Im Gespräch mit Autor Carlos Peter Reinelt

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Carlos Peter Reinelt studiert an der Paris Lodron Universität Salzburg. Der schreibbegeisterte Vorarlberger bekam den Rauriser Förderungspreis für Literatur 2016 verliehen. Wir haben seine Erzählung „Willkommen und Abschied“ vorab gelesen und den Jungautoren zum Gespräch gebeten.

Wie lief die Einreichung für den Förderungspreis ab und welche Kriterien gab es für die Teilnahme?

Das erste Kriterium ist, dass man eher am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere steht. Also, man sollte keine alten, etablierten Leute dort hinschicken, was trotzdem hier und da passiert, aber das wäre nicht im Sinne des Erfinders. Und dass man einen Salzburgbezug hat, ich zum Beispiel studiere ja in Salzburg. Wie ich dazu gekommen bin? Ich hab’s im Internet gesehen, als ich zu Literaturpreisen recherchiert habe.

„Ich stütze mich in meiner Erzählung auf das Parndorfunglück, bei dem letztes Jahr 71 Menschen im LKW erstickt sind.“

Ich stütze mich in meiner Erzählung ja auf das Parndorfunglück, das letztes Jahr war, bei dem 71 Menschen im LKW erstickt sind. Das war Ende August, in der ersten Septemberwoche war ich mit meiner Freundin in Spanien und das hat mich damals so beschäftigt, dass ich sicher 90% des Textes da geschrieben habe. Während dem Schreiben bin ich draufgekommen, dass es ein Text wäre, der vielleicht gut ankommen könnte. Ich hab gewusst, dass am 30. Oktober Einreichfrist ist, ich hätte noch fast zwei Monate Zeit gehabt. Ich ließ den Text ruhen und machte ihn, man kennt das ja von Seminararbeiten, 48 Stunden vor Abgabefrist fertig.

In deiner Erzählung „Willkommen und Abschied“ schilderst du die Flucht eines jungen Syrers, der sich im Schlepper-LKW Richtung Österreich befindet. Du hast bereits erwähnt, dass dich das Parndorf Unglück zum Schreiben verleitet hat. Wie war das genau?

Ich hab es in der Zeitung gelesen und es gibt solche Bilder, die im Kopf entstehen, die für mich sehr schwer zu verarbeiten sind. Im Internet ist man immer wieder mit schlimmen Sachen konfrontiert. Filme, die auf Youtube losgehen, die man vielleicht gar nicht sehen will. Und das mit Parndorf war eben so eine Geschichte, die mir nicht aus dem Kopf gegangen ist. Schreiben ist auch eine Methode der Verarbeitung und das war hierbei sicher auch der Fall.

Die Schilderung der Flucht mit einem Schlepper-LKW hast du, meiner Meinung nach, sehr realitätsnah dargestellt. Hast du Gespräche mit Geflüchteten geführt und hat dich das im Schreiben beeinflusst?

Ja, ich gehe jeden Montag ins Denkmal, da findet regelmäßig eine Jam-Session statt. Ein syrischer Schlagzeuger, der vor etwa sechs Monaten nach Österreich gereist ist, oder vielleicht ist das inzwischen auch schon ein bisschen länger her, ist auch mit einem LKW gekommen. Mit dem habe ich öfters darüber geredet, wie es da drinnen war. Bei ihm hat es Gott sei Dank nicht diesen tragischen Ausgang genommen, wie zum Beispiel in Parndorf. Aber was er mir geschildert hat, war schon beengend.

Carlos-Reinelt

Ich habe Wörter gezählt: Laut meiner Zählung kommt das Wort „Fuck“ 26 Mal vor (Carlos lacht). Auch über „Scheiße“ bin ich hier und da mal gestolpert. War es für dich eine Überraschung, trotz dieser obszönen Sprache zu gewinnen?

(überlegt) Also, man muss den Rahmen verstehen. Es handelt sich hier offenbar um einen recht jungen Mann. Ich glaube, wenn man jemanden die richtigen Worte in den Mund legt, dann funktioniert das auch und dann stört man sich auch nicht an der Obszönität, solange sie nicht fürs bloße Provozieren missbraucht wird, sondern um Empathie oder Realitätsnähe zu einer Figur zu gewinnen.

Auch Religion spielt eine Rolle in deinem Text. Was glaubst du, inwiefern hat dieses Thema mit der Flüchtlingssituation allgemein zu tun?

„Ich persönlich sehe in der Religion die Wurzel vieler Übel.“

Das ist ein schweres Thema. (Pause.) Ich persönlich sehe in der Religion die Wurzel vieler Übel. Auch wenn Religion individuell ganz vielen Menschen sehr helfen kann. Aber die ganze Problematik auf eine religiöse Debatte runterzubrechen, würde, glaube ich, dem Thema Flucht und Krieg im Irak und in Syrien nicht gerecht werden.

In deinem Text spielst du mit der Typographie. Die Aufmachung erinnert ein wenig an den Dadaismus, “dada” selbst kommt ja auch im Text vor. Nimmst du deine Inspiration aus jener Zeit?

Um ehrlich zu sein, eigentlich nicht. Oder zumindest nicht bewusst. Ich habe schon letztes Jahr etwas für den Rauriser Förderungspreis eingereicht, in dem u.a. der Germanistik Dozent Armin Eidherr vorkommt. Dem habe ich den Text dann gezeigt und er fand ihn sprachlich wie inhaltlich spitze, aber er meinte, dass formelle Experimente gut ankommen könnten. Wie man sieht, hat er offensichtlich recht gehabt. (lacht)

Was drückt der Titel deiner Erzählung „Willkommen und Abschied“ aus?

Der Titel hat mehrere Komponenten. Er ist angelehnt an das berühmte Gedicht von Goethe, in dem ein junger Mann eine heiße Nacht mit einer Frau erlebt und wieder weg reitet, dann in Melancholie schwelgt. Ich habe aus drei Gründen diesen Titel gewählt. Erstens, weil ich eine ähnliche Geschichte eingebaut habe. Dazu kommt noch, dass ich wollte, dass dieses Gefühl des Willkommen sein, das zumindest letztes Jahr in Österreich geherrscht hat – heute nicht mehr so, das ist ein bisschen abgeklungen – ein Thema ist. Aus dieser Stimmung und der Hoffnung des Protagonisten wird aber recht schnell dieser traurige Abschied, das war der zweite Grund. Und der dritte war, dass ich bewusst diese Anlehnung an Goethe gewählt habe, weil ich aufzeigen wollte, dass im deutschen Sprachraum, wo wir unsere Kultur so empor heben, und auch in der Diskussion um die Flüchtllinge immer wieder unsere Kultur hervorgehoben wird, so etwas passiert, sehr, sehr traurig ist.

Wann waren eigentlich deine ersten Schreibanfänge?

Ganz klassisch. Als ich 14 Jahre alt war, war ich unsterblich unglücklich verliebt und habe angefangen Gedichte und Anekdoten zu schreiben. Heute bekomme ich immer rote Wangen wenn ich die durchlese. Mit 17 habe ich dann mein erstes Theater geschrieben und seitdem hauptsächlich Novellen. Seit anderthalb Jahren arbeite ich an zwei Romanen.

Wo warst du, als du erfahren hast, dass du den Förderpreis erhältst?

„Zuerst habe ich befürchtet, dass es die Polizei ist.“

Ich war zuhause. Ich bin aufgewacht und habe gesehen, dass ich einen Anruf von einer unbekannten Nummer hatte. Zuerst habe ich befürchtet, dass es die Polizei ist. (lacht) Weil da noch Fragen offen waren. Und als ich dann zurückgerufen habe, habe ich erfahren dass ich gewonnen habe. Ich bin aus allen Wolken gefallen und bin während des Telefonats die ganze Zeit durch mein Zimmer gerannt, weil ich so nervös war.

Was bedeutet dir der Preis?

In erster Linie viel Geld (lacht). Ich freue mich natürlich auch, dass ich von einer fremden, professionellen Jury zu hören bekommen habe, der Text sei gut. Bislang haben mir das immer nur Verwandte und Freunde gesagt, und da weiß man ja nie, wie ernst sie das meinen. Auch dass ich mit einigen interessanten Leuten in Kontakt treten werde, freut mich. Aber am meisten bedeutet mir wirklich das Geld.

Wie geht es für dich weiter mit dem Schreiben?

Einer der Jury-Mitglieder ist Lektor. Der hat mir gesagt, wenn ich was Fertiges habe, solle ich als erstes zu ihm kommen. Wenn das klappt, wäre das natürlich schön, aber finanziell darf man sich da keine Hoffnungen machen. In der Zukunft sehe ich mich sowieso vor allem als Lehrer. Wer weiß, vielleicht werde ich neben den 60-Stunden Wochen noch ein wenig Zeit zum Schreiben haben (grinst).

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