Planetary Health: Die Wir-retten-die-Welt Diät

Planetary Health

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Die Planetary Health Diet soll den Planeten und unsere Gesundheit schützen. Aber ist sie alltagstauglich? Unser Autor hat versucht, eine Woche lang gesund und nachhaltig zu essen.

Nur damit das klar ist: In der Theorie möchte ich mich schon lange gesund und ressourcenschonend ernähren. Wie das geht, davon habe ich dank meiner gesundheitsbewussten Bobo-Bubble ein ungefähres Bild: Wenig rotes Fleisch, noch weniger Zucker, dafür jede Menge Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst. Soweit zur Theorie: Die gelebte Praxis sieht in meinem Fall leider anders aus. Normalerweise falle ich nach einem 12-stündigen Arbeitstag todmüde und hungrig in den nächsten Supermarkt, schlurfe wie ein Zombi durch die Regalreihen und kaufe am Ende garantiert das Falsche: Eine Leberkässemmel für den Weg nach Hause, Speck und Eier für Spaghetti Carbonara und dann als Draufgabe noch eine Riesenportion Vanilleeis mit Schokosauce. Die Klimabilanz und alle Diätolog*innen der Welt übergeben sich bei diesem Anblick gleichzeitig.

Ein Speiseplan für den Planeten und seine Menschen

Bin ich dann wieder satt, holt mich von Zeit zu Zeit das schlechte Gewissen ein. Also setze ich mich eines Abends an den Computer und gebe in Google die Suchwörter „Speiseplan gesund klimaneutral“ ein. Im Geiste sehe ich mich schon durch besserwisserischere Foodblogs und die Webseiten von spaßbefreiten Ernährungs-Gurus scrollen. Doch es kommt anders: Fast ganz oben in der Google Suche erscheint die Webseite der EAT-Lancet Commission (eatforum.org). Und die kommt erst einmal ganz ohne Zeigefinger, dafür mit jeder Menge Fakten aus. 37 Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen haben sich im Rahmen der Initiative mit einer Frage befasst: Wie können sich Milliarden Erdbewohner*innen gesund und ausreichend ernähren und dabei den Globus schonen?

„Wie können sich zehn Milliarden Erdbewohner*innen gesund und ausreichend ernähren und dabei den Globus schonen?“

Um diese Frage zu beantworten, hat EAT-Lancet einen 32-seitigen Report verfasst, der die wissenschaftlich fundierten Vorschläge für eine gesunde, gerechte und ressourcenschonende Ernährung zusammenfasst. Was mich daran positiv überrascht: Es wird nicht mit Dogmen und Heilsbotschaften gearbeitet. Statt klarer Handlungsanweisungen oder vorgefertigter Rezepte gibt der Report Richtwerte an, wie viele Mengen der Lebensmittelgruppen man pro Tag essen soll. Schließlich unterscheidet sich die Ernährung eines Mitteleuropäers von jener eines polynesischen Küstenbewohners ganz beträchtlich. Auch geht es bei der Diät nicht darum, abzunehmen. Im Gegenteil: 2.500 Kalorien pro Tag sind darin für jeden der zukünftig 10 Milliarden Erdenbewohner vorgesehen. Das reicht zwar vermutlich nicht für den Kalorienbedarf eines Schwerarbeiters, aber für einen Schreibtischtäter wie mich allemal.

Schlechte Nachrichten für Fleischfans

Ich schnappe mir den Taschenrechner und versuche, ein Gefühl für die Mengen zu bekommen, die der EAT-Lancet Report als Richtwerte ausweist. Dem Fleischtiger in mir wird dabei schwarz vor Augen: Ganze 14 Gramm rotes Fleisch dürften es im Durchschnitt pro Tag und Person sein. Das sind pro Woche für zwei Personen nicht einmal 200 Gramm Fleisch. Dafür gefühlt Unmengen an Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten. Ob das klappt? Mein Ehrgeiz ist erwacht.

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Überraschungen beim Wocheneinkauf

Ich nutze den nächsten freien Samstag für einen Wocheneinkauf nach EAT-Lancet. Und weil Regionalität eine wichtige Stütze des Konzepts ist, fahre ich nicht in den Supermarkt, sondern zum Biomarkt im Rochushof. Dort halte ich mich so genau wie möglich an die Gewichtsvorgaben, die ich auf eine Woche und für zwei Personen hochgerechnet habe. Der Praxistest wirft weitere Fragen auf: Welches Gericht kommt mit lediglich 200 Gramm rotem Fleisch für zwei Personen aus? Und wie zahlen die von mir heißgeliebten Bier und Kaffee auf die Bilanz ein?

An der Kassa bin ich einigermaßen überrascht: Trotz der Unmengen an hochqualitativen Lebensmitteln in meinem Wagen zahle ich nicht einmal 100 Euro für den Wocheneinkauf. Macht pro Tag und Person etwas mehr als 7 Euro – weit weniger, als ich normalerweise für Essen ausgebe, wenn ich alle meine Gelegenheitskäufe im Supermarkt addiere. Zuhause angekommen erstelle ich einen Kochplan für die Woche. Nächster Anfängerfehler: Den hätte ich wohl besser vor dem Einkauf geschrieben, denn es fehlen mir jede Menge kleine Beigaben und Gewürze. Nun ja, es ist ja immerhin ein Selbstversuch. Bis auf diesen Denkfehler bin ich aber einigermaßen stolz auf mich. Der Plan für meine Testwoche liest sich weder wie die Speisekarte eines Krankenhauses, noch wie die einer russischen Haftanstalt. So könnte das klappen!

>> Hier gibt’s einen Beispiel-Wochenplan zum Download <<

Planung ist die halbe Miete

Den erlaubten Fleischeinsatz investiere ich in einen Eintopf, um das meiste herauszuholen. Wenn man Fisch und Geflügel dazu zählt, gehen sich ganze drei Tage mit einer tierischen Hauptspeise aus. Den Rest der Zeit gibt es vegetarische Gerichte, die mir ohnehin gut schmecken. Auch erlaubt es die Planetary Health Diet bei verschiedenen Lebensmitteln, sich über die Woche einen Vorrat zusammenzusparen. So mache ich es bei den Kartoffeln, die ich sechs Tage weglasse und dafür an einem Tag in Hülle und Fülle esse.

Es bewahrheitet sich, was ich theoretisch ohnehin wusste: Gute Planung und eine großteils vegetarische Ernährung aus regionalem Anbau sind nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für die Geldbörse gut. Klingt alles so einfach, mein Grundproblem bleibt dennoch ungelöst: Wer viel arbeitet, abends viel unterwegs ist und wenige Routinen im Alltag hat, tut sich schwer damit, jede Woche einen Plan zu machen, jeden Samstag einkaufen zu gehen, jede Versuchung unterwegs auszuschlagen.

(Fast) alles easy im Selbstversuch

Trotz dieser offenen Fragen ziehe ich meine Testwoche durch – und das ohne größere Probleme. Weil der Speiseplan steht, entfallen meine abendlichen Zombi-Märsche durch den Supermarkt. Stattdessen koche ich meist schon am Vorabend für den nächsten Tag. Auch meine Frau ist mit der ihr gebotenen Speiseauswahl zufrieden. Heißhungerattacken verspüren wir beide nicht. Und wenn doch einmal nach dem Essen Appetit übrig bleibt, stopfen wir uns mit Nüssen und Apfelspalten voll. Das funktioniert. Nur die täglichen Eier und die Butter vermissen wir. Gerade einmal zwei pro Woche sind erlaubt. Viel zu wenige, um daraus die von uns heißgeliebten Mehlspeisen herzustellen. Trotzdem: Die Woche läuft tadellos und ich habe schon lange nicht mehr so gut und ausgewogen gegessen.

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Fazit: Kein wenn ohne aber

Also alles easy mit der Planetary Health Diet? Nun ja, so einfach ist es dann doch nicht. Denn was tun bei der nächsten Grillparty? Oder bei der nächsten Essenseinladung, bei der es gleich zur Vorspeise eine Fleischmenge gibt, die laut Referenzrahmen für ein Monat ausgereicht hätte? Und wie umgehen mit der geilen Schaumrolle am Rupertikirtag, auf die ich mich schon seit Monaten gefreut habe? Ich weiß genau, dass ich in diesen Situationen auch in Zukunft nicht nach EAT-Lancet essen werde. Essen ist für mich mehr, als Nahrungsaufnahme. Es ist auch ein Stück Lebensfreude, ein sozialer Akt. Ein Alles-oder-Nichts-Ansatz wird bei mir deshalb nicht funktionieren. Will ich die Planetary Health Diet weiter durchziehen, wird es Kompromisse brauchen: Einen Cheat Day alle 10 Tage zum Beispiel, an dem ich mir alles gönnen darf, was ich will. Oder einen Gugelhupf pro Woche, der einfach an der Statistik vorbeigeschummelt wird. Kritiker*innen werden sagen, das geht an der Idee vorbei. Und rettet die Welt nicht. Mag sein, aber es macht sie ein Stück besser, als ich sie in den letzten 35 Jahren behandelt habe. Und das ist doch schon mal ein Anfang.

Anmerkung: Bei Erscheinen dieses Artikels hat unser Autor die Planetary Health Diet bereits seit über zwei Monaten praktiziert. Und dazwischen immer wieder mal so richtig gesündigt. Es geht ihm gut damit.


Dieser Artikel ist zuerst im QWANT.Magazin 10/2019 erschienen. Hol dir jetzt dein Gratis-Abo!


Titelbild: James Sutton on Unsplash
Restliche Fotos: Franco Buttazzoni on Unsplash / Kristen Kaethler on Unsplash

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