„Die besten Fälscher der Welt sind Restauratoren”

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Den Stadtrestaurator hat man sich irgendwie altertümlicher vorgestellt. Ein bisschen mehr mit weißem, schütterem Haar und dicker Brille. Dabei ist Christian Moser ganz anders: Der Bart fein säuberlich ums Gesicht gestutzt, die Schultern spannen das Polohemd. Fast könnte man meinen, man hätte es mit einem Segler zu tun. Aber seine Bestimmung ist nicht die weite See. Viele Stunden des Tages verbringt er in seiner Werkstätte, im Haus der Stadtgeschichte.

Als Archivrestaurator bearbeitet Christian Moser Papier, Leder, Pergament, Wachssiegel, Fotografien und Bücher. Die Arbeit wird ihm so schnell nicht ausgehen: 15 Kilometer Regale warten in den Bücherspeichern darauf, liebevoll aufgepeppt zu werden. Die ältesten Exponate sind mehr als 750 Jahre alt. Bei unzähligen papierenen Berühmtheiten hat Moser schon selbst Hand angelegt. So hat er mehrere Notenblätter der Mozarts, Skizzen von Michelangelo und das Stille Nacht-Lied vor dem Verfall gerettet.

Immer wieder wird Christian Moser bei unserem Gespräch betonen, dass ein Restaurator buntes Fachwissen vereinen muss. Mit unterschiedlichsten Materialien wie Papier, Pergament, Leder, Holz, Metall, Textilien und Wachs muss man sich bis ins Detail auseinandersetzen. Man zähle noch die Drucktechniken hinzu, Kenntnisse über Tinten, Pigmente und andere Schreibmittel, addiere ethische Fragen und ohne Chemie und Physik kommt man sowieso nicht weit. „Es wird nie langweilig“, fasst er zufrieden zusammen.

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Vom Bauernhof in den Vatikan

So bunt wie sein Fachwissen ist deshalb auch sein Werdegang. Aufgewachsen am Bauernhof im Pinzgau, hat er mit 15 das Buchbinderhandwerk erlernt. Einer wie Christian Moser ist heutzutage selten geworden. Das Binden von Büchern mit Nadel und Zwirn, so wie es bereits vor über tausend Jahren in Klöstern gelehrt wurde, fristet heutzutage ein Nischendasein.

Irgendwo zwischen der Handwerksausbildung im Landesarchiv und dem späteren Besuch am Abendgymnasium hat sich Moser für ein weiterbildendes Fernstudium im Bereich der Restaurierung entschieden und ist danach im Vatikan gelandet. Denn: Nicht nur für überzeugte Katholiken führen alle Wege nach Rom. „Ich habe dort nichts verdient. Aber ich war jung und sehr bescheiden. Als ich die ersten Tage im Vatikan war, haben sie alles in Schubladen vor mir versteckt. Zu meinem Lehrer Ezio, einem der begnadetsten Restauratoren, den ich jemals kennengelernt habe, hat sich eine bis heute anhaltende Freundschaft entwickelt. Ich habe unter seiner Führung Techniken erlernen dürfen, die heute nur mehr ganz, ganz wenige beherrschen.“

Vieles, das Moser gelernt hat, hat er sich in seiner Freizeit angeeignet, ein 40-Stunden-Job reiche da nicht. „Die meisten Versuche mache ich am Wochenende. Mein Hobby ist mein Beruf, meine Leidenschaft, wahrscheinlich auch meine Bestimmung.“

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CSI im Stadtarchiv

Christian Mosers detektivisches Gespür blieb auch von der Kripo nicht unbemerkt. Immer wieder wird er als Experte hinzugezogen. So hat er beigetragen, dass jugendliche Serieneinbrecher im Flachgau gefasst werden konnten. Sie hatten am Tatort ein Papierknäuel verloren. Moser hat Wochen später im Labor aus dem verklebten und verschimmelten Zettel ein Zugticket mit Datum und Uhrzeit rekonstruieren können. Prompt wurde die Überwachungskamera der ÖBB ausgewertet und die Täter waren überführt. CSI Stadtarchiv hätten sie ihn damals genannt, sagt er schmunzelnd.

„Wir Restauratoren sind die besten Fälscher.“

Die kriminelle Ader sucht man bei Christian Moser selbst jedoch vergeblich. „Ich restauriere Objekte so, dass man den Unterschied sieht. Man muss sehen, was original ist.“ Das ist die Moral, die er vehement vertritt. „Ich traue mich zu sagen, dass ich Fotografien aus 1860 nachstellen könnte, ohne dass jemand etwas merken würde. Nur mache ich das nicht.“

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Es sind Möglichkeiten, die er nicht ausschöpft. Dabei gäbe es prominente Vorbilder: Zum Beispiel den Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, Sohn eines Kirchenrestaurators, ein Star der Szene. „Er hat hunderte Bilder für den Kunstmarkt gefälscht. Seine Frau hat sich für Fotografien verkleidet und Sachverständige sind ihnen aufgesessen.“ Irgendwann ist man Beltracchi auf die Schliche gekommen. Feinste Verunreinigungen seiner verwendeten Farbe haben ihm und seiner Frau einige Jahre Knast eingebracht. Dennoch: Beltracchi ist ein Kenner seines Fachs, kommentiert Moser. Die besten Fälscher der Welt sind eben meist Restauratoren. „Ich habe ihn kontaktiert, um ihn mal als Kollege bei einem Fachtreffen kennenzulernen. Vielleicht schenke ich ihm dann Salzburger Mozartkugeln, aber natürlich nur die echten.“

„Wir Restauratoren sind dazu da, den Kunstwerken einen schönen Lebensabend zu verschaffen.“

Die Restaurierung ist eine ethische Angelegenheit, wiederholt er. „Meine Intention ist es nicht, Objekte zu verfälschen. Und ich kann sie auch nicht für die Ewigkeit haltbar machen. Aber ich habe die Möglichkeit, das Zerfallsdatum um ein Vielfaches hinauszuschieben, der Ewigkeit somit einen Schritt näherzukommen. Wir Restauratoren sind dazu da, den Kunstwerken einen schönen Lebensabend zu verschaffen“. Dann wendet er sich wieder dem Siegel zu, das auf dem Tisch im Labor liegt, dreht und wendet das Exponat zwischen seinen Fingern und erklärt detailverliebt Rillen und Abdrücke des kleinen Kunstwerks. Als gäbe es nichts Spannenderes.


Dieser Text ist zuerst im QWANT. Magazin Jänner/2019 erschienen. Ihr wollt euer QWANT. künftig auch direkt ins Postkastl bekommen? Kein Problem! HIER könnt ihr ein Gratis Abo bestellen.

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