Roller Derby in Salzburg: Punk auf Rollschuhen

Roller Derby_Jasmin Walter

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Wenn Frauen* auf Rollschuhen im Oval fahren und sich währenddessen verprügeln, spricht man von Roller Derby. Das hat eine lange Geschichte – die Frauen* auf Rollschuhen, nicht das Verprügeln – und wurde in den frühen Zweitausendern von der Riot Grrrl-Punkbewegung wieder aufgegriffen. Roller Derby ist sportlicher Non-Konformismus. Es rebelliert gegen Körpernormen und Sexismus, richtet sich an Frauen und ist eng an feministische Ideen gekoppelt. Was anfangs eine Show zur Massenunterhaltung war, ist heute ein Sport mit politischem Charakter. Also doch mehr, als nur Frauen* auf Rollschuhen, die sich verprügeln.

Fotos: Jasmin Walter Photography

Anfangs, in den 1930er Jahren, war es ein Sechstagerennen auf Rollschuhen in Chicago. Leo Seltzer, Begründer dieser ersten Generation von Roller Derby, lernte aber sehr bald, dass sich das Publikum besonders an Rempeleien der Spieler*innen erfreute, und schrieb die Regeln um. Die Publikumswirkung ließ nicht lange auf sich warten: In den nächsten 40 Jahren entwickelte sich ein ungeahnter Fankultus um die Sportart, professionelle Teams spielten in ausverkauften Stadien in den USA und feierten ihr Sportler*innendasein. Bis Roller Derby schließlich in den Siebzigerjahren wieder im Sand verebbte, um 30 Jahre später dank den Riot Grrrls seine Renaissance zu erleben.

Durch sie hat Roller Derby auch seinen Weg nach Europa gefunden. Und nach Österreich: Die Teams aus Wien und Graz sind schon ganz groß, mittlerweile rührt sich auch in Salzburg langsam was. Das blutjunge Team vor Ort nennt sich SBG KNOCKouts und kommt gerade frisch aus der Vereinsgründung. Trainiert wird in der Sporthalle der Neuen Mittelschule Nonntal, wo man sich jeden Donnerstag trifft, um gemeinsam auf Rollschuhen zu üben. „Wir haben ja anfangs nur auf diversen Parkplätzen trainiert. Da mussten wir immer warten, bis der Spar geschlossen hatte und wir den Parkplatz nutzen konnten. Jetzt haben wir eine Halle und können ordentlich trainieren“, erklärt Burning Molly und packt Rollschuhe und Sturzschutz aus. Das mit dem Tarnnamen ist auch so ein Kapitel für sich. „Es ist einfach verdammt cool, sich selbstbestimmt einen Namen auszusuchen.“ Die Umkleidekabine weckt Erinnerungen an den Schulsportunterricht, ist gefüllt mit jugendlichem Schweiß und Verhaltensregeln an den Wänden. Bald treten auch die anderen ein, sie nennen sich dann Koma Kathi, Shell B. Riot und T-T-TTORITT. Die anderen warten noch auf die Eingebung für den Namen.

Die Ausrüstung haben sie jedenfalls schon, das sind bunte Helme, Knie- und Ellbogenschützer, bei manchen schon etwas abgenutzt, und naürlich Rollschuhe. Im Unterschied zu Inlineskates besitzen diese parallele Rollen. Gemeinsam betreten die Spielerinnen ihre Halle und schnallen besagte Rollschuhe an, um dann die ersten Runden auf dem mit Linien bemalten Holzboden zu drehen. Aufstehen ohne hinzufallen hieß die erste Lektion, aber da sind sie längst schon drüber.

„Es geht um Basisdemokratie, Teams supporten sich innerhalb und untereinander. Nur Hawara brauchen wir keine“, sagt Burning Molly.

Alles, was sie über Roller Derby wissen, haben sich Burning Molly und Co selbst beigebracht. Das gehört sich so, denn Roller Derby ist ein Do it Yourself- Sport. Verschiedene Übungen haben sie sich von Videos abgeschaut, das Training geschieht anschließend im Gespräch. Burning Molly hat einen Notizzettel bei sich, erklärt die Übungen, die anderen probieren sie aus. Dazu gehört anfängliches Slalomfahren und den Crossover-Schritt trainieren: Die Beine werden überkreuzt, ihn zu beherrschen ist vor allem in den Kurven von Vorteil. Das Training macht sichtlich Spaß. Ab und an fällt jemand zu Boden, dann gibt es in der Schulsporthalle ein dumpfes Poltern, gepaart mit Lachen. Die Frauen* unterstützen sich gegenseitig, auch das ist Teil des Grundgedankens von Roller Derby. „Es geht um Basisdemokratie, Teams supporten sich innerhalb und untereinander. Nur Hawara brauchen wir keine“, sagt Burning Molly und lacht. Die können es höchstens zum Schiedsrichter bringen. Denn ein weiterer Grundgedanke von Roller Derby ist es, dass er hauptsächlich von Frauen*, Inter und Transpersonen ausgeübt wird.

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Roller Derby will die gesamte Bandbreite des Frauseins in seinem Sport abdecken. „Frauen*, die sich immer schminken und Personen, die sich nur als Kostüm schminken zum Beispiel. Dass es ein Frauensport ist, liegt aber auch daran, dass wir keine Männerdomäne erst zurückerobern mussten. Roller Derby hat von Anfang an uns gehört.“ In den Vereinigten Staaten übernehmen die Männer die Rolle des Fanpublikums, männliche Cheerleader wedeln in den Pausen mit Pompons. In Wien haben sich etwa die männlichen Fearleaders Vienna schon einen Namen gemacht.

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Zurück in der Sporthalle der Neuen Mittelschule Nonntal beginnt der zweite Teil: Blocktraining ist angesagt. Zeit für den Mundschutz. Die Blocker*innen sind im richtigen Spiel zu viert und versuchen, die fünfte Spielerin des gegnerischen Teams daran zu hindern, an ihnen vorbeizuziehen. Im Salzburger Verein versucht man den Scrimmage, wie das Durchbrechen genannt wird, in Zweierkonstellation. Die Frauen* drängen aneinander vorbei und Rollschuhe klacken auf dem Holzboden.

„Allzu zimperlich darf man nicht sein und auf jeden Fall muss man Sturze in Kauf nehmen wollen.“

Da kann es manchmal auch brutaler zugehen und der Mundschutz ist nicht verkehrt. Natürlich gibt es dabei Regeln, so ist der Körperkontakt auf Hüften, Schultern und Vorderkörper beschränkt. Ein Vollkontaktsport mit hoher Verletzungsgefahr bleibt Roller Derby dennoch. „Allzu zimperlich darf man nicht sein und auf jeden Fall muss man Stürze in Kauf nehmen wollen. Aber ich bin selbst eher schmerzempfindlich“, sagt Burning Molly. Sie ist klein und zierlich. Auf Rollschuhen könne sie dennoch was erreichen, immerhin sei sie wendig und schnell. Außerdem gehe es beim Roller Derby auch um Taktik. „Und es ist lustig, weil es brutal ist“, fügt sie hinzu. Wenn der Kontakt Körper-Boden dann doch mal drastischer ausgehen sollte, gibt es immer noch den Zusammenhalt im Team: Dann fährt die Derby Wife, die beste Freundin im Team, mit der Verunglückten ins Krankenhaus. Für die Salzburg KNOCKouts ist das soweit, wenn sie die Anforderungen der Women’s Flat Track Derby Association erfüllen, eine Abprüfung der Skills, um in der österreichischen Liga mitrollen zu dürfen. Die Frauen* schnallen sich die Rollschuhe ab und ziehen sich in die Umkleidekabine zurück. Bis dahin haben sie noch ein gutes Stück Training vor sich.

Mitmachen?

Die Salzburg KNOCKouts laden alle Interessierten zu einem Probetraining ein. Das findet immer donnerstags um 20 Uhr in der Neuen Mittelschule Nonntal statt. Am besten ist es aber, ihr schaut auf der Facebook- Seite für Updates vorbei und kontaktiert das Team dort direkt.


Dieser Artikel ist zuerst im QWANT. Magazin Ausgabe 2/2018 erschienen. Ihr habt es noch nicht? Holt es euch an diesen Orten oder meldet euch für das kostenlose Abo an. 

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