Eigentlich paradox:
“Alte” Menschen, also Menschen über 65 Jahren, machen den größten Anteil unserer Gesellschaft aus. Weil viele von ihnen nicht mehr aktiv am Arbeitsleben teilnehmen (können), wir in unterschiedlichen Kreisen unterwegs sind, viele Personen nach und nach weniger am Sozialleben teilnehmen (können), kriegen wir von ihnen – außerhalb unserer Familien – wenig mit. Sie werden für uns unsichtbar.
Gleichzeitig haben wir kürzlich in einer Ausgabe der MIT Tech Review gelesen, dass in den USA die Longevity-Forschung, also die Forschung zur Verlängerung und Verbesserung eines langen Lebens regelrecht eskaliert. Wer will denn noch länger leben, wenn das Leben im Alter so schwer ist? Oder anders gefragt: Wie kann man sich aufs Altern vorbereiten, sich vielleicht darauf freuen? Und was trägt die Altersmedizin dazu bei?
"Die Arbeit in der Pflege hat mich verändert. Ich habe viele Menschen begleiten dürfen, die das Alter als etwas sehr Positives empfunden haben."
“Wir wissen, wir altern”, sagt Claudia Schwab. Oder anders: “Wir dürfen älter werden.”
Künftig, das wissen wir auch, wird es mehr alte Menschen als junge geben. Medial wird diskutiert, wie sich dieses Verhältnis auf den Generationenvertrag auswirken wird, was diese Entwicklungen z. B. für Pensionen der heute Jungen bedeutet. Für Claudia als Pflegeperson ist eine andere Frage interessant: “Wie können wir ältere Menschen so begleiten, dass sie möglichst lange gesund und autonom bleiben?”


Alt werden ist nicht automatisch ein Synonym für Krankwerden. Aber ja, die Wahrscheinlichkeit, krank zu werden, steigt.
Wenn ältere Menschen krank werden, dann dauert es in der Regel länger, bis sie wieder fit sind. “Eine Hüft-OP kann bei einem 40-jährigen Menschen und bei einem 80-jährigen Menschen durchgeführt werden, medizinisch macht das keinen großen Unterschied. Was aber den Heilungsprozess betrifft, wird dieser beim älteren Menschen längere Zeit in Anspruch nehmen.“ Und dieses „bisschen mehr Zeit“ wollen Claudia und ihr Team ihren Patient*innen verschaffen.
Mehr Zeit lassen, Zeitfresser vermeiden
„Patient*innen, die zu uns nach St. Veit kommen, haben schon eine Operation oder eine Erst-Behandlung hinter sich“, sagt Claudia. Wir lassen ihnen ein bis zwei Tage Zeit, um sich zu orientieren. Und dann starten wir mit dem sogenannten IAM Assessment“, ein Vorgang, den Claudia auf wissenschaftlicher Basis, umfassender Recherche und Hospitanzen konzipiert hat. IAM steht für Innovative Altersmedizin. Das Besondere daran? „Dass die Patient*innen ganzheitlich angeschaut und bei Problemstellungen direkt an Fachpersonal weitervermittelt werden“, sagt Claudia Schwab. Dabei geht es um vermeintlich selbstverständliche Fragen, wie die nach der Wohnsituation: Gibt es Stiegen, von welcher Seite steigt der Patient/die Patientin ins eigene Bett? Gibt es eine soziales Netzwerk, das frisch Entlassene unterstützt? Wo ist der nächste Supermarkt und wie kommen die Patient*innen dorthin? Wie schaut es mit den Finanzen aus? Fragen nach Schmerzen, Kognition, mögliche Inkontinenz oder nach dem Ernährungszustand, aber auch: Wie schaut es mit der psychischen Gesundheit aus?
Advanced Practice Nurses (APN) sind Pflegepersonen, die in spezialisierten Versorgungsfeldern tätig werden oder sich bestimmten Patient*innengruppen widmen.
Speziell der letzte Punkt hat uns interessiert.
Denn, „man geht davon aus, dass jeder zweite Mensch ab 65 Jahren von zumindest einer leichten Depression betroffen ist“, sagt Claudia. Die Dunkelziffer ist viel höher. „Ich würde sagen, das ist ein sehr hoher Anteil, dem muss man sich unbedingt annehmen.“ Auch, weil man diese Krankheit gut begleiten kann.
Was ist das Geheimnis der IAM, Claudia? Und wie schafft ihr es, trotz Ressourcengrenzen, auf die Heilungsdauer von Patient*innen Rücksicht zu nehmen?
Auch in St. Veit ist die Aufenthaltsdauer beschränkt, eines aber ist anders. Durch den patient*innen-orientierten und durchstrukturierten Zugang der IAM, wird den Patient*innen zuerst genau zugehört. Aus den Gesprächen erfahren Pflegepersonen Informationen, die zum Schlüssel in der Behandlung werden können. Ein Beispiel aus Claudias Berufsleben: Ein Mann wollte einfach nicht essen, alles wurde probiert. Durch viele Gespräche mit ihm und Angehörigen kam heraus, dass er zuhause nur einmal täglich, um 16 Uhr, ein Mahl zu sich nahm. In Kooperation mit der Küche wurde die Essenszeit für diesen Patienten verschoben, er begann wieder zu essen. Viele solche Beispiele erzählt uns Claudia, bevor wir sie fragen, wie sich das rein ressourcenmäßig ausgeht.
Natürlich gelten auch in St. Veit Vorgaben. 14 Tage soll die Aufenthaltsdauer maximal sein, im Durchschnitt bleiben Patient*innen 12,5 Tage. „Wir führen diesen Erfolg auf unser gezieltes Angebot zurück“, sagt Claudia. Es sei nicht so, dass wichtige Infos nicht auch vor der Einführung der IAM irgendwann rausgekommen wären, aber: „Jetzt kommen sie ganz am Anfang des Aufenthaltes und nicht erst am zweiten oder dritten Tag. Alles Zeit, die man jetzt auf Behandlungen und Training aufwenden kann.“ Um sich selbst ein Bild zu machen, fahren Pflegepersonen auch, gemeinsam mit den Patient*innen, zu ihren Wohnungen und schauen sich an, was „trainiert“ gehört, von welcher Seite eine Person ins Bett einsteigt oder wieviele Stufen es bis zur Haustür sind. Alles Sachen, die man sich als junger Mensch nicht überlegt, oder?

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Sich aufs Altwerden vorbereiten. Oder sogar freuen. Wann sollen wir damit starten?
So früh wie möglich, sagt Claudia. Aber es ist schwierig. „Kann man sich als 20-Jährige vorstellen, wie es mit 60 ist? Kann ich mir mit 40 vorstellen, wie es mit 60 ist?“ Eigentlich altern wir ab der Geburt täglich. Ein Schlüssel ist die Einstellung zum Alter. Wenn ich dem Prozess positiv begegne, wenn ich sage, ich darf alt werden, trage ich vielleicht eher zu meiner eigenen Gesundheit bei. „Ich beschäftige mich beruflich mit dem Altern und trotzdem habe ich erst in den letzten Jahren begonnen, auf mein körperliches Wohlbefinden zu achten.“ Sich mit dem Altwerden beschäftigen, sich bewusst zu werden, dass man das eigene Leben selbst gestalten darf, auch im Alter, führt nicht zu einer Garantie, gesund zu bleiben, sagt Claudia. Es führe aber dazu, dass man die Herausforderungen, die bei jedem*r kommen (können), besser zu bewältigen.

Claudia Schwab hat vieles schon erlebt.
Nach ihrem beruflichen Start in der Gastronomie hat sich Claudia entschieden, in der Versorgung von älteren Menschen arbeiten zu wollen und sich zur Pflegeassistenz ausbilden lassen. Später folgten eine Diplomausbildung und ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium und Master-Studium im Studiengang „Advanced Nursing Practice (ANP)“. Aktuell befindet sich Claudia im berufsbegleitenden Doktoratsstudium. Es ist schön zu sehen, mit welcher Entschlossenheit sich Claudia dieser Patient*innengruppe widmet, das ist uns irgendwie wichtig, zu sagen.
Schleichwerbung, nein danke!
Wir nehmen für unsere redaktionelle Berichterstattung niemals Geld an. Werbung gibt es beim Fräulein, aber selten. Wenn wir Werbung machen, steht das außerdem ganz klar im Titel und nicht irgendwo versteckt – deswegen ist es uns wichtig, dass ihr wisst: Dieser Artikel ist in schöner Zusammenarbeit mit den Salzburger Landeskliniken entstanden. Danke, dass ihr euch so viel Mühe gebt!