Du bist ein in die Jahre gekommener Boxer. Ein bisschen hast du unser Mitleid.

An die Flüchtlinge, die hier vor einigen Monaten untergebracht waren, erinnert kaum noch etwas. Bald werden hier Neubauten entstehen – Wohnraum für über tausend Menschen. Und dann werden die Älteren beim Vorbeigehen ihren Kindern erzählen „Als ich so alt war wie du, ist hier noch die Riedenburgkaserne gestanden.“ Die Alten, das sind dann wir.

Als der Leerstand nicht mehr leer stand

Bevor es soweit ist, kehrt in die verlassene Kaserne noch einmal Leben ein: In dem alten Backsteingebäude, das früher als Stall diente, finden von 2. bis 4. Juni die Architekturtage 2016 statt. Wo einst Rekruten vergattert wurden, wird dann drei Tage lang verhandelt, welche Bedeutung Architektur in unserer Gesellschaft hat.

Hauptverantwortlich für das Programm ist die junge Salzburgerin Eva-Maria Brunnauer von der Initiative Architektur. Seit einem halben Jahr arbeitet sie mit ihrem Team an der Vorbereitung. Aber erst seit ein paar Tagen werkt sie Tag und Nacht in dem alten Backsteingebäude. Aus Holzgerippen werden Tische, Bänke und eine Bar. Der Raum wird neu: Aus dem in die Jahre gekommenen Boxer mit den erschlafften Männertitten wird für ein paar Tage ein Hipster. Dann kann man hier Performances anschauen, Poetry Slammern zuhören und an Diskussionen teilnehmen. Wir überreden Eva-Maria und ihre Kollegen zu einer Rauchpause. Sie erklären uns, wie man sterbende Räume reanimiert.

Das Motto der Architekturtage 2016 lautet Werte & Haltung – Das leisten wir uns. Eva-Maria zieht an ihrer Tschick und erklärt uns, was das bedeutet: „Architektur hört ja nicht beim Gebäude an sich auf. Es geht immer auch um die Frage, wie wir Raum nutzen. Und da spielt Essen und Trinken genauso eine Rolle wie Musik, Tanz oder gesellschaftliches Engagement“. Man muss nur schauen, wo man steht, um das zu verstehen: Innerhalb von drei Jahren ist ein und der selbe Bau eine Kaserne, eine Flüchtlingsunterkunft und ein Festivalgelände gewesen.

Was sich bei den Architekturtagen tut

Die meisten Veranstaltungen der Architekturtage 2016 finden in der Riedenburgkaserne statt. Aber nicht alle: Am Programm stehen Stadtspaziergänge, eine Dumpster-Tour mit anschließendem Waste-Cooking, Performances und sogar ein Poetry Slam. Und es findet ein ganz besonderes Dinner „von der Schale bis zum Kern“ statt. Los geht es am Donnerstag, den 2. Juni mit einem großen Eröffnungsfest.

„Mein Highlight?“, schulterzuckt Eva-Maria auf unsere Frage zurück und tut sich schwer mit der Antwort. „Vielleicht ist das der Vortrag am Freitagnachmittag, in dem es um die Wahrnehmung von Architektur geht“. Leicht ist es wirklich nicht, es tut sich einfach zu viel an den drei Tagen. Vorbeikommen ist irgendwie Pflicht – und sei es nur, um sich die Kaserne anzuschauen, die keine mehr ist. Man muss ja nicht salutieren.

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