Digitale Nomaden: In 107 Betten um die Welt

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Eine Sozialarbeiterin und ein Filmemacher aus Salzburg reisen ein Jahr lang um die Welt, um Hilfsprojekte zu unterstützen. Wir haben sie getroffen und erfahren, warum das Leben als digitaler Nomade schwerer ist, als es klingt – und warum es sich trotzdem lohnt.

Wer von den beiden als Erstes die Idee hatte, daran können sich Melanie und Philipp heute nicht mehr erinnern. Fest steht nur, dass der Moment für eine Veränderung ideal war. Sie: soeben das Soziale Arbeit-Studium an der Fachhochschule abgeschlossen. Er: freischaffender Fotograf und Filmemacher auf der Suche nach neuen Blickwinkeln.

Das Ziel: Helfen, Lernen, teilen

So entsteht in vielen Gesprächen und Diskussionen der Plan für das gemeinsame Projekt mit dem Titel Our.Wold.Experience: Ein Jahr lang will das Paar rund um die Welt reisen. Aber nicht als Urlauber, sondern als Lehrlinge ihrer jeweiligen Zunft. Sie als Sozialarbeiterin, er als Fotograf und Filmer. Jeweils ein Monat wollen Philipp und Melanie in einem Land bleiben, um ein regionales Sozialprojekt zu unterstützen. Als Lohn für ihre Arbeit wollen die beiden kein Geld, sondern Essen und einen Platz zu schlafen. Das Motto: „Help, Learn, Share.”

Anfang mit Hindernissen

Doch schon auf der ersten Station der Reise wird klar, dass die Idee eines globalen Lehrjahres in der Praxis viel schwerer umzusetzen ist, als es sich die beiden vorgestellt haben. Das erste gemeinsame Projekt in Südafrika stellt sich als Luftblase heraus, der vermeintliche Gastgeber ist nach dem ersten Treffen nie wieder gesehen. Die beiden stehen gleich zu Beginn ohne Job und ohne Unterkunft da. „Da haben wir gemerkt, dass das einfach nicht so funktioniert in jedem Land”, erzählt Melanie. „Und wir haben uns gedacht: Fuck, wie wird das Jahr wohl ablaufen, wenn das schon so startet?”

Trotzdem lassen sich die beiden nicht entmutigen. Sie nutzen die unfreiwillig gewonnene Zeit, um Arbeitsstellen in anderen Ländern zu suchen. E-Mails werden verschickt, Freunde von Freunden über Facebook kontaktiert. Und tatsächlich, bald haben die beiden ihren ersten Auftrag in der Tasche: Die Reise führt nach Indien, wo sie in Slums und abgelegenen Gegenden für ein Digitalisierungsprojekt unterwegs sind. Hier macht Philipp jene Erfahrungen, die er aus Österreich nicht kennt: „Wir wollten in Delhi eine Doku über den illegalen Verkauf von E-Waste drehen. Dabei ist uns erstmals bewusst geworden, wie schwer und gefährlich es ist, als Außenstehender Fotojournalismus zu machen. Das funktioniert einfach nicht, wenn man nur ein paar Tage vor Ort ist”, erzählt er.

Beim Aufenthalt in Nepal, zeigt sich auch der große Unterschied zwischen dem Konzept der beiden und einer normalen Weltreise: „Normalerweise geht man in Nepal in die Berge, macht Trekking. Wir dagegen sind für das Projekt Karmalaya in Erdbebengebiete gewandert, die noch immer abgeschnitten sind, um dort Menschen zu interviewen”, erzählt Melanie. Das wichtigste Werkzeug als Digitaler Nomade? Ein Laptop und eine Steckdose. „Man braucht nicht mehr als WLAN und Strom, dann kann man sehr viel bewegen”, erinnert sich Melanie. „Und das coole war, dass wir immer mit Locals unterwegs waren”.

„Man zeigt auf Social Media natürlich nur die schönen Fotos, aber zum Teil war es echt schwer”

Die Begegnungen mit Menschen und ihren Projekten sind es, die Philipp und Melanie unterwegs auch in schwierigen Momenten antreiben. Und davon erleben sie auf ihrer Reise viele: „Man zeigt auf Social Media natürlich nur die schönen Fotos, aber zum Teil war es echt schwer”, erzählt Philipp ehrlich. „Der Zeitdruck war das größte Problem. Sobald wir an einem Ort angekommen waren, hatten wir schon wieder Stress, einen Job an einem neuen Ort zu finden. Das hat mich oft gestresst, weil ich beruflich so viel wie möglich aus dem Jahr herausholen wollte.” Melanie nickt: „Oft haben wir fünfzig bis hundert E-Mails verschickt, und keine Antwort bekommen. Das war extrem anstrengend, weil wir im Land wenig Zeit gehabt haben”.

In solchen Momenten hätten die beiden immer wieder ihr Projekt hinterfragt, geben sie ehrlich zu. Denn auch die Geldreserven neigen sich bald dem Ende zu. Doch zum Aufgeben sind die beiden zu ehrgeizig. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, zu lernen und ihre Fähigkeiten dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Also machen sie weiter, auch wenn die Anstrengung und das permanente Zusammensein sie immer wieder an ihre Grenzen bringt. „Es ist einfach etwas anderes, wenn man einem Arbeitskollegen Feedback gibt, als dem eigenen Partner”, erzählen sie unisono. “Man ist nicht nur Kollege, sondern auch bester Freund und Partner. Das ist eine sehr spezielle Situation”, erzählt Melanie.

Der schwerste Teil: Die Rückkehr

Und dann, nach fast einem Jahr, ist mit Island die letzte Station der Reise erreicht. Bis dahin haben die beiden 15  Länder bereist, in 107 Betten, Zelten und Sesseln geschlafen, haben drei Unfälle gehabt, einen gestohlenen Rucksack und eine verlorene Ukulele zu beklagen. Doch der schwerste Teil steht den beiden noch bevor: die Rückkehr nach Salzburg. Lange wissen Philipp und Melanie nicht, ob sie überhaupt hierbleiben sollen, oder doch ganz woanders einen Neustart wagen sollen. „Das Weggehen war viel einfacher, als das Zurückkommen”, erzählt Melanie, die heute in einer Salzburger Wohnungsloseneinrichtung arbeitet. Das bestätigt auch Philipp: “Als wir uns auf Wohnungssuche gemacht haben, haben uns die Preise richtig umgehauen“.

Was den beiden ihr Projekt gebracht hat?

”Ich habe gemerkt, wo meine Prioritäten liegen. Welche Arbeit mich glücklich macht. Ich suche mir jetzt gezielter die Aufträge, die ich machen will”, erzählt Philipp. Melanie profitiert für ihre Arbeit als Sozialarbeiterin von ihren Erfahrungen: „Das Verständnis für Interkulturelles und für Hintergründe der Sozialwirtschaft hat mir sehr viel gebracht”.

Ob die beiden sich noch einmal auf die Reise machen würden? „Ja, aber anders”, sagt Philipp. Er würde sich heute mehr Zeit nehmen für die einzelnen Orte. Und vielleicht jedes Jahr ein Projekt besuchen, um sich richtig darauf zu konzentrieren. Auch Melanie hat die Lust am Entdecken nicht verloren. Doch sie ist froh, einen Ort zu haben, an dem sie zu Hause ist: „So cool das Leben als digitaler Nomade auch ist, bin ich heute froh, dass ich einen Ort habe, an dem ich zuhause bin”, meint sie und blickt auf ihren Unterarm, den kreisrunde Tätowierungen zieren. Ein Kreis für jedes besuchte Land auf ihrer Reise, der genauso wenig verschwindet, wie die Erinnerung an ihre Wold Experience.

Auf www.ourworldexperience.com findet ihr alle Stationen zum Nachlesen.

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