Weeds – Das Geschäft mit dem Gras

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In Salzburgs Head- und Growshops wird nicht gelogen. Niemand kann Marihuana im Hinterstübchen erwerben und sich über erfolgreiche Verarbeitung beraten lassen. Dazu wird geschwiegen, denn Reden über Marihuana ist hier per Gesetz verboten. Das Geschäft mit dem Gras wird so zu ei­nem skurrilen Balanceakt zwischen Reden und Schweigen.

Fotos: Jasmin Walter Photography

Sebi trägt seine Rastahaare zu einem ordentlichen Knoten gebunden. Wir sitzen im „Schall und Rauch“ in Bergheim und schauen ihm zu, wie er sich fein säuberlich eine Zigarette dreht. Eine einfache Zigarette, weil niemand der Ange­stellten während der Arbeitszeit was rauchen darf. Das wäre idiotisch, sagt er. ,,Ihr könnt sicher sein, dass man im ganzen Shop nichts Illegales finden kann. Sonst würde sich der Laden kein Jahr halten.“

Weed-Salzburg

Sebi ist im „Schall und Rauch“ der Shopleiter. Verkauft werden Rauchutensilien wie Bongs und Wasserpfeifen. Weiter hinten Erde, Dünger und Beleuchtung, ein Gar­tenmarkt fürs Hanfgärtnern. Hanf selbst kann man hier keinen kaufen. Dafür aber die Pflanze in ihrer ur­sprünglichsten Form: Als Samen in einem Kühlschrank. Zum Preis von 50 Euro und mehr. Viele der Samen sind Sammlerstücke, Hanfsamen­sammeln ist ein Kult geworden.

„Ihr könnt sicher sein, dass man im ganzen Shop nichts Illegales finden kann. Sonst würde sich der Laden kein  Jahr halten.“

Hanfsamen verkaufen ist in Ös­terreich gesetzlich erlaubt. Gras ist hier etwas nicht Greifbares, wie der Duft, den es verströmt und deren Urheber man meistens nicht fin­den kann. Eigentlich geht es nur um die Blüte, sagt Sebi. Man darf den Hanf nicht zur Blüte bringen. Und Sebi darf seinerseits der Kundschaft nicht erklären, wie das geht. Aber eigentlich ist es noch komplizier­ter: Das Gesetz sieht vor, dass man der Kundschaft nicht erklären darf, dass man die Blüten abschneiden kann und wie man Suchtgift daraus macht.

Manchmal sorgt dieses Rede­verbot für unangenehme Situati­onen in Sebis Alltag. Etwa dann, wenn Kund*innen Informationen, die sie nicht bekommen dürfen, hartnäckig einfordern. In solchen Fällen empfiehlt er ihnen dann Al­leswisser Google. Mehr kann er nicht machen. Es ist ein Katz- und Mausspiel. Vor allem dann, wenn Zivilpolizist*innen dumme Fragen stellen: ,,Wieviel krieg ich da rein?“ Dann ist die Standardantwort: 15g Zucker, 15g Mehl. ,,Aber die ma­chen auch nur ihren Job“, meint Sebi und zuckt mit den Schultern.

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© Jasmin Walter

Die meisten Kund*innen wis­sen genau, was sie wollen. Wie der junge Mann, der sich eine 400 Euro Bong gönnt, als wir durch den Shop bummeln. Viele sind Deutsche, die mal eben über die Grenze fahren, Samen kaufen. Und weil der Besitz auf der anderen Seite der Grenze verboten ist, wird der Samen im Semmerl versteckt. Ansonsten re­präsentieren die Leute, die hier ein und aus gehen, einen Querschnitt durch die Gesellschaft. Vom Berg­bauern bis zum Rechtsradikalen, Anwalt und Pensionisten, die Ma­rihuana als Hanf aus ihrer jugend­lichen Hausapotheke kennen.

„Boa, hast du schöne Dreads!“

Und natürlich Klischeekiffer. Sebi grinst. „Boa, hast du schöne Dreads“, hört er fünfmal am Tag. Sebi selbst glaubt an die Heilwir­kung von Gras. Mit 18 hatte er ei­nen schweren Tumor, seitdem habe er durchgehend geraucht. Das hat ihm massiv gegen den Tumor ge­holfen, davon ist er überzeugt. Mit den Jahren hat er viele Menschen kennengelernt, die ähnlich positive Erfahrungen mit Marihuana ge­macht haben wie er. Sowas gehört supportet, findet er, aber das darf er nicht. Er darf nicht wissen, was die Menschen mit dem Hanf machen, dessen Samen er verkauft. Das ist oft nervenaufreibend. Vielleicht wird sich die Situation ändern, wer weiß. In Deutschland wurde vor kurzem Medizinalhanf freigegeben. Aber in Österreich ticken die Uhren anders.

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© Jasmin Walter

Standortwechsel: Im „Plants- 4friends“ begegnet man uns mit mehr Offenheit. Mehr Offenheit heißt auch weniger Vorsicht. Ro­land, Geschäftsführer, ist sich des Risikos bewusst. ,Jeden Tag sind wir mit unserer Beratung zu Hanf mit einem Fuß im Gefängnis. Wenn ich dir sage, was du mit der Hanfpflanze anstellen kannst, kann ein schlauer Richter herkommen und mich vor Gericht zerren“, weil: ,,medizinisch ist Hanf der Burner“.

Ein Allheilmittel, und es gibt kein billigeres. Früher gab es Opiate mit Nebenwirkungen, heute löst sie der Hanf als Schmerzmittel ab. Aber wenn Roland mir, rein hypothetisch, erklären würde, dass der Konsum von Hanf gegen Migräne, Regelschmerzen, alle Arten von Schmerzen helfen könnte, macht er sich strafbar. ,,Ich darf dir nicht sagen, dass die Pflanze eigentlich voll was Gutes ist. Das Gute ist in der Blüte. Und es ist illegal, dass ich dich über die Blüte aufkläre.“

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© Jasmin Walter

Vor einem Jahr hat Roland seinen Growshop in Sam eröffnet. Aus der eigenen Tasche, weil die Bank ihm keine Unterstützung zusicherte. Eine Bank braucht Bilanzen, Startups unterstützt sie nicht gern. Ob das damit zu tun haben könnte, dass hier eine Hanfpflanzenzucht eröffnet wurde? Bestimmt nicht. Roland hat seinen Growshop in einer Rechtslücke platziert. Der Anbau von Hanfpflanzen ist in Österreich legal, sofern nicht suggeriert wird, dass aus der Pflanze Illegales gemacht werden kann. Deshalb findet man hier auch nichts für den Endkonsum von Marihuana: Bongs, Papes, Grinder. Nur grüne Hanfpflanzen, die süßen Duft verströmen. Roland hatte alles mit seinem Rechtsanwalt abgeklärt. Einmal hat ihn die Polizei besucht und war begeistert. Salzburg lebt da­mit. Es weiß, dass hier nichts Illega­les getan wird.

Roland selbst ist Unternehmer, Familienvater, Businessman in Hemd und Pullover. Hanf ist sein Geschäft. Baut für sich selbst nichts an, konsumiert nichts. Und ist be­geistert von Hanf: Er glaubt an eine große Zukunft der Pflanze. Und man versteht, dass er hier nicht „kleine Kiffer informieren“ will, sondern über medizinische Visionen spricht.

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© Jasmin Walter

Roland träumt von High-End-Hanf, sobald er in Österreich legalisiert wird. Er will fertige Hanfprodukte verkaufen können. Medizinische Hanfprodukte. Einen Shop, wo man von der Blüte bis zur Schokolade alles verkaufen kann. Für ihn ist es okay, wenn THC verschreibungs­pflichtig ist. Wenn es wie in Israel in der Apotheke in einem abgeschirm­ten Bereich erhältlich ist. ,,Du könntest weinen, wenn du erlebst, dass dir jemand aus Dankbarkeit einen Kuchen vorbeibringt.“

Aber das würde die Pharmaindustrie Millio­nen kosten. Er erzählt mir von der Frau mit dem Kuchen. Sie litt seit ihrer Jugend an Angstdepressionen und konsumierte jeden Tag fünf bis sechs Medikamente. Seit sie CPD-Öl, gewonnen aus der Hanf­pflanze, schluckt, nimmt sie kein einziges Medikament mehr. Das ist aber nur CPD, nicht das verbotene THC. Jeder kann sich ausrechnen: Wenn Hanf boomt, würde das die Pharmaindustrie Millionen kosten.

„Einmal hat ihn die Polizei besucht und war begeistert.“

Wenn jemand in den Shop kommt und keine Ahnung von Hanf hat, weiß er, dass derjeni­ge es aus medizinischen Gründen braucht. „Da kommen Familien, die für die Oma anbauen. Die ha­ben keine Ahnung. Und die fragen dann, wie und was. Und du kannst eh nur sagen, informier dich an­derweitig.“ Trotzdem fragen viele weiter, berichten über ihre Leiden, fragen, welche Pflanze sie nehmen sollen. Rolands Angestellte haben die strikte Anweisung, keine Bera­tung zu tätigen. Dazu gibt es einen Laptopbildschirm. Hier kann sich, wer will, auf der amerikanischen Homepage „leafly.com“ über Hanf­pflanzen fortbilden. Sortiert nach medizinischer Wirkung und Effek­ten, positiven und negativen. Wir suchen: happy und creative, gegen Stress. Die Homepage empfiehlt uns ein Pflänzchen mit dem Namen ,,White Widow“. Roland hat mir dazu nichts gesagt. Er ist ein Meis­ter im Katz- und Mausspiel.

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Aber ab und zu will er nicht mehr Versteckspielen. Weil es wichtig ist, dass jemand sich traut dazu zu stehen. Wenn man ihn vor Gericht zerrt, weil er sagt, dass die Blüte was Gutes wäre, hofft er darauf, dass Journalist*innen auf den Zug aufspringen und sich hin­ter ihn stellen. „Ein Mensch, der versucht, anderen Menschen zu helfen, den verurteilt man? Wir helfen Millionen Flüchtlingen, die daheim verfolgt werden und helfen selbstlos. Und auch wenn wir sa­gen, es kommen manchmal Krimi­nelle mit, wir helfen trotzdem. Und jetzt hilft irgendeiner jemandem, der krank ist und da fängt man an, zu verurteilen?“ Und deshalb, setzt er fort, hat er genug davon. Er will jetzt aufrütteln. Das ist „Vollgas Ri­siko“, das weiß er.

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