Netzfundstück: Wieso schaut meine Social-Media-Blase neuerdings aus wie das Servusmagazin?

ACHTUNG, DIESER BEITRAG IST VERALTET! BITTE ÜBERPRÜFE, OB DIE DARIN ENTHALTENEN INFOS NOCH AKTUELL SIND. WIR KÜMMERN UNS SOBALD WIE MÖGLICH UM EINE AKTUALISIERUNG!

Seit Corona zum schlafenden Monster mutiert ist und wir aus der „Bleiben Sie zuhause“- Phase entlassen worden sind, beobachte ich in meiner Filterblase auf Instagram und Co seltsame Vorgänge: Da tummeln sich junge Frauen und Männer – eigentlich mehrheitlich Frauen- in weißen Spitzenkleidchen und Bastsandalen auf Blumenwiesen und werfen ihre Haare schwungvoll in die Luft, stecken wahlweise ihre isolationsblassen Füßchen in Tümpel, Teiche und andere stehende Gewässer, oder tragen Erdbeeren in grob geflochtenen Körben von Feldern weg, mit Blumenkränzen im welligen Haar. Cottagecore heißt dieses neue Netzphänomen und erzählt ein neues Kapitel der Sage „Städter*innen und ihr Schäferidyll.“

https://www.instagram.com/p/CCWT0B0hjL6/

Begonnen hatte es ja eigentlich schon viel früher mit dem Cottagecore, mitten im Lockdown schon, wo Städte zu Epizentren der Seuche wurden und das bunte, urbane Treiben zum Stillstand kam. Wer hier vorher kulturellen oder sportlichen Aktivitäten nachgegangen war oder die Freizeit gemeinsam mit Freund*innen gestaltet hatte, war nun auf sich zurückgeworfen. In der Enge der eigenen vier Wände hieß das für viele erstmals Back to the Roots. Plötzlich war Brotbacken die neue Trendsportart und Balkon- und Gartenbesitzer*innen fanden den Umgang mit allem, was sprießt und wächst, beruhigend. Parks, Wälder und Berge in Reichweite waren heiß begehrt. Dem Sicherheitsverlust durch Pandemie und Krise antworteten viele mit einer neuen Naturverbundenheit.

https://www.instagram.com/p/CC4DC3LilDI/

Folgt’s ihr uns eigentlich auf Instagram? Solltet ihr schon machen. Wir haben jetzt die Swipe Up-Funktion!

Die große Zeit der Isolation ist erstmal vorbei und die Stadtzentren füllen sich wieder. Aber so richtige Gemütlichkeit will sich in den meisten Bars nicht so schnell wieder einschleichen, die Clubs sind nach wie vor geschlossen und auch die Freude am ausgiebigen Shopping lässt sich nur schleppend wiederherstellen. Viele Menschen scheinen dem urbanen Sommer abgeschworen und sich von der bedrohlichen Stadt samt ihren Seuchenherden abgewandt zu haben. In romantischer Verklärung inszenieren sie sich deshalb lieber als Unschuld vom Lande, laufen wie Heidi 2.0 in Leinenkleidchen über satte Wiesen und ziehen sich mit ihren Bobo- Freund*innen in noble Chalets in Tirol und in der Steiermark zurück.

https://www.instagram.com/p/CColFqHp2dQ/?fbclid=IwAR2s6R05-d8Fg78G9SSHlXtm9qIYqIm7_ngJ4v7Ub0GoVossvuDv0NgTwkE

Ganz neu ist der Landhaus-Hype eigentlich nicht. Wir wollen hier nicht zu einer Kulturgeschichte der Landfrische ausholen, aber immerhin haben sich junge Leute schon in Boccaccios Decamerone um 1300 aus Florenz raus in die Pampa gestohlen, um der Pest zu entkommen. Dass der Adel im Sommer auf den Landsitz übersiedelt, ist ein alter Hut – so alt, wie die Antike zurückliegt. Caspar David Friedrichs romantisches Naturverständnis lässt sich zumindest motivisch eins zu eins auf unzählige Instagram-Fotos übertragen und vor den Toren Salzburgs, im Salzkammergut, spielte sich im 19. Jahrhundert selbst die große Sommerfrische ab -und tut das vermutlich bis heute noch. Im vorigen Jahrhundert waren es vor allem die Blumenkinder der Sechziger- und Siebzigerjahre, die mit ihrer Flowerpower gegen die kapitalistische Weltordnung und den Militarismus protestierten. Sie sind vermutlich auch die ideologischen Väter und Mütter der heutigen Cottagecore-Kids.

Denn in der romantischen Verklärung des Landlebens spiegeln sich die politischen und gesellschaftlichen Ideen einer Generation wieder, die sich immer öfter gegen eine oberflächliche Spaß- und Partygesellschaft richtet (die ohnehin gerade einen schweren Stand hat). Die Sehnsucht nach dem Ausstieg wird viel mehr begleitet von Konsumkritik und Klimaprotest, von Zero Waste im Badezimmer, Biofaser-Shirts und veganen Buddhabowls.

https://www.instagram.com/p/CBORdWogi_W/

Aber anders als seine ideellen Vorgänger hat sich der aktuelle bukolische Protest im Netz formiert, wo er auch erstmal bleibt und nett ausschaut. Unter dem Hashtag #cottagecore finden sich keine Pläne zum Weltumsturz, der Landhaus-Hype ist mehr Lifestyle als Bewegung und konsumiert fröhlich weiter vor sich hin – nur eben mit reinerem Gewissen. Was am Ende übrig bleiben wird von #cottagecore ist vermutlich eine ziemlich inhaltsleere Fotoflut in den Sozialen Medien. Denn die ländliche Rebellion ist bis dato vor allem eins: Ziemlich instagrammable. Gesellschaftskritik light quasi, in grobem Strick süß inszeniert.

Ähnliche Beiträge

Wir haben eine Liste jener Dinge angefertigt, mit denen du dich identifizieren wirst, wenn du in Salzburg aufgewachsen bist.
Wäsche, Wischen und Geschirr sind nach wie vor unlösbare Gleichungen für uns. Deswegen haben wir ein paar erfolgsversprechende Dinge ausprobiert.
Es muss nicht immer das Fertig-Waschmittel aus dem Supermarkt sein. Im Herbst liegt die perfekte DIY-Basis in Form von Kastanien draußen rum.

Lass uns Freunde werden!

Möchtest du regelmäßige Tipps von Fräulein Flora erhalten? Dann melde dich hier zum Newsletter an.

Um die Registrierung abzuschließen, senden wir dir eine Email zu.

Dieser Newsletter informiert euch über alle möglichen Themen in Salzburg. Ganz viel geht es dabei um Essen und Trinken, Sport. Abenteuer, Ausflüge, Menschen, Orte und Geschichten in der Mozartstadt. Informationen zu den Inhalten, der Protokollierung eurer Anmeldung, dem Versand über den US-Anbieter MailChimp, der statistischen Auswertung sowie Ihren Abbestellmöglichkeiten, erhaltet ihr in unserer Datenschutzerklärung.