Fleischesverlust: Was sind unsere Alternativen?

Vegetarische Restaurants in Salzburg

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Der Mensch und sein konventionelles Fleisch pflegen eine große, einseitige Liebesbeziehung. Sie ist so dermaßen einseitig, dass die Liebe des Menschen zu seinem Fleisch dem Planeten großen Schaden zufügt. Aber ohne sein Fleisch scheint der Mensch nicht wirklich können zu wollen. Aus diesem Grund suchen Startups und Wissenschaftler*innen weltweit nach den überzeugendsten Fleischsubstituten. Ein Streifzug.

Beim Lenz am See in Obertrum werden Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken in Erdnussölgeröstet. Besitzer Bernhard Oitner findet, dass dieses Öl das Nussaroma der Insekten verstärkt. Auf gelbem Couscous gebettet glänzen die braunen Körper der Heuschrecken tot vor sich hin und wirken neben dem leuchtenden Blütenköpfchen einer Kapuzinerkresse in der Tellermitte umso farbloser. Im Frühjahr hat das Küchenteam die Insekten in ein saisonal fröhliches Mäntelchen gesteckt: Eine karamellisierte Chili-Heuschrecke war es damals, die die Frischkäsepralinen in gehackter Mehlwurm-Panade dekorierte.

Würden wir also mehr Insekten anstelle von Fleisch essen, würden wir die Ressourcen unseres Planeten enorm schonen.

Eigentlich sollten Insekten das Essen der Zukunft sein, schlagen sie doch in puncto Umwelt und Gesundheit herkömmlichen Fleischkonsum um Welten. Weil Insekten nämlich eine gute Futterverwertungseffizienz haben, benötigt man im Schnitt lediglich zwei Kilogramm Futter für ein Kilogramm Insekten, auch der Wasserverbrauch ist für die Insektenzucht sehr gering. Zum Vergleich: Für ein Kilo Rindfleisch benötigt man etwa acht Kilo Futter. Zudem produzieren Mehlwurm und Co weitaus weniger Treibhausgase als ihre säugetierischen Verwandten in der konventionellen Tierhaltung und sind weniger landabhängig, weshalb die Insektenzucht Platz spart. Würden wir also mehr Insekten anstelle von Fleisch essen, würden wir die Ressourcen unseres Planeten enorm schonen.

Aber nicht nur das: Wir würden auch unserer Gesundheit einen großen Gefallen tun. Insekten bestehen aus bis zu 50 Prozent qualitativ hochwertigem Protein, sind reich an ungesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und Mikronährstoffen wie Magnesium und Zink. Kein Wunder also, dass amerikanische und europäische Startups sich den kleinen Krabblern verschrieben haben und einen neuen Foodtrend ins Leben rufen. So ganz neu ist der allerdings strenggenommen nicht – bereits zwei Milliarden Menschen in Afrika, Asien und Südamerika haben Insekten seit jeher auf ihrem Speiseplan stehen. Und auch hierzulande wurde Textquellen zufolge bis zu Zeiten des frühen Christentums noch Entomphagie, Insektenverzehr, praktiziert. Aber wie sich das für Mode so gehört, kehrt sie immer wieder.

Nichts Besonderes eben, nur ein paar Mehlwürmer.

So bemühen sich Unternehmen um ein neues Image für den Mehlwurm. Insektenmehl lässt sich ohne Albtraumoptik zu normaler Pasta und zu Semmeln verarbeiten und auch aus Insekten Proteinriegeln und Insekten-Patties in Burgern schaut kein Grillenbeinchen raus. Denn der Ekel vor Insekten ist ein vergleichsweise neues, westliches und vor allem sozialisiertes Phänomen.  Aber hier und dort gibt es Fortschritte. Im Lenz am See in Obertrum, sagt Bernhard Oitner, gibt es längst ein Stammpublikum, das sich gerne mal das Insektengericht von der Speisekarte gönnt. Es gibt übrigens nur diese eine Insektenspeise zwischen zugänglichen Salatvariationen und Zanderfilet auf dem Menü. So ganz beiläufig mischen die Mehlwürmer im Speiseplan mit. Nichts Besonderes eben, nur ein paar Mehlwürmer.

„Wir quälen 75 Milliarden Tiere weltweit, brennen den Amazonas nieder und haben vielleicht bald kein wirksames Antibiotikum mehr. Wir haben einiges zu lösen“

Im Rest von Österreich sieht man das weniger selbstverständlich. Ganz im Gegenteil: Der Fleischkonsum in Österreich hat sich in den letzten Jahren nicht signifikant verändert. Das bestätigt auch Kurt Schmidinger, Geophysiker, Lebensmittelwissenschaftler und Leiter der Initiative Future Food mit Sitz in Wien. Future Food ist ein international agierendes Netzwerk aus mehreren Wissenschaftler*innen, das sich mit pflanzlichen Alternativen zu tierischen Produkten beschäftigt und Vernetzungsarbeit zwischen Vereinen, Unternehmen und Forscher*innen leistet. Kurt Schmidinger ist der Meinung, dass die Massentierhaltung ausgedient hat und die Zukunft fleischlos ist. „Wir quälen 75 Milliarden Tiere weltweit, brennen den Amazonas nieder und haben vielleicht bald kein wirksames Antibiotikum mehr. Wir haben einiges zu lösen“, sagt er. Und eigentlich spricht aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen auch nichts gegen „whole food plant based“, eine rein pflanzliche und vollwertige Ernährung also. „Aber die Menschen sind vom Fleischgeschmack abhängig.“

Bei Insekten stellt sich uns die Frage, ob eine Massenproduktion nicht erst wieder Leid verursachen würde

Schmidinger baut nicht allein auf die Vernunft der Menschen, denn Verzicht funktioniere meistens nicht auf freiwilliger Basis, weshalb Fleisch bis heute immer noch Massenware ist. Deshalb sucht er weltweit nach Innovationen, um Fleisch zu ersetzen. Im besten Fall sollen die Substitute in Konsistenz und Geschmack dem Fleisch nachempfunden sein, so unglaublich ähnlich, dass auch überzeugte Fleischtiger keinen Unterschied mehr zu konventionellem Fleisch erkennen können. Vier Bedingungen muss ein Produkt erfüllen, wenn es von Schmidinger als „Future Food“ anerkannt werden soll: Umweltschonend, gesund, tierfreundlich und sozial verträglich. Das ist auch der Grund, wieso Insekten nicht in Schmidingers Vorstellung einer zukünftigen ethischen und ökologischen Ernährung passen: „Wir wissen, dass Insekten eine Form von Schmerz empfinden. Wir möchten Wege finden, wo kein Leiden entsteht. Bei Insekten stellt sich uns die Frage, ob eine Massenproduktion nicht erst wieder Leid verursachen würde“, sagt er.

Gerne spricht Kurt Schmidinger deshalb über Clean Meat. Bei dieser Methode werden Zellen von lebenden Tieren entnommen, damit sie in Nährlösungen je nach Struktur etwa zu Muskelfleisch oder Gehacktem wachsen. Dieses kultivierte Fleisch bietet so viele Vorteile, dass Kurt Schmidinger nicht aus dem Schwärmen herauskommt. Man könnte Fleisch von verschiedenen Tierarten wie Kängurus oder Pinguinen produzieren, ohne ein Tier zu töten. Außerdem sei die Ökobilanz im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch viel besser und es wäre auch gesünder für den Menschen, wenn man etwa cholesterinreduzierte Varianten züchten würde.

Der ersten Clean Meat Burger wurde bereits 2013 hergestellt, seitdem wächst die Forschung um ihn herum rasant. Auch große Fleischkonzerne, erzählt Schmidinger, investierten in die Forschung. Er sieht das als Stimmungsbarometer. Denn wenn die ganz Großen in Clean Meat investieren, müssen sie die Forschung als zukunfts- und vor allem markttauglich betrachten. Selbst der größte deutsche Geflügelkonzern Wiesenhof beteiligt sich minimal am israelischen Startup Supermeat, das ebenfalls an kultiviertem Fleisch forscht. „Das ist für uns ein Indikator, dass es ernst ist“, sagt Schmidinger dazu.

Der große Haken an der Sache ist derzeit, Clean Meat kostengünstig zu produzieren. Deshalb ist es auch noch nicht am Markt. Aber Kurt Schmidinger ist zuversichtlich: „Es sind so viele coole und einflussreiche Leute dahinter und außerdem haben wir den Druck, die Treibhausgasemissionen zu senken.“ Und da die Tierproduktion laut UNO Landwirtschaftsorganisation (FAO) und Weltklimarat (IPCC) für mehr Treibhausgasemissionen verantwortlich ist als der gesamte Verkehr weltweit, ist der Druck groß, den Sektor Ernährung zu revolutionieren.

Clean Meat ist nicht die einzige fleischlose Alternative, die Schmidinger als Future Food denken kann. Vleisch, veganes Fleisch also, hat sich in den letzten Jahren nicht nur immer besser vermarktet, sondern auch als Produkt diversifiziert: Aus dem Sojaschnitzel der früher 2010-er Jahre ist eine Vielzahl an Vleischsorten aus Weizengluten, Lupinen, Pilzen und Algen geworden, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Auch geschmacklich scheinen die Produkte vielversprechend. Der US-Konzern Beyond Meat etwa stellt vegane Fleischprodukte auf Basis von Erbsenprotein her und erhielt anfangs nicht nur von Bill Gates oder Leonardo DiCaprio Finanzhilfe, sondern auch vom weltweit größten Rindfleisch Exporteur aus den USA, Tyson Foods. Der Beyond Burgers des Konzerns ist übrigens auch in österreichischen Filialen erhältlich, derzeit im Metro und in ausgewählten Gastrobetrieben. Das fleischlose Fleisch aus Amerika befindet sich darüber hinaus wohl gerade auf Höhenflug: Mit seinem Börsengang im Mai 2019 hat Beyond Meat einen Kursgewinn von mehr als 300 Prozent erlangt.

„Wir wollen nicht missionieren, wir wollen einladen“, sagt Cassandra Winter. Zusammen mit ihrem Partner Martin Jager führt sie das Salzburger Startup easyVegan. Auch hier werden Vleischprodukte hergestellt, um genau zu sein 2000 Burgerpatties in der Stunde, aber erst, seit sich das Startup eine Pattymaschine zugelegt hat. Die Patties von easyVegan bestehen aus Linsen, dem heimischen Superfood, wie Cassandra Winter zu sagen pflegt, zudem aus Walnüssen und Reis. Das macht sie nicht nur ökologisch gut verträglich, sondern auch gesund. Seit etwa einem Jahr beliefert easyVegan den österreichischen Gastrogroßhandel, darunter auch die Rosenberger Raststätten. Dort haben sich die Patties im „Rosenburger 2.0“ beliebt gemacht. Den Erfolg der Linsen erklärt sich Martin Jager damit, dass sie gleich mehrere Zielgruppen abdecken: Sie sind koscher, halal, glutenfrei und vegan. Und schmecken täten sie ohnehin allen.

„Aber nur, weil man Veganer ist, verliert man die Geschmacksnerven nicht.“

Am Anfang hatte Cassandra Winter nur nach einer Alternative zum Tofuburger gesucht. Sie und Martin Jager hatten sich für einen veganen Lebensstil entschieden, weil ihr Wohlbefinden damit gestiegen war. Und eigentlich hatten sie das Fleisch auch nicht vermisst, bis auf einen saftigen Burger. Das war im Jahr 2013, erzählt Cassandra Winter. Damals war die Auswahlpalette für Veganer*innen noch deutlich schmaler gewesen. „Aber nur weil man Veganer ist, verliert man die Geschmacksnerven nicht“, habe sich Cassandra Winter damals gedacht. Also hatte sie begonnen, Patties aus unterschiedlichsten Zutaten zu formen, bis der easyVegan-Burger entstand. Er wurde auch gleich „approved on the streets“, wie die beiden gerne sagen. Denn mit ihrem Foodtruck unter dem Namen „Vleischpflanzerl“ touren sie noch heute durch Salzburg, wenn auch weniger als zu Beginn, im Jahr 2015.

Martin Jager und Cassandra Winter haben mit ihren Vleischprodukten gute Erfahrungen gemacht. „Die größten Skeptiker wurden zu den besten Abnehmern“,sagt Martin Jager. Dabei ist es gar nicht ihr Anliegen, Fleisch zu imitieren. Viel mehr wollen sie eine vegane Alternative zu Fleisch bieten, die auch Fleischesser*innen schmeckt. „Früher gab es einmal in der WocheFleisch, heute ist es umgekehrt und man isst nur nocheinen Wochentag fleischlos. Das sollte sich wieder umdrehen“, meint Martin Jager. Und wenn das Vleischpflanzerldazu beitragen kann, dass sich auch Fleischesser*innen zunehmend für die fleischlose Alternativeentscheiden, ist für das Duo bereits viel gewonnen.

Das findet auch Bernhard Oitner vom Lenz am See. Er glaubt, dass zusätzliche Angebote zu Fleisch in naher Zukunft einen fixen Platz in der Ernährung finden werden. Und Kurt Schmidinger ist der Meinung, dass das Essen der Zukunft ohnehin über viele Parallelstrategien entwickelt werden muss und deshalb jede Fleischalternative ihre Berechtigung und Sinnhaftigkeit hat. „Weil so viel Zeit hamma nicht“, sagt er.


Dieser Artikel ist zuerst im QWANT. Magazin, Winterausgabe 2019, erschienen.

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