[Kommentar] Ausländer*innen mitgemeint?

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Mit dem Corona-Ausbruch in Europa hat sich ein befremdlicher Stimmungswandel vollzogen. Europäische Staaten schotten sich lieber voneinander ab und Politiker* berufen sich in ihren Ansprachen auf ihre eigenen Staatsbürger*innen und den Zusammenhalt im eigenen Land, wenn sie über den Kampf gegen das Virus referieren. Warum mir diese Ansprachen von Kurz und Co nicht gefallen.

Seit sechs Jahren lebe ich nun im Ausland. Im Alltag stört das niemanden, ganz im Gegenteil. Da wird gerne über Herkunft gescherzt und gelacht, wir vergleichen verschiedene kulturellen Praktiken und sprachliche Akzente. Aber wenn es ernst wird, etwa bei demokratischer Mitbestimmung durch Wahlen, bleibt man als Ausländer*in auf der Strecke. Ich habe mich längst daran gewöhnt, nur ein bisschen zur hiesigen Gesellschaft zu gehören. Aber in der Coronakrise ist es noch ein Stück ernster geworden. Denn wenn Sebastian Kurz sich an die Bevölkerung wendet, meint er damit nur explizit jene, die den österreichischen Reisepass haben.

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Laut dem deutschen Online-Portal Statista werden damit rund 1,5 Millionen Menschen ausgeklammert, die zwar einen Hauptwohnsitz in Österreich haben, nicht aber die Staatsbürgerschaft. In Prozent sind das 16,7 Prozent der Bevölkerung. Gar nicht mitgerechnet sind darin jene, die sich nur temporär hier aufhalten: etwa 90 000 ausländische Studierende, unzählige Saisonniers und etwa 25 000 24-Stunden-Pflegekräfte aus den östlichen Nachbarländern. An mehr als 1,5 Millionen Menschen in Österreich sind die regelmäßigen Ansprachen des Bundeskanzlers also nicht adressiert und sie verschwinden damit in der Bedeutungslosigkeit.

Trotzdem erinnert man sich in Österreich ab und zu an den bedeutungslosen Prozentsatz: Etwa, wenn gefordert wird, Erntehelfer*innen aus dem Ausland zu holen, weil die Staatsbürger*innen zu hohe Gehaltsvorstellungen haben oder eben unerfahren im Spargelstechen sind. Auch dem Pflegenotstand in der 24-Stunden- Betreuung konnte man hierzulande früh Einhalt gebieten, indem man mit Zustimmung des Außenministeriums prompt 281 Betreuer*innen aus Sofia und Temeswar nach Österreich einflog.

Die Ausländer*innen, die in Österreich leben, arbeiten und konsumieren, ins hiesige Steuersystem einzahlen und einen Teil der Gesellschaft ausmachen, sitzen jetzt genauso zuhause rum, halten sich an die Ausgangsbeschränkungen und laufen mit Mundschutz durch die Supermärkte. Manche von ihnen sind sogar an vorderster Front im Einsatz, als Ärzt*innen, Pflegekräfte, Busfahrer*innen. Die erfolgreiche Eindämmung des Coronavirus in Österreich ist auch ihnen zu verdanken. Das gehört auch erwähnt, wenn die Disziplin der Österreicher*innen in öffentlichen Reden betont und gelobt wird. Besonders dann, wenn der Bundeskanzler dabei noch die besseren Leistungen der Österreicher*innen in der Krise im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hervorhebt.

 

Bitte kommt jetzt nicht damit an, dass alle, die hier leben, in diesen zitierten Reden eh mitgemeint sind. Ich fühle mich genauso wenig mitgemeint, wenn ein Text im generischen Maskulinum verfasst worden ist wie ich mich in einer Rede von Justin Trudeau mitgemeint fühle. Und wo wir schon bei generischem Maskulinum sind: Wenn es sich mittlerweile etabliert hat, eine offizielle Rede mit „meine sehr verehrten Damen und Herren“ zu beginnen und damit Frauen nicht nur mitgemeint, sondern explizit angesprochen sind, warum gelingt das hinsichtlich der Demografie nicht? Bundespräsident Van der Bellen macht’s ja sogar vor.

Denn genauso wie in der Genderdebatte geht es um Sichtbarkeit. Die meisten von uns haben das Prinzip längst begriffen, dass Sprache Wirklichkeit formt und Realitäten schafft. Warum fällt es manchen dann noch so schwer, die realen Zustände in einem Staat in Ansprachen abzubilden und Sichtbarkeit für jene 1,5 Millionen Ausländer*innen zu schaffen? Warum kann man sich nicht öffentlich dazu bekennen, was de facto längst schon Tatsache ist: Dass Österreich ein buntes Einwanderungsland ist und nicht das blaue Paradies?

*richtet sich an männliche Politiker

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