Am Anfang, sagt Anna, hat sich alles um die Frage gedreht: Wie kann ich etwas aufhübschen? Interior-Design war ihr Hauptinteresse am Design & Produktmanagement-Studium. Bis sie gemerkt hat: Design bestimmt alles. Die Größe des Handybildschirmes, die Höhe des Stuhls, auf dem ich sitze. Die Nutzbarkeit meiner Küche. Gutes Design ist intuitiv: Wenn ich eine Sonnenbrille nehme, ist das Design so gut, dass ich sofort weiß, wo die Bügel sitzen müssen. Erklärt sich die Nutzung schwierig, ist das Design schlecht.
Den Studierenden wird beigebracht: Wenn ihr etwas ändern wollt, dann ändert es. Deswegen studiert ihr hier.
Seit Anna an der FH studiert, gerät sie täglich in Situationen, in denen sie sich denkt: Das könnte man besser machen. ´Sie selbst ist oft zu klein – zu klein, um bequem an die Pedale im Auto zu reichen, zu kleine Hände für die gängigen Smartphones, zu klein, um gemütlich auf einem durchschnittlichen Stuhl zu sitzen. Alles Beispiele für ein Problem, das unter dem Begriff „Gender Shift“ zusammengefasst wird: Design ist oft von Männern für Männer gemacht. Und deswegen unpassend für eine Zielgruppe – Frauen.
Ein Thema, das zwar nicht sexy, aber sehr notwendig ist, sind Toiletten. „Für ein Projekt habe ich mir überlegt, was meine persönlichen pain points sind. Und dabei bin ich auf Toiletten gekommen. Die sind einfach nicht auf Frauen ausgerichtet. Zu hoch, im öffentlichen Raum viel zu wenige. Ist man auf einem Festival, trinkt man lieber einen Shot statt Wasser, um die langen Schlangen vorm Klo zu vermeiden – und fordert eine Dehydrierung heraus. Hier wird Design auch zu einem Gesundheitsthema“, sagt Anna.
Design ist also nicht nur das Gestalten von schönen, teuren, neuen Dingen, die man eigentlich nicht braucht.
Design, meint Günther Grall, ist das Konzept hinter dem Produkt und gleichzeitig hinter dem Unternehmen. Es geht um Haltung, es geht um Markenbewusstsein. Design ist mittendrinnen. Das Wissen über den Markt und die Kund*innen ist essentiell. Ist dieses nicht vorhanden, stochern wir im luftleeren Raum.
Deswegen ist eine der wichtigsten Aufgaben im Designprozess, die Kund*innen, die Zielgruppe kennenzulernen, über sie Bescheid zu wissen. Der Research nimmt einen beträchtlichen Teil der Designarbeit ein. Und ist auch der Lieblingspart von Anna.
"Der Designer ist der Anwalt des Kunden und nicht nur der Gewinn-Maximierer der Industrie. Design hat eine ethische Komponente. Unser Hebel im Design is gewaltig."
Günther Grall, leitet den Studiengang „Design und Produktmanagement“
Was sind die pain points? Passt das, was man in der Theorie annimmt, mit der Praxis zusammen? Funktioniert das am Ende auch?
Bevor ein Produkt oder ein Service überhaupt designed werden kann, muss man verstehen: Für wen mache ich das jetzt eigentlich? Man spricht mit Menschen, mit der Familie zuerst und mit Freund*innen. Dann merkt man vielleicht: Sie haben das gleiche Problem. Aber stört sie vielleicht ein anderer Aspekt? Umfragen im Kleinen also und dann im Großen. Kennt man die Zielgruppe, gibt’s unzählige andere Dinge abzuklären: Welcher Stoff soll verwendet werden, welches Material, wie ist die Nutzung praktikabel, was könnte stören? Produkttesting ist wichtig an der FH. Und auch der Grund, warum in den Werkschauen der letzten Jahre, die wir in Form von Katalogen durchblättern, so wenig Schmarrn zu sehen ist.
Design und Nachhaltigkeit – wie geht das?
Moment, aber … wir leben ja immer noch in einem kapitalistischen System, das auf Wachstum basiert. Wie kann Design in dieser Umgebung nachhaltig sein? „Designer haben immer schon gewusst, dass sie die größten Müllproduzenten der Welt sind. Einfach deswegen, weil sie Produkte so begehrlich machen, dass die Leute sie haben wollen, selbst wenn sie bereits ein gleichwertiges, funktionierendes Produkt besitzen“, sagt Günther Grall. Dabei ist Langlebigkeit eine der wichtigsten Nachhaltigkeitsstrategien. Dass in Kuchl Kreislaufwirtschaft das ultimative Ziel ist, bewertet er als durch und durch positiv. Sind die Produkte im Kreislauf, hat man weniger Probleme. Ein abbaubarer Anzuchttopf oder Werkzeuge mit modularen Lösungen – in Kuchl trifft man auf Studierende, denen Nachhaltigkeit wichtig ist und die große Ideen entwickeln. Wie die eine Studentin, die für ihre Masterarbeit eine Zeit mit Massai gelebt hat, um dort der Frage nachzugehen, was es braucht, um die Speisekanister, in denen Wasser transportiert wird, so zu gestalten, dass Bakterien durch Sonnenenergie abgetötet werden können.
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Designer*innen sind sensibel,
sie haben eine Art Seismograf für Gestalt und Nutzung, sagt Günther Grall. Ein umständliches Produkt, eine unpassende Schrift, das tut Designer*innen weh. Herauszufinden, ob man ein*e Designer*in ist, ist ganz leicht. Ihr müsst euch nur für einen Studienplatz bewerben. Weil: Im gemeinsamen Gespräch wird viel klar und man merkt, wie es um die Empathie der Bewerber*innen steht.
Die Aufnahmeprüfung, findet Günther Grall, ist die schwierigste Prüfung im Studium. Und ab da geht es drum, ob die Produkte, die man gestaltet, einen Sinn haben. Dass man sich einlässt darauf, das Problem einer Marke zu finden und zu definieren, um ein Produkt zu verbessern oder eines zu gestaltet, dass der Zielgruppe einen Mehrwert bietet. Wie zum Beispiel eine Toilette, die nicht zu hoch ist für 50 Prozent der Nutzer*innen.
Die drei Vertiefung vom Studiengang „Design und Produktmanagement“:
Wer sich für den Studiengang entscheidet, wird mit folgenden drei Vertiefung in Berührung kommen: Möbeldesign, Interior Design und Industrial Design. Vielleicht geht es euch wie Anna und ihr denkt euch, ma, Interior Design ist es, das will ich mein Leben lang machen. Und dann geht ihr mit einer neuen Liebe für Industrial Design in die Arbeitswelt hinaus. Weil, wie heißt es so schön: Probieren geht durchs Studieren.