Grenzfälle

ACHTUNG, DIESER BEITRAG IST VERALTET! BITTE ÜBERPRÜFE, OB DIE DARIN ENTHALTENEN INFOS NOCH AKTUELL SIND. WIR KÜMMERN UNS SOBALD WIE MÖGLICH UM EINE AKTUALISIERUNG!

Seit Corona durch die europäischen Länder fegt, haben sich viele Grenzbalken geschlossen. In den Grenzgebieten patrouillieren Soldaten und Ein- und Ausreise sind oft nur unter bestimmten Bedingungen gestattet. Besonders bitter ist das nach wie vor wohl für jene Regionen, die über Staatsgrenzen hinweg zusammengewachsen sind und für die Generationen, die maximal Grenzkontrollen Richtung Balkan kennen. Eine von diesen Regionen ist für uns Salzburg und das Berchtesgadener Land. Viele Menschen aus Oberbayern studieren oder arbeiten in Salzburg, schätzen es als nächstgelegene große Stadt und haben hier ihr soziales Umfeld oder ihre Liebsten. Umgekehrt vermissen viele ihre Familienangehörigen jenseits der deutschen Grenze.  

Weil seit Mitte März Grenzkontrollen stattfinden, ist der Durchgang zwischen Salzburg und Deutschland plötzlich oft unpassierbar. Während der Berufspendler*innen- und Warenverkehr mit Bescheinigung weitgehend ungehindert fortgesetzt werden kann, müssen Personen ohne Wohnsitz im jeweils anderen Land einen triftigen Grund für die Einreise vorweisen können. Private Besuche zählen meistens nicht dazu. Die Maßnahmen sind in Österreich und Deutschland anders geregelt und oft verwirrend: Während man aus Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen mittlerweile sehr wohl den/die Lebenspartner*in in Österreich besuchen darf, gilt das umgekehrt nicht. Allgemein gilt nach wie vor: Wer Freund*innen und Partner*innen ohne Komplikationen im anderen Staat besuchen will, muss sich noch etwas gedulden. Diese Zeit des Wartens haben wir genutzt und Betroffene gefragt, uns ihre transnationalen Geschichten zu erzählen und zu berichten, wie sie sich mit der geschlossenen Grenze arrangieren.

Frida, 26

„Ich bin Studentin in Salzburg und fühle mich sehr wohl hier. Der Großteil meiner Freunde und meine Familie wohnt aber in München und ich habe alle seit zwei Monaten nicht mehr gesehen. Meine Schwester hat gerade ihr zweites Kind bekommen und es ist schade, dass ich nicht dabei sein kann, wie es seine ersten Monate lebt. Sie schickt mir immer wieder Videos und Fotos von ihren Kindern, damit ich das Aufwachsen irgendwie miterleben kann. Natürlich ist es wichtig, das Virus einzudämmen, aber mir fehlt gerade die Perspektive, wann man seine Freunde wiedersehen kann.“

Mathias, 38

„Ich wohne seit Jahren in Freilassing, mein soziales Umfeld und meine Partnerin leben in Salzburg. Für mich ist Salzburg und das angrenzende Berchtesgadener Land ein gemeinsamer Raum. Was Jahrzehnte lang zusammengewachsen ist, binnen kürzester Zeit zu trennen, war für mich schrecklich. Das schlimmste Gefühl waren nicht mal Wut, Trennung und Schmerz, sondern Ohnmacht. Also habe ich versucht, mich in eine handlungsfähige Position zu bringen und bin die grüne Grenze abgegangen, in der Überlegung, wo sich meine Freundin zu mir schleichen könnte. Irgendwo in der Nähe von Großgmain habe ich eine Stelle entdeckt, wo nur ein abgesperrter Feldweg war, den man gut umgehen konnte. Als ich die Stelle inspiziert habe, habe ich beobachtet, wie ein älterer Herr in Österreich mit seinem Golf in einen Mähgrashaufen gefahren ist. Ich habe dem Herrn also auf der österreichischen Seite beim Anschieben geholfen. Just in dem Moment ist auf der deutschen Seite schon ein schwarzes Auto mit Grenzschutzbeamten angefahren gekommen. Sie haben mir keine Probleme beim Rück-Überqueren gemacht. Ich habe aber einsehen müssen, dass die Grenze dermaßen gut bewacht ist und habe den Plan vom Schmuggelpfad wieder aufgegeben. Auch meine Freundin, die die Idee anfangs romantisch fand, ist vorsichtiger geworden. Seitdem haben wir uns sonntags an der Grenze zwischen Freilassing und Salzburg in der Meet and Greet-Zone getroffen. Grenzschutzbeamte und Bundesheerler dort waren so tolerant und verständnisvoll, dass sie uns erlaubt haben, die Zwischenzone zu verlassen und uns zusammen in Sichtweite auf den Bordstein zu setzen, uns zu küssen und das Treiben zu beobachten. Mittlerweile darf ich mit der Einreisebestätigung meine Freundin in Salzburg besuchen. Aber unser Nest ist halt eben bei mir, ich habe eine eigene Wohnung, meine Freundin nicht. Zum ersten Mal im Leben fühle ich mich in meinen Freiheitsrechten eingeschränkt.“

Jessica, 37

„Seit Anfang April bin ich nur noch zuhause in Piding. Am Anfang habe ich mich noch gut beschäftigen können und Deutsch gelernt, jetzt ist es langweilig. Meine Freunde, meine Schwester und meine Tante sind in Salzburg und meine restliche Familie in Peru. Ich kann niemanden besuchen. Ich habe neue Hobbies gefunden wie Malen und versuche, andere Dinge zu machen. Natürlich möchte ich meine Freunde und meine Familie sehen, aber ich denke, durch die Grenze kann man das Virus besser eindämmen und kontrollieren. Es ist besser, langsam und sicher die Maßnahmen zurückzunehmen. Bis dahin werde ich eben mit Freunden und Familie nur telefonieren.“

Florian, 31

„Persönlich kann ich mit den Einschränkungen leben, man kann halt nicht mal eben in den Globus oder in einen Paketshop in Freilassing fahren. Aber ich bin auch Mitglied in einem Live Action Role Play Verein, kurz LARP, mit Sitz in Salzburg. Wir haben ein großes Einzugsgebiet, unsere Mitglieder kommen aus Rosenheim, Regensburg, Tirol und Oberösterreich. Natürlich sind für 2020 alle unsere Veranstaltungen abgesagt worden, aber wir sind auch abseits des Vereins miteinander befreundet und treffen uns auch mal für Spiel, Spaß und Freude. Dadurch, dass wir so verstreut leben, arbeiten wir schon länger mit modernen Kommunikationsmitteln wie Videokonferenzen, aber das reale Zusammenkommen fehlt natürlich trotzdem. Grundsätzlich halte ich die Grenzmaßnahmen für sinnvoll. Aber sie wären nicht nötig gewesen, wenn es ein europäisches Konzept gegeben hätte, aber dazu hätten die Staaten bereit sein müssen, Kompetenzen an die EU abzugeben und nicht zu sehr an den Kleinstaaten festzuhalten. Dann hätte es bestimmt auch strenge Maßnahmen gegeben, aber eben vielleicht offene Grenzen.“

Doris, 50

„Ich wohne in Freilassing und arbeite aber in Salzburg. Während des Shutdowns bin ich im Homeoffice, mein soziales Leben in Salzburg ist zum Stillstand gekommen. Ich genieße zwar die Zeit und die Ruhe, die ich gerade habe, aber meine Kontakte und besonders meine Vereinstätigkeit bei der HOSI Salzburg fehlen mir. Früher bin ich einfach mal schnell in die HOSI gefahren und habe ein paar Sachen erledigt. Jetzt machen wir zwar online-Meetings, aber das ist natürlich nicht dasselbe. Ich beobachte die Maßnahmen in Österreich immer sehr genau. Denn Bayern ist genau zwei Wochen hinterher, also weiß ich, was auf uns zukommt. Die Grenzkontrollen halte ich schon für sinnvoll, die Menschen brauchen eben Vorschriften und Grenzen sind eben Grenzen. Die haben sich sicher was dabei gedacht. Wir bringen das schon rum.“

Michael, 32

„Ich habe meine ganze Familie mitsamt den Neffen und der Nichte in Bayern und seit zwei Monaten nicht mehr getroffen. Es ist schon leichter geworden also vor einem Monat, das zu akzeptieren und ich finde, man sollte nicht nach Sensationen suchen. Mein Neffe ist kurz vorher auf die Welt gekommen und ich habe ihn nur einmal nach der Geburt gesehen und meine Familie trifft sich in Bayern natürlich weiterhin, aber eben ohne mich. Die Grenzmaßnahmen finde ich vernünftig, so wie sie sind, sind sie eben. Die Alternative, alle Grenzen zu öffnen, wäre eine Katastrophe. Die Grenzschließung ist für mich nicht die größte Tragödie, es gibt ja viele Möglichkeiten, Kontakt zu halten und zwei Monate meine Familie nicht zu sehen, halte ich für verkraftbar.“

Sarah-Maria, 22

„Seit der Grenzschließung bin ich von meinen wichtigsten Menschen getrennt. Ich wohne in Laufen und besuche das Abendgymnasium in Salzburg. Das läuft aber alles über eine online-Plattform und Pendeln ist nicht möglich. Mein ganzer Freundeskreis befindet sich in Salzburg. Am schlimmsten ist es aber für mich, dass mein Partner in Siebenbürgen lebt und somit weder für mich noch für ihn möglich ist, uns irgendwie zu sehen. Wir führen zwar so oder so eine Fernbeziehung, aber trotzdem haben wir uns jeden Monat mehrmals gesehen, was dem Ganzen Struktur und Halt gegeben hat. Durch die Ungewissheit, die gerade herrscht, leidet die Beziehung. Wir videochatten jeden Tag, aber der Geduldsfaden ist am Reißen. Nähe ist mir sehr wichtig und normalerweise fängt mich in solchen Fällen mein Freundeskreis auf, aber der ist ja in Salzburg.“

Markus, 26

„Ein Spezi von mir wohnt am Waginger See und wir hatten für dieses Jahr geplant, dort gemeinsam auf Fototour zu gehen. Wir machen auch zusammen Musik und jammen oft in einem Tonstudio in Freilassing. Und während der Coronakrise hätte ich auch Zeit gehabt dafür, aber weil ich in Salzburg wohne, geht das nicht. Ich habe das Glück, dass ich durch meine Arbeit als Tontechniker bei einem TV- Senden oft schon meines Berufes wegen die Informationen zur Grenzsituation genau erfahre. Die Grenzpolitik sehe ich differenziert: Einerseits fand ich die Grenzpolitik während der Coronakrise sinnvoll, das hat es sicher gebraucht für die Eindämmung. Aber mittlerweile hat die Grenzpolitik Experimentiercharakter. Eine gestaffelte Öffnung mit allen Maßnahmen wie Nasen-Mund-Masken und Handschuhen würde meiner Meinung nach Sinn ergeben.“

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