Wenn die Freundschaft Generationen überbrückt

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Warum das Alter in Freundschaften wuascht sein sollte

Über Freundschaften mit großem Altersunterschied wird bisher wenig gesprochen und geforscht. Schade eigentlich: Sie könnten in der Zukunft unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen.

In der Schule, in der Ausbildung und im Studium schließen wir statistisch gesehen am raschesten Freundschaften. Da werden Sitznachbar*innen zu unseren Vertrauten und Seminarteilnehmer*innen zu Leidensgenoss*innen im Prüfungssaal. Was die Wissenschaft außerdem über die Freundschaft erzählen kann: Als Twenty-Something besitzen wir den größten Freundeskreis in unserem Leben, danach geht es kontinuierlich abwärts, bis in den Fünfzigern nach Familie und Beruf im besten Fall ein kleiner, feiner Kreis übrigbleibt und uns vor der Alterseinsamkeit bewahrt. Wichtige Grundvoraussetzung dabei ist Ähnlichkeit, und die kommt meistens innerhalb derselben Generation auf. Daneben gibt es aber auch Freundschaften, die sich dieser Statistik widersetzen, wo sich Menschen schätzen lernen, die füreinander eigentlich zu alt oder zu jung wären.

Zwischen Alex und Brunhilde liegen 17 Lebensjahre

Dazu zählen auch Alex und Brunhilde. Zwischen den beiden Frauen liegen 17 Lebensjahre, Alex ist Anfang 30, Brunhilde 50. Kennengelernt haben sie sich vor einigen Jahren bei einer beruflichen Fortbildung. Das war für Alex gerade keine einfache Lebensphase, sagt sie. Und Brunhilde erzählt: „Wir sind uns gegenseitig aufgefallen, das war an einem Mittwoch; am Freitag habe ich sie gefragt, ob sie was trinken gehen mag und sie hat zugesagt.“ Seit jenem Freitag vor einigen Jahren sind Alex und Brunhilde beste Freundinnen geworden und unzertrennlich. Brunhilde schätzt an Alex ihre Feinfühligkeit, ihr ehrliches Interesse an den Menschen und, dass sie zuhören kann. Alex findet Brunhilde unabhängig, zuverlässig und unverstellt. Gemeinsam unternehmen die beiden viel, reden über alles. Dass Alex Themen wie Mutterschaft nicht verstehen kann, da sie keine eigenen Erfahrungen dazu hat, während Brunhilde Mutter einer erwachsenen Tochter ist, steht nicht zwischen ihnen, findet Brunhilde. „Sie horcht zu und stellt Fragen und so entsteht ein Gespräch.“

Welche Faktoren Freundschaft begünstigen

Damit Freundschaften entstehen können, gibt es begünstigende Faktoren. Nähe ist so ein wichtiger Faktor, im räumlichen Sinne, aber auch bei Erfahrungen und im Beruf. Prinzipiell ist auch Alter ein wichtiger Nähefaktor, der beim Kennenlernen meist sehr schnell ins Auge sticht. Menschen im gleichen Alter fühlen wir uns unmittelbar zugehörig. Und Nähe schafft nun mal Verbundenheit, ein Grundbedürfnis des Menschen. So erklärt es Anna Moser vom Fachbereich Psychologie an der Uni Salzburg. Sie forscht im Bereich Coaching und Mediation. Außerdem fragt sie nach dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und wie man Einzelpersonen in Gruppen integrieren kann. Daneben betreut sie ein Mentoringprogramm an der Uni, bei dem ältere Studierende Erstsemestrige im Studium begleiten. Auch dort beobachtet sie, dass sich sehr wohl Freundschaften zwischen den Seniorstudierenden und den Erstis bilden.

„Man wird sich nicht aufgrund des Alters treffen, sondern aufgrund anderer verbindender Elemente, wo ich Lust habe, diese Nähe zu vertiefen.“

Weil Nähe bei einem großen Altersunterschied also ausbleibt, nehmen dafür qualitativ stärkere Faktoren wie Interessen und Werte mehr Raum ein, sagt Moser: „Man wird sich nicht aufgrund des Alters treffen, sondern aufgrund anderer verbindender Elemente, wo ich Lust habe, diese Nähe zu vertiefen. Da finden tiefe Gespräche statt und der Austausch ist ein anderer, als wenn man diese Nähe als selbstverständlich annimmt.“ Dass man so wenig über das Thema weiß, vermutet sie auch in der Beobachtung, dass viele altersübergreifende Freundschaften nicht als solche ausgemacht werden. „Oft wird beispielsweise der Onkel als Mentor wahrgenommen, aber nicht als Freund verstanden. Deswegen ist es vermutlich schwierig, Daten zu finden“, sagt Moser.

In Freundschaften mit großem Altersunterschied sieht die Wissenschaftlerin dennoch große Chancen.

Im Prinzip ist das Generationsübergreifende oft komplementär, und die Menschen können voneinander profitieren. „Ein junger Mensch will sich vielleicht Informationen von einem älteren einholen, ältere Menschen wollen Erfahrungen teilen.“ Den Altersaustausch, wie sie es nennt, sieht Moser als großen Vorteil für beide Seiten. Ältere Menschen könnten so ihr Denken ändern und lockerer werden, wenn sie sich Inspirationen von einer anderen Generation suchen und gleichzeitig sieht sie auch in jüngeren Generationen ein Bedürfnis nach gelebter Erfahrung, das so gestillt werden könnte.

Alex nennt das „Alterswurschtigkeit“, diese Art von Sicherheit, die man mit dem Erfahrungsschatz des Alters bekommt. Ihre ältere Freundin zeichne eine abgeklärte Lockerheit aus, die sich Alex von ihr abschauen könne. „Mit Anfang 20 hätte ich schon gerne von jemandem gehört, dass ein gewisses Problem in zehn Jahren eh niemanden interessiert und ich mir deshalb keine Sorgen machen muss“, lacht sie. Im Gegenzug dazu sagt Brunhilde, dass sie mit Alex ihre Jugend ein Stück weit nachholen könne. Damals war Brunhildes Mutter krank, und sie hatte als Älteste die Pflege von der Mutter und den drei Geschwistern übernommen. „Ich habe meine Mutter beschützt, weil sie ohne mich nicht klargekommen wäre und mir verboten, zu pubertieren“, erzählt sie. Mit Alex spricht sie über ernste Themen und über Nagellack, geht mit ihr feiern und ins Freibad. Für Brunhilde ist Alex die beste Freundin geworden, die sie nie hatte; wie eine Schwester, aber nicht unbedingt eine jüngere. Sie empfindet ihr gegenüber etwas mütterlich-Wohlwollendes. Und auch Alex kann sich im Vergleich mit der Geschwisterliebe wiederfinden: Als Einzelkind sieht sie vielleicht in Brunhilde eine Art große Schwester, die sie nie hatte, vermutet sie.

„In normalen Freundschaften können wir uns darüber unterhalten, was gerade in unserem Alltag passiert. Das geht in diesen Freundschaften oft nicht so leicht. Man sucht anderen, gemeinsame Themen. Die Gestaltung dieser Freundschaften ist anspruchsvoller und deshalb möglicherweise intensiver.“

Es kann für beide gewinnbringend sein, solche Freundschaften mit großem Altersunterschied einzugehen, sagt Wolfang Krüger, deutscher Psychotherapeut und Buchautor. Zwar bestehe die Gefahr, dass in dieser Freundschaft ein Machtgefälle entstehe, derselbe Grund, weshalb Freundschaften zwischen Chef*in und Angestellten selten gut funktionieren. Außerdem sei durch die fehlende Nähe im Alter so eine Freundschaft erstmal Erschwernis und tendenziell eine Ausnahmeerscheinung. Trotzdem findet auch Krüger positive Seiten in einem großen Altersunterschied, sodass daraus eine besondere Freundschaft werden kann: „In normalen Freundschaften können wir uns darüber unterhalten, was gerade in unserem Alltag passiert. Das geht in diesen Freundschaften oft nicht so leicht. Man sucht anderen, gemeinsame Themen. Die Gestaltung dieser Freundschaften ist anspruchsvoller und deshalb möglicherweise intensiver.“

In seiner Praxis in Berlin arbeitet Wolfgang Krüger mit Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, an Ängsten leiden oder deren Beziehung ins Straucheln geraten ist. Auch Freundschaft ist dort ein Thema. Er hat dazu auch einen Ratgeber verfasst. Darin schreibt er, was Freundschaften ausmacht, wie sie sich entwickeln und wie man Konflikten begegnet. Aus eigener Erfahrung weiß auch Wolfgang Krüger, dass es sehr wenig Forschung über generationenübergreifende Freundschaft, ja, Freundschaft überhaupt gibt. Dabei leben wir in einer Blütezeit der Freundschaft, sagt Krüger, so wichtig wie heutzutage war das Thema noch nie: Während Familien brüchiger werden, sehnen wir uns nach verbindlichen Beziehungen, die uns dennoch Freiraum zugestehen. Diesen Platz nimmt die Freundschaft ein. Dennoch wurde diese Beziehung in der Wissenschaft nur wie die kleine Schwester der Liebe behandelt, sagt Krüger. Aber langsam ändert sich das. Krüger merkt das, weil immer mehr Fachjournale bei ihm um Artikel anfragen.

Auch für Freundschaft zwischen verschiedenen Generationen scheint das Interesse zu wachsen.

In den letzten Jahren sind sich Politik und Stadtentwicklung der Wichtigkeit von Austausch zwischen den Generationen zunehmend bewusst geworden. So werden weltweit diverse Wohnformate und Projekte mit Alt und Jung gefördert: Mehrgenerationenhäuser, Wohngemeinschaften zwischen Studierenden und Senior*innen beispielsweise und altersdurchmischte Siedlungsgemeinschaften. Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits 2007 einen 80 Seiten starken Guide mit Tipps zu „Age-friendly Cities“, zu generationenkompatiblen Städten herausgegeben. Und in Salzburg findet sich ein Projekt des Generationenwohnens namens „Rosa Zukunft“ von der Wohn- und Siedlungsgenossenschaft „die salzburg“.

Für Wolfgang Krüger sind diese Modellprojekte sehr begrüßenswert, auch wenn sie noch im kleinen Rahmen geprobt werden, wie er sagt.

Dass das Generationenwohnen eine Wohnform der Zukunft sein wird, liegt auch an gesellschaftlichen Entwicklungen. „Bis vor zehn, 20 Jahren haben sich Frauen aufgeopfert und ihre Ehemänner im Alter gepflegt. Das werden sie in Zukunft aber nicht mehr tun. Wir müssen Modelle entwickeln, um das Altern innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen und über Pflegeheime und Familien hinausgehen“, erklärt Krüger. Er selbst verbringe den Sommer meist in einer Laubenkolonie, dicht an dicht mit Menschen jeden Alters, und unterstützt darüber hinaus Begegnungsstätten zwischen den Generationen. Denn Wolfgang Krüger ist überzeugt: Von solchen Modellen können alle Beteiligten profitieren. Die Älteren, weil sie mitgenommen werden vom jugendlichen Elan. Und die Jungen, weil sie in den Älteren einen Großelternersatz finden können und erfahrene Ansprechpartner.

„In der Komplementarität liegen Chancen, aber es ist oft aufwendig, das anzugehen“

Anna Moser von der Uni Salzburg erzählt, dass Wohnen nicht die einzige Möglichkeit ist, Menschen anderer Generationen kennenzulernen. In den meisten Studienfächern sei die Altersgruppe zwar sehr homogen, aber spätere Freundschaften im Leben können immer noch im beruflichen Kontext entstehen, durch gemeinsame Hobbies, Interessen oder im Ehrenamt etwa. Dass generationenübergreifende Freundschaften ein Thema für die Zukunft sind, das hält auch sie für wünschenswert. „In der Komplementarität liegen Chancen, aber es ist oft aufwendig, das anzugehen“, sagt sie. In ihrem eigenen Mentoringprogramm stellt sie fest, dass das Angebot von jungen Menschen gern genutzt wird. Derartige Programme könne man weiterentwickeln, überlegt Moser.

Brunhilde und Alex haben gelernt, ihre Freundschaft in ihrer Besonderheit und Seltenheit wertzuschätzen. Alex sagt, dass sie und Brunhilde ein gemeinsamer Referenzrahmen verbindet. Dadurch, dass sie oft mit denselben Problemen kämpfen oder gekämpft haben, fühlen sie sich verbunden. Und Brunhilde findet ohnehin, dass Freundschaft alterslos ist. Wolfgang Krüger ist der Meinung, dass in Freundschaften auch das seelische Alter eine Rolle spielt. „Es geht darum, welches Herzklopfen einer hat, wieviel Neugierde und wie die Aufbruchsstimmung ist.“ Wenn man also jemandem begegnet und sich dieser Person verbunden fühlt, sollte man dieser Begegnung nachgehen, sagt er, Alter egal.

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