Und das bringt mich direkt zum Alpha und Omega aller Ängste. Gleichzeitig universal, gleichzeitig auch speziell salzburgerisch: Die Angst vor dem Tod.
Der Tod ist zwar angeblich ein Wiener, aber ich glaub‘ er war gebürtig eigentlich ein Salzburger, der zum Studieren nach Wien gegangen, und dann einfach dort pickengeblieben ist.
Das Stadtbild prägend hiergeblieben sind jedenfalls viele unglückliche Schriftsteller-Lebensgeschichten, barockes Memento Mori an jeder Ecke und viele Landmarken, die von Leuten gesetzt wurden, die sich für unsterblich hielten. Damals halt umtriebige Bischöfe, heute Getränkemagnaten mit starkem Ego.
Dass Salzburg also ein morbides Terrain ist, muss man niemandem weiter erklären, glaub ich. Aber wer sich trotzdem ein Bild machen will, geht am besten jetzt im November mal durch einen Friedhof nach Wahl oder die Getreidegasse. Ist sich beides inzwischen eh recht ähnlich.
Wer nicht tot ist, steht in Salzburg vor einem riesigen Problem. Man muss irgendwo wohnen. Hier kommt direkt die nächste Salzburger Angst: Die Angst vor der Mietwohnungssuche.
Fast nirgendwo in Österreich ist bei der Wohnungssuche so viel reines Glück involviert, wie in Salzburg. Man vergisst auf willhaben zwischen all den Studentenhits für 1500 Euro fast, dass ein Dach über dem Kopf eigentlich ein Menschenrecht ist. Sollte man zu den Auserwählten zählen, die zumindest eine 2-Zimmer-Wohnung zum erschwinglichen Preis gefunden haben, kommt die nächste Angst ins Spiel: Die Angst vor der Mietvertragsverlängerungswillkür.
Werde ich in 3 Jahren noch weiterwohnen dürfen? Muss ich in mein Auto ziehen, falls ich mir sowas überhaupt noch leiste? Großes Schulterzucken an der Stelle.


Unsicherheit schafft große Angst. Und ähnlich unsicher wie Mietvertragsverlängerungen sind in Salzburg noch ganz andere Dinge.
Das Wetter etwa. Bräuchte es mal wieder Regen, kann man sich einer Hitzewelle sicher sein (looking at you Salzburger Föhnphänomen). Die Klimakatastrophe, die gefühlt allen mittlerweile wurscht ist, tut ihr übriges dazu, sodass Wetterprognosen zunehmend unbrauchbar werden.
Auch notorisch unzuverlässig: Die Abfahrzeiten der O-Busse im Stadtgebiet. Wartet man beispielsweise verzweifelt auf den 1er, weil man eine Stunde vor Ladenschluss noch zum Ikea Duftkerzen kaufen muss, kann man sicher sein, dass zwei Fünfer und einer Richtung Polizeidirektion kommen.

(Symbolbild: Ein Mensch während der Klimakatastrophe, wie er einfach nur Duftkerzenkaufenfahren will)
Auch gut: Die Angst, jemandem über den Weg zu laufen, den man nicht mehr kennen will.
Wer sich dann, weil er/sie den Bus verpasst hat und nicht shoppen kann, zwangsläufig zum Zeitvertreib unter die Leute begibt, ist mit einer anders gearteten Salzburger Angst konfrontiert: Die Angst, jemandem über den Weg zu laufen, den man nicht mehr kennen will. Die große Kaffigkeit Salzburgs hat es leider an sich, dass es nur ca. 3 Bars gibt, in die man gehen kann. Wenn man dann auch noch jeden dort unfreiwillig über 4 Ecken kennt, ist das ein recipe for disaster, das wiederholt die friedvolle Balance der Verdrängung aus dem Gleichgewicht bringen kann. Kopfkino an vergangene, peinliche Situationen für Stunden.

Symbolbild: RIP Kebapgusto

Symbolbild: eine angenehm menschenleere Bar.
Peinlich ist es auch, im öffentlichen Raum in Salzburg aufs Klo zu müssen. Auch davor kann man Angst haben, denn es fehlen öffentliche Toiletten en masse.
Zusatzangst, die sich hier direkt anschließt: Die Angst bei einem sommerabendlichen Dosenbiertreffen an der Salzach beim Wildpinkeln erwischt zu werden. Entweder von irgendwelchen Spannern oder vom Freund und Helfer, der das Ganze dann zu einer Amtshandlung werden lässt.
Wer nun dem Glauben erliegt, dass ein kleiner Snack zwischen all diesen Salzburger Ängsten vielleicht die Nerven beruhigt, irrt sich. Auch die elementarste Ersatzbefriedigung des kleinen Mannes, das Essen, kann einem hier buchstäblich verdorben werden. Denn die Angst, sich simultan mit einem spätnächtlichen Saufhunger-Kebap eine Lebensmittelvergiftung zu holen, ging vor kurzem in der Stadt um. Grund? Ein unerwünschtes Fäkalbakterientopping. „Einmal mit scharf“ bekommt hier eine ganz eigene Note.

Kein Bär, aber Großwild, das man andernorts entnehmen könnte.
Apropos Fleisch:
Nicht nur verwöhnte Städter*innen sind Fleischtiger, sondern auch so mancher Bär oder Wolf.
Um den Salzburgerinnen und Salzburgern nun die äußerst lebensnahe und realistische Angst davor zu nehmen, in Siedlungs- oder Almnähe so zu enden wie Rotkäppchens Oma oder Leonardo DiCaprio in „The Revenant“, ist es der aktuellen Landesjagdbeauftragten ein persönliches Anliegen, solche Problemtiere prophylaktisch zu „entnehmen“. Dafür kann man sich – vor allem als Frau – wirklich nur bedanken, denn bekanntlich sind Bären das wahre Problem im Alltag, weshalb viele Frauen im Wald auch lieber Männern als Bären begegnen würden. Darauf gleich mal einen peppig-frechen Kurzhaarschnitt machen lassen und im Trophäenkeller die Büchse ölen.
Beim Wort „Kurzhaarschnitt“ muss ich direkt an den vor einigen Monaten umgehenden Kopfhautpilz denken, der vor ein paar Monaten einiges an unfreiwilligem Medienwert für Barbershops in ganz Salzburg generiert haben dürfte. Die Angst, sich so einen zu holen, war bei vielen, die während Corona nicht gelernt haben, wie man sich selber Tiktok-gerecht taper-fadet, vermutlich präsent. Scary.
Zum Schluss noch was für die lieben Kleinen:
Wer seinen Kindern ein paar nachhaltige Erinnerungen einpflanzen will, schickt sie zu den grausigen Marionetten im Marionettentheater, in die Dinosaurierhalle oder die Ethnoabteilung im Haus der Natur. Generationen von Salzburger*innen ging hier vermutlich als Kind der Reis.
Für alle Eltern, die ihren Kindern lieber an der frischen Luft psychologischen Schaden mitgeben wollen: Die Zwerge im Zwergerlgarten sind bei näherer Betrachtung eigentlich auch nicht ohne.

Salzburger Ethno-Horror

Bonusangst. Und zwar eine, die weitaus weniger whimsical ist als irre Zwergengesichter aus Stein oder Kramperlmasken.
Eine Angst, die wir eigentlich alle haben sollten: Dass gewisse Aspekte der Geschichte sich wiederholen. Die Angst vor dem schwarzbrauntürkisblauen Gespenst, das umgeht. Und zwar nicht nur als diffuse Angst, sondern als etwas, das zum Entstehungszeitpunkt dieser Zeilen faktisch eine handlungsfähige Mehrheit im Nationalrat hätte. Das ist einerseits ein großer Jumpscare und andererseits auch nicht.

Symbolbild: mood momentan
Und vielleicht das Gruseligste überhaupt: Ein Übel weit aus der Ferne kommen sehen, aber nicht gegensteuern können, während es am Horizont immer größer wird, immer näher und näher kommt…
Und plötzlich da ist.
Happy Halloween. Die nächsten fünf Jahre lang.

Schiaches Salzburg” ist unser Außenposten fürs Unangenehme und bringt laufend neue Krach- und Sachgeschichten aus SBG.
Gefunden haben wir diesen Account auf Instagram, wo er als @schiaches.salzburg die halbschattigen Seiten der Stadt herzeigt. Was es dort gibt? Found objects, Kurioses aus dem öffentlichen Raum und andere schiache Sachen aus der schönsten Stadt Österreichs. Immer mit im Gepäck? Gesunder Grant, absurder Humor und Sinn für Unsinn.