„Wie bin ich so geworden, wie ich bin?
Mhm. Ich bin ein altes Landei, von einem Bauernhof. Aufgewachsen mit zwei kleinen Geschwistern und einem Haufen Tieren. Das hat mich schon sehr geprägt. Was sicher auch viel ausmacht, ist, dass ich die älteste Schwester bin. Und irgendwie schon viel Verantwortung übernommen habe, ich dazu tendiere, auf alle zu schauen. Das kommt glaub ich daher. Und sonst, generell, das Umfeld, die Menschen, mit denen ich konfrontiert worden bin. Sei’s auf lange Zeit oder auf kurze. Ich glaube, das hat alles so seinen Einfluss genommen.“
Und jetzt bist knapp Mitte 20, arbeitest seit gut vier Jahren im selben Unternehmen, machst nebenbei deinen Bachelor. Das hört sich nach viel an, wie siehst du das?
Kurz zu den Rahmenbedingungen. Ich arbeite 25 Stunden, auf drei Tage aufgeteilt und nebenbei versuche ich gerade, meinen Bachelor hingeschissen zu kriegen. Ich bin eh nicht die Paradestudentin, ich hab mir immer gesagt: Ok, ich geh arbeiten und studiere nebenbei.
Frage von Millennial an Gen Z: Ihr habt doch den Ruf, recht faul zu sein. Sind alle deine Kolleg*innen so unterwegs wie du?
Ich finde, es schwankt, es geht extrem in zwei Richtungen, speziell bei Leuten in meinem Alter. Die einen nützen die Studienzeit voll aus, um sich selbst zu finden und sich kreativ auszuleben. Sie versuchen, etwas vom Leben mitzukriegen, reisen viel, whatever. Und dann gibt’s die, die so hardcore in der Hustle Culture sind, die hier ein Praktikum gemacht haben und dort, und alles für den Lebenslauf tun, voll reinhackeln. Ich schweb irgendwo dazwischen und muss ehrlich sagen: Ich schwanke auch voll. In der einen Woche denke ich mir: Ich lege jetzt den Grundstein für meine Karriere und ich will mich raufarbeiten, will irgendwas werden. Weil, wenn ich nicht jetzt anfange, dann komm ich nicht hinterher. Und dann wieder denk ich mir: Mit dem, was ich jetzt mache, kann ich eigentlich recht gemütlich und komfortabel leben, speziell, wenn ich dann Vollzeit arbeite. Warum reicht mir das nicht einfach?
Ich hab nicht wenig Zeit und ich hab sicher mehr Zeit als jemand, der Vollzeit arbeitet. Und dann kommt oft die Frage auf: Mmh, hast du dir das so verdient, wie das gerade ist?
Warum reicht es dir nicht?
Ich kann nicht mal sagen, dass ich es so vorgelebt gekriegt habe, weil meine Eltern lower middle class sind, würde man, glaub ich, sagen. Auf der anderen Seite: Vielleicht genau dadurch eben schon. So, dass ich mir denke: Ich mach mehr, ich bring’s noch ein Stück weiter. Auch Social Media leistet da bestimmt seinen Beitrag. Weil man immer sieht, was die anderen für tolle Sachen machen, was sich die anderen in jungen Jahren erarbeitet haben. Es ist alles irgendwie auf Leistung ausgelegt, ganz stark. In meinem Hinterkopf lebt ein schlechtes Gewissen, das sagt: He, du könntest eigentlich noch mehr machen. Weil: Ich hab nicht wenig Zeit und ich hab sicher mehr Zeit als jemand, der Vollzeit arbeitet. Und dann kommt oft die Frage auf: Mmh, hast du dir das so verdient, wie das gerade ist?
Da kommt uns dieses Buch in den Sinn, „Generation Angst“. Darin geht’s um die Frage, ob Gen Z durch den frühzeitigen Umgang mit Social Media mehr zu Angststörungen und Depressionen neigt. Wie siehst du das?
Bei mir, mit jetzt 24, war Social Media erst ein thing, als ich 14 oder 15 war. Am Anfang ganz plump auf Facebook, da hat man sich irgendwelche „Du bist“-Sätze auf die Pinnwand gepostet. Dann ist Instagram gekommen, eher so um 2015. Das heißt, die ersten Jahre meiner Pubertät bin ich da noch gut ausgekommen, aber es ist schon so, dass in meinem Bekanntenkreis die Mehrheit in meinem Alter irgendwelche psychischen Wehwehchen hat. Ganz klar, da gibt’s wenige, die sagen, sie sind komplett stabil.
Jetzt ist es so, dass man sich mehr zeigen kann und mehr zu seinen Macken stehen kann.
Vielleicht aber auch deswegen, weil man es jetzt mehr sagen darf, oder?
Ich glaub, die Awareness und Präsenz ist größer geworden, das ist auch gut so, auf jeden Fall. Früher hat man das vielleicht weggeboxt, einfach, dass man in der Gesellschaft nicht auffällig wird. Jetzt ist es so, dass man sich mehr zeigen kann und mehr zu seinen Macken stehen kann.
Was regt dich momentan am meisten auf?
Ich bin so ein Mensch, der sich gefühlt über alles aufregt, meistens mit so einem kurzen Rage-Anfall. Was regt mich wirklich auf? (denkt nach). Außer Männer (lacht). Ich würd schon sagen, feministische Themen, auch queere Themen, das betrifft mich beides. Und ich merkt es auch beruflich, was ich voll arg finde: Ich mach das jetzt fast vier Jahre, aber es ist auffällig, dass ich von Kollegen, außerhalb meiner Firma – und ich sag jetzt bewusst Kollegen, oft nicht ganz ernst genommen werde. Da werden alle um mich herum gesiezt und dann kommt bei einer Pressekonferenz einer zu mir und sagt: He du! Also nicht ‚He du‘, aber er duzt mich halt einfach ganz frech. Eigentlich könnte mir das egal sein, aber ich denk mir: Wir sind alle aus dem selben Grund dort, haben alle den gleichen Stellenwert und warum werde ich wie ein junges Mädchen behandelt? Und dann regen mich generell Ungerechtigkeiten in allen Bereichen auf. Und gerade auch ganz stark, was sich politisch in unserem Land tut. Weil es auch ein bissi scary ist, ehrlich gesagt.
"Ich glaub, wir sind schon zu viel gewohnt."
Vielen ist das aber so wuascht. Wieso ist uns immer alles so schnell egal?
Meine Theorie, als jemand, der in den Medien arbeitet: Wir stumpfen ab. Wir hören was Schlimmes, am Anfang bist du voll shook und am nächsten Tag kommt wieder eine Nachricht, die noch schlimmer ist und du bist schon nicht mehr so schockiert. Und so geht’s halt dann weiter. Wir hatten gerade ein riesen Hochwasser, aber es ist schon wieder so: Ja, ist eh vorbei, alles gut gegangen. Ich glaub, wir sind schon zu viel gewohnt.
Wie findest du eigentlich diese Generationen-Einteilungen? Von Millenial zu Gen Z?
Das ist ein Dünger für Vorurteile. Gerade bei meiner Generation, der Gen Z, wird immer gesagt: Die wollen einfach nicht mehr arbeiten. Das ist dieses Aushängeschild unserer Generation. Ich weiß gar nicht, was es bei Millennials ist. Doch: Dass alles beige ist.
Aber gerade bei dir stimmt die Arbeitsverweigerung ja gar nicht. Oder fällt dir das alles einfach leicht?
Easy ist es nicht. Aber jetzt gerade denk ich mir: Der Job, den ich gern mache und der mich erfüllt, fügt sich in mein Leben ein. Und ich muss nicht mein Leben um den Job bauen, so, wie das vielleicht bei den Millennials oder den Boomern ist/war. Das ist aber so ein angenehmes Lebensgefühl, irgendwie. Auch wenn es mich manchmal stresst, mit der Uni nebenbei und dem Gedanken, dass ich mehr tun sollte.
"Man braucht manchmal von innerhalb und außerhalb eine kleine Stimme, die sagt: Sicher kannst du das, stell dich nicht so an!"
Hast du nie Zweifel?
Ja, doch, oft habe ich Versagensängste, stell mir die die Frage: Bin ich genug? Und ehrlicherweise ganz viele Unsicherheiten. Ich bin gerade letztens nach Wien gefahren, zu einem Interview und dann fünf Minuten vor dieser Tür gestanden, ich war so nervös. Und hab mir gedacht: Oh Gott, was mach ich? Ich bin so nervös, kann ich das, mach ich das jetzt? Nervosität und Versagensängste sind bei mir nie ganz weg. Ich war in Wien schon wirklich kurz davor, wieder abzuhauen. Es ist vielleicht nicht der richtige Weg, das zu machen, aber meistens schreib ich in solchen Situationen meiner Freundin: He, Maus, ich kack mich gleich an und sie ist echt gut im Aufbauen. Man braucht manchmal von innerhalb und außerhalb eine kleine Stimme, die sagt: Sicher kannst du das, stell dich nicht so an!
Findest du Scheitern in Ordnung?
Ich bin ein paar mal im Leben fett auf die Schnauze gefallen. Für mich damals das Schlimmste überhaupt: Ich musste in der Schule eine Klasse wiederholen und ich war aber immer dieses Kind, wo alle gesagt haben: „Die tut sich so leicht.“ . Und dann bin ich vor dieser Situation gestanden, dass ich durchgeflogen bin. Und ich hab mir gedacht, ich werd nicht mehr! Es war rückblickend aber das Beste, das mir passieren konnte. Ich hab das Jahr so gebraucht, damit sich in meiner Entwicklung noch etwas tut und ich einen Plan kriege, was ich mit meinem Leben anfangen will.
Noch eine Weisheit zum Abschluss?
Man soll sich nicht so viel vergleichen. Ich muss mich da auch an der Nase nehmen, es ist so verlockend, zu sagen: Die anderen sind viel besser oder machen coolere Sachen. Aber wozu? That’s it, glaub ich.