Die meteorologischen Sommer können hierzulande etwas kürzer ausfallen, die Österreichischen Bundesbahnen haben der warmen Jahreszeit aber ein noch viel frühzeitigeres Ende beschert: Das Sommerticket, das bisher zwischen Juli und September vergünstigtes Bahnfahren ermöglicht hat, gilt ab sofort nur mehr für 30 Tage. Liebe ÖBB, was macht ihr da?
Seit einiger Zeit pendle ich regelmäßig quer durch die Alpen, zwischen drei Staaten hin, her und zurück. Dafür gebe ich mehr Geld für Zugtickets aus, als für meinen wöchentlichen Lebensmitteleinkauf. Ich habe mehr Smalltalks mit meinen Sitznachbarn geführt, als in meinem gesamten vorherigen Leben. Damit lebe ich den Traum der Twentysomethings: Finanziell zu schwach für ein eigenes Auto, dafür nicht ganz freiwillig umweltbewusst. Manchmal würde ich gerne ins Auto steigen und die vollgestopfte, schweißige „Rush Hour“ mit Stehplatzgarantie in den Zügen meiden, was aber eben nun mal nicht geht.
Und ich könnte und würde diese Rush Hour lieber ertragen, wenn die Zugpreise in Österreich zugunsten der Umwelt attraktiver gestaltet werden würden. Ironischerweise hat sich die ÖBB im gleichen Jahr, in dem Fridays for Future groß wurde, dagegen entschieden. Mit dem Sommerticket haben Pendler und Junge, die gern mal mit der Bahn durchs Land fahren, bisher zwei Monate lang zum Preis von 69 bzw. 39 Euro die Schiene nutzen können. Ab diesem Jahr gilt das Ticket nur noch an 30 Tagen innerhalb des bisherigen Sommerzeitraums.
Die ÖBB muss sich entscheiden: Will sie ehrliches Umweltbewusstsein praktizieren und leistbare Alternativen zum Individualverkehr schaffen, oder lediglich von den Umweltschutz-Ambitionen der Menschen profitieren?
Die ÖBB selbst hat das mit besserer Planbarkeit der Verkehrsströme argumentiert, im Netz ist vor allem die Generation U30 empört über die Änderungen. Jene Gruppe also, deren Mobilität stark von den Öffis abhängig ist. Es wäre ja nicht so, dass die ÖBB sich jemals einen Namen als besonders kostenfreundlich gemacht hätte. Denn während die bayerischen Nachbarn mit Gruppentickets längst schon Pendler von der Straße auf die Schiene gebracht haben, ist das österreichische „Einfach-Raus-Ticket“ im Tarifdschungel schwer auffindbar und nur für Nah- und Regionalverkehr gültig. Wer damit nach Wien will, kann schon mal einen halben Tag einplanen. Und wer auf die Sparschiene setzt, sollte sein Reisen weit vorausplanen können oder zumindest flexibel sein.
Da kann man noch darüber streiten, ob sich Autofahren lohnt, und im Internet streitet man auch schon mit Herzblut darüber. Dass darüber diskutiert werden muss, zeigt, dass sich Bahnfahren nicht als wirklich günstige Alternative zum Auto etabliert hat und als solche allgemein anerkannt ist.
Ein besonders klimafreundlicher Schachzug ist das nicht. Ironischerweise ist es die ÖBB selbst, die mit dem Ökoaspekt gerne für sich wirbt und Begriffe wie „nachhaltig“ und „grüne Zukunft“ inflationär durch die sozialen Medien trägt. Das ist schön und gut und durchaus vorbildlich. Nur leider wird gerade durch ständige Tarifanhebungen und die Verminderung des Sommertickets Bahnfahren zu einem Luxusgut und nicht für jedermann. Dass Billigflüge Kunden ablocken, ist da durchaus nachvollziehbar, aber eben alles andere als nachhaltig. Die ÖBB muss sich entscheiden: Will sie ehrliches Umweltbewusstsein praktizieren und leistbare Alternativen zum Individualverkehr schaffen, oder lediglich von den Umweltschutz-Ambitionen der Menschen profitieren?