Wir sind mit einem Fahrrad ohne Bremsen vom Gaisberg gefahren

Gaisberg

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Warum rollt man freiwillig mit einem Rad ohne Bremsen von einem Berg? Wie fühlt es sich an, sich mit einem solchen Bike mitten in den Salzburger Berufs-Verkehr zu stürzen? Und woher kommt der „Fixie-Hype“ überhaupt? Wir haben Alex bei einem seiner waghalsigen Ausflüge auf den Gaisberg begleitet und nachgefragt.

Anmerkung der Autorin: Nachmachen ist ausdrücklich nicht ratsam! Es sei denn, ihr findet den Dr.-Franz-Rehrlplatz 5 eine geile Adresse, wo ihr mal ein paar Tage oder Wochen in der Horizontalen, mit schön eingegipsten Extremitäten garniert, verbringen möchtet.

Ein Mann, ein Bike, eine Mission

Es ist Freitag Nachmittag, die Sonne scheint und wir stehen bei der Zistelalm am Gaisberg. Alex macht sich bereit für die Abfahrt – ohne Gang und Bremse. Uns ist alleine schon beim Gedanken daran mulmig. Eines ist klar: Für eine solche Mission braucht es echt Eier. Du musst der Typ Mensch sein, der nicht nur gerne an die Grenzen geht, sondern sie auch gerne mal von der anderen Seite anschaut. Und last but not least: Du musst dein Bike wirklich beherrschen!

Der Gaisberg ruft!

Dass Alex genügend Schmalz und das nötige technische Know How hat, wird uns beim kurzen Lagegespräch auf der Zistelalm klar: Wer solche Wadeln hat, hat sie nicht umsonst. Statt einer mechanischen Bremse wird Alex mit seinen Beinen voll in die Pedale bzw. dagegen treten – Bremsen mit 100 % Wadl-Schmalz also. So will er heil durch alle Kurven hinab bis ins Tal kommen. Wir mit dem Auto und einer Go Pro auf der Motorhaube hinterher.

Je näher wir der ersten Kurve kommen, umso mehr fragen wir uns ernsthaft, wie er da wieder heil rauskommen will.

Kurz vor dem Start gesteht uns Alex, den wir schon seit seiner Kurier-Zeit in Salzburg kennen, dass er jetzt „direkt a bisserl nervös“ sei. Der Adrenalin-Spiegel kurz vor dem Start steigt allerdings bei uns allen. „Wird er wirklich heil da runter kommen?“ Alex nestelt noch schnell einen Schraubenzieher aus seinem Rucksack. Ein letzter kurzer Check, ob alle Schrauben fest sitzen, ein Schluck Wasser. Schnell schießen wir noch ein paar Fotos – wer weiß, ob das Model nachher noch so unversehrt ausschaut?

Go Pro einschalten, letzte Anweisungen und Alex zieht an unserem Auto vorbei und haxelt sich in Richtung erster Kurve. Dabei wird er immer schneller, so schnell, dass wir echt Gas geben müssen, um ihm überhaupt nachzukommen. Unser Tacho zeigt schon mehr als 50 km/h. Echt verrückt das Ganze und auch für uns im Auto Adrenalin pur! Je näher wir der ersten Kurve kommen, umso mehr fragen wir uns ernsthaft, wie er da wieder heil rauskommen will. Der erste Zwischenfall lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Aber, alles der Reihe nach.

Was zum Teufel ist ein Fixie?

Fixie ist eigentlich eine Abkürzung und leitet sich vom Englischen Fixed Gear ab, was auf Deutsch so viel wie starre Nabe bedeutet. Und das wiederum heißt, dass das Ritzl (also das Ding mit den Zacken, wo die Kette dranhängt), fix mit dem Laufrad verschraubt ist, erklärt uns der Fixie-Freak aus Oberndorf. Die Pedale drehen sich mit den Laufrädern also immer mit, es gibt praktisch keinen Freilauf. „Durch diesen runden Tritt hat man ein ganz anderes Gefühl für das Rad. Das Rad ist unheimlich aggressiv und wendig und du fährst halt immer auf Zug“, schwärmt Alex. Außerdem seien für ihn Fixies, oder eben auch so genannte Bahnräder, in den verschiedensten Ausführungen und Farben, das „Schönste was es gibt“. Und das ganz ohne Technik Schnick Schnack, reduziert auf das Wesentliche.

Ein Fixie spielt alle „Stückln“

Ohne Leerlauf lassen sich mit einem Fixie deshalb jede Menge Kunststücke machen: z.B. Rückwärts fahren im Kreis, ein so genannter Wheelie. Für Radboten sehr praktisch: An der roten Ampel kann man länger im Stand bleiben, ohne absteigen zu müssen, (Track Standing). „Man kann im Prinzip alles machen mit der starren Nabe“ bringt es Alex auf den Punkt. Das Fixie quasi als quirliges Zirkuspferd und der Fahrer darauf als stolzer Artist in der Manege – so lange alles gut geht jedenfalls.

Auf das Fixie ist Alex in London gekommen, wo er vor ca. 12 Jahren zum ersten Mal war und die jungen Radkuriere damals mit den coolen Bikes durch die City düsen sah. Seitdem haben ihn die Fixies und dieser besondere „Spirit“, der von ihnen ausgeht, nicht mehr losgelassen.

In den Fängen des Gaisbergs

Aber jetzt zurück zu unserer Bike-Mission: Alex zieht uns mit seinem Fixie eiskalt davon. Jedes Mal, wenn er mit voller Kraft gegen die Pedale tritt, um zu bremsen, zieht ein Rucken durch das Rad, das für einen kurzen Moment quer zu stehen scheint. Man kann die Kräfte, die hier entstehen, förmlich spüren. Alex kommt mit seinem Bike oft gefährlich weit nach links, überschreitet auch mal die Mittellinie. Die Blicke der raufkeuchenden Rennrad-und Mountainbiker sprechen Bände.

Wir denken uns nur: Coole Sau!

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Und gerade, als wir mit dem Auto wieder einigermaßen hinter Alex sind, passiert es: Er gibt uns mit seiner rechten Hand ein Zeichen, dass wir stehen bleiben sollen. Alex tritt daraufhin voll gegen die Pedale … ein Bein dabei gestreckt, das Rad stellt sich leicht quer. Dieser Moment hat seltsamerweise etwas Elegantes. Wir halten den Atem an und hoffen, dass alles gut geht bei diesem waghalsigen Bremsmanöver. Hinter sich zieht Alex eine fette Bremsspur nach und es geht zum Glück fast alles gut.

Durch die Wucht des Bremsens hat sich das Ritzl beim Rückrad von selbst gelöst! Alex hat es zum Glück rechtzeitig bemerkt und uns gestoppt. Aber was nun? Ist die Mission Gaisberg jetzt schon frühzeitig vorbei? Wir überlegen, ob wir die nächste Bike-Werkstatt anfahren sollen – Alex legt lieber selbst Hand an, zieht das Ritzl wieder mit seinem eigenen Werkzeug an und: es hält! Ob er sich wirklich weiterfahren traue, fragen wir. Sicher, warum nicht?

Wie alles begann

Fixies sind zwar heute in der Szene total angesagt und Hipster fahren sie in den großen Städten in allen möglichen und unmöglichen Farben und Formen. Sie haben aber eine längere Geschichte, als man eigentlich glauben möchte, erzählt uns Alex. Das ursprüngliche Fahrrad hatte noch keine Gangschaltung, das heißt auch die ersten Radrennen Anfang des 20. Jahrhunderts wurden von den Profis im Grunde mit Fixies bestritten, auch die Tour de France. Damals waren weder Mechaniker erlaubt, noch Labstellen an der Rennstrecke üblich. Viele Fahrer tranken lieber ihren mitgebrachten Wein, der, im Gegensatz zu so manchem Wasser am Wegrand, zumindest nicht verunreinigt war.

Das Beispiel von einem französischen Radrennfahrer spricht Bände: Eugène Christophe war 1913 als Gesamtführender bei der Tour de France gut im Rennen, als plötzlich mitten in den Pyrenäen seine Radgabel brach. Was tun? Zu Fuß kämpfte er sich 14 Kilometer zum nächsten Bergdorf mit einer Schmiede durch, wo er die Gabel selbst zusammenschweißen musste. Schräges Detail am Rande: Weil ein Kind dabei einen Blasebalg bedient hatte, gab‘s noch einen Extra-Punkteabzug. Ein Sieg war da natürlich schon in weite Ferne gerückt. Christophe wurde am Ende Siebenter in der Gesamtwertung. Er hat die Tour de France auch in Folge nie gewonnen. Aber sein eiserner Wille hat ihm dennoch einen Eintrag in den Geschichtsbüchern beschert.

Mit High Speed auf den Spuren von Mozart

Das Techniktraining mit seinem Fixie hat Alex in seiner wilden Zeit als Radkurier auf den Straßen Salzburgs praktisch automatisch absolviert: Inmitten von hupenden Taxis, keuchenden Bussen, Autolawinen und darunter ein paar, fast schon gestrandet anmutende Kutschen mit Pferdegespann, als Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit.

Eine Randgruppe seien die Fahrrad-Kuriere in Salzburg, erklärt Alex. Kein Vergleich zu New York, London oder auch Berlin, wo du quasi jede Minute einen „Bike Messenger“ vorbeidüsen siehst und es gleich mehrere große Botendienste gibt. Früher, in den 90er Jahren seien sie noch mehr gewesen. Mittlerweile scheint der mitunter harte und unterbezahlte Job nur mehr wenige zu reizen, nicht einmal mehr die Salzburger Studenten. Dafür gibt es neue Blüten des Kurierdaseins, die mit großen Lastenrädern ausgestattet, auch mehr transportieren können. Geschwindigkeit ist dabei natürlich nebensächlich!

Mission completed!

Zurück zum Gaisberg! Am Ende ist unser Fixie-Fahrer übrigens heil ins Tal gekommen. Und so viel können wir auch sagen: Mit einem ordentlichen Vorsprung auf uns mit dem Auto. Wir haben Alex am Ende ziehen lassen und ihn aus der Ferne im Abendrot verschwinden sehen. Danach hat er sich noch in den Salzburger Berufsverkehr gestürzt, in Erinnerung an die guten alten Kurierzeiten. Dabei haben wir ihn erst gar nicht versucht, mit dem Auto zu verfolgen. Eine Go Pro auf seinem Lenker hat diese Arbeit für uns erledigt.

Unser Fazit: Eines haben wir an diesem Nachmittag gelernt: Fixie fahren ist sehr viel mehr als nur Radfahren. Es ist Leidenschaft, es ist „Eins werden mit dem Rad“, der „Spirit“ eben, meint Alex, während es ihm einen breiten Schmunzler aufs Gesicht zaubert.

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