Freiräume [ ] Und wie sie entstehen

Freiraeume in Salzburg

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Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen
Meret Oppenheim, deutsch-schweizerische Lyrikerin 1913-1985

Falls des Wort „Freiraum“ zu eurem aktiven Wortschatz zählt, bezeichnet ihr damit vermutlich meist irgendetwas anarchisch angehauchtes. Einen Ort, an dem gesellschaftliche Konventionen abgelegt werden, an dem man Dinge tun kann, die einem persönlich taugen, die der Allgemeinheit jedoch eher nicht zugemutet werden können. Sei das jetzt das mühsam erkämpfte, unaufgeräumte Kinderzimmer, das von einer linksintellektuellen Kommune besetzte Haus oder die inoffizielle FKK-Badestelle des Vertrauens. Also ein potentiell konfliktbehafteter Ort, dessen Existenz bestenfalls gedultet wird.

Im eigentlichen Sinne des Wortes ist ein “Freiraum” jedoch eine ziemlich nüchterne Angelegenheit. Er bezeichnet in der Stadt- und Landschaftsplanung sämtliche unbebaute Flächen einer räumlichen Einheit. Diese Freiräume erfüllen zahlreiche ökologische und soziale Funktionen für eine Stadt. Sie kühlen ihre bebaute Umgebung ab, verbessern die Luftqualität, reduzieren Hochwassergefahren, bieten Pflanzen und Tieren einen Lebensraum und natürlich sind sie auch Naherholungsgebiete. Die Bereitstellung solcher Flächen ist heute ein zentrales Anliegen der Stadtplanung, nicht zuletzt weil zahlreiche Studien die positiven Auswirkungen auf physische und psychische Gesundheit sowie Lebensqualität belegen.

An derartigen Freiräumen im eigentlichen Sinne ist das gemütlich-behebige und so ganz und gar nicht von Anarchie zersetzte Salzburg ziemlich reich. Die Grünlanddeklaration schützt seit den 1980er Jahren 57 Prozent der Salzburger Grünflächen vor Bebauung. Der größte Teil dieser Flächen ist für die Allgemeinheit zugänglich und relativ frei nutzbar. Hier lässt sich mit einer weiteren landläufigen Definition von Freiraum anknüpfen: Ein Ort, an dem man im ansonsten stressigen Alltag zur Ruhe kommen, durchschnaufen und die Seele ein wenig baumeln lassen kann. Was passiert jedoch, wenn ein solcher Ort eine Umnutzung erfährt, die zuvor nicht absehbar war?  Was, wenn die eingangs erwähnte Anarchie aufkeimt? Die typische Salzburger Lösung für derartige Fälle ist pragmatisch: Einen Raum schaffen, in dem alles in geregelten Bahnen ablaufen kann. Wenn Skater über architektonische Glanzstücke shredden wird ein Skatepark mit Sicherheitsabnahme gebaut. Wenn Slacklines altehrwürdige Parkbäume bespannen, ein Slacklinepark. Es gibt ausgewiesene Bolzplätze und ausgewiesene, legale Graffitiwände.

Das ist zwar grundsätzlich ziemlich sympathisch und bevölkerungsnah, nur ein kreativer Freiraum ist es eben keiner mehr, wenn die Nutzung im vorhinein definiert ist. Klar: Salzburg ist eine Stadt, in der jeder Quadratmeter hart umkämpft ist und so werden im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens eben Kompromisse ausgearbeitet. Das Ergebnis ist eine hocheffiziente Stadt, in der nach Möglichkeit allen tolerablen Nutzungsansprüchen entsprochen werden soll. Sogenannte „Dysfunktionale Freiräume“, also Orte, die nicht funktional gebunden sind und damit für vielfältige Nutzungen offen stehen, gibt es jedoch in Salzburg kaum. Der Blick auf Städte weltweit zeigt allerdings, dass eben diese Bereiche oft Entfaltungsräume für Jugend- und Subkultur sind. Jugend- und Subkultur braucht keinen zugewiesenen Raum um kreative Energie zu entfalten, ja ein zugewiesener Raum kann diesbezüglich sogar hinderlich sein.

Einen ähnlichen Blick auf die Thematik hat Nana S. Fiedler vom Kunstkollektiv disposed: „Ein Freiraum ist ein Ort, an dem Unerwartetes passieren darf; ein Ort den man gemeinsam gestaltet; ein Ort an dem man sich wohl fühlt; ein Ort der nicht nur physisch Frei-Raum gibt, sondern auch gedanklichen Freiraum schafft; an dem man im Moment sein kann und gleichzeitig Zukunft denken kann.“

Die Frau muss es wissen, schließlich hat sie sich als Mitbegründerin von disposed in der letzten Zeit um die Salzburger Subkultur verdient gemacht. disposed ist ein Projekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frei-Räume für Ideen zu schaffen. Urbane Leerstände sollen durch Zwischennutzung ein Quartier zum Arbeiten, Ausstellen und Veranstalten bieten. Geboren wurde die Idee im Rahmen eines Masterprojekts von Studierenden des Studiengangs MultiMediaArt an der Fachhochschule Salzburg. 2016 wurde die Salzburger Subkultur durch den ersten Streich der Truppe enorm bereichert: Auf dem Gelände der ehemaligen Rauchmühle wurde als Zwischennutzung vor dem Abriss der Gebäude der Modellraum kvatier eröffnet. 300m² standen Kulturschaffenden für einige Monate zur Verfügung und es wurden zahlreiche Workshops, Konzerte und Performances abgehalten. „Gerade aber weil es in Salzburg so schwer ist, Frei-Räume zu finden, ist es so schön daran zu arbeiten, neue zu schaffen“ sagt Fiedler „Der Zuspruch, den wir vor allem zu kvartier-Zeiten bekommen haben ist Beweis genug, dass Salzburg solche Orte braucht! Ich glaube hier muss man selber aktiver sein oder man wird einer von diesen Jammerlappen, die sich täglich beschweren, dass sich nichts bewegt.“

Aktivität und idealistisches Engagement sind in jedem Fall eine gesunde Basis für subkulturelle Highlights. Einige der besten Salzburger Locations der letzten Jahre wie der Freaksound-Club/Heizkeller, der Cave Club, der Felsenkeller oder das Denkmal wurden von Enthusiat*innen  aufgezogen, die Qualitätskultur abseits der Festspiele in die Stadt holen wollten. Doch es scheint wie verhext: Alles was in Salzburg so richtig fetzt, gerät bald ins Straucheln. Seien es Anrainerbeschwerden, Mietpreiserhöhungen, nicht verlängerte Pachtverträge oder, wie bei den Jungs und Mädels von disposed,  dass sich hundertprozentige Hingabe neben dem Vollzeitjob einfach nicht mehr abspielt.

Mit allem Geld der städtischen Kulturförderung wäre es nicht möglich gewesen, solche Locations aus dem Boden zu stampfen, wenn sich nicht ein paar Menschen voller Leidenschaft und Hingabe den Arsch dafür aufgerissen hätten. Man kann der Stadt sicher nicht vorwerfen, dass sie sich zu wenig um die Anliegen junger Menschen kümmern würde. Jugendzentren, Skateparks, Pumptracks, Klettergärten, Grillplätze, Proberäume…die Liste der Einrichtungen ist lang und spricht eine deutliche Sprache, dass Jugend- und Subkultur in der Festspielstadt willkommen sind. Wo also liegt der Hund begraben?

Es mag widersprüchlich klingen, aber vielleicht führt genau jene Kluft zwischen erkämpften und geschenkten Freiräumen dazu, dass viele junge Menschen Salzburg als langweilig und bieder empfinden. Doch wie soll man diesem Umstand begegnen? Kaum jemand wird ernsthaft dem Magistrat raten, doch bitte ein bisschen weniger für die jungen Leute zu tun, damit sie sich ihre Freiräume selbst schaffen. Aber vielleicht kann an dieser Stelle der Kreis mit einem Beispiel aus der Ökologie geschlossen werden: Vielerorts werden heute Flüsse renaturiert. Den Gewässern wird dabei ein Raum zugesprochen in dem sie sich natürlich entwickeln können und dabei niemandem schaden. Vielleicht wäre eine solche Renaturierung auch für kulturelle Freiräume nützlich. Das bedeutet, jugendlicher Dynamik ihren Flow zu lassen, solange es tragbar ist. Das ein- oder andere Auge zuzudrücken, nicht jede Anrainerbescherde mit Maßnahmen zu belegen, Initiativen gewähren zu lassen, auch wenn bekannt ist, dass einiges, was dort geschieht, den Rahmen dessen sprengt, was wir im Alltag tolerieren.

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