Alles, was man kauft, bleibt für immer auf dieser Erde.

In der Ausstellung „Circular Materials“ lernt man, bei welchen Materialien das ok ist

Dieser Satz hat uns hart getroffen: „Alles, was du jemals gekauft hast, bleibt für immer auf dieser Erde.“ Wo soll es auch hin? Wenn wir nicht auf den Mars umziehen wollen (dazu aktuell eine Ausstellung im Haus der Natur), müssen wir uns mit unseren Reststoffen als Rohstoffe beschäftigen. Unser heuriger Tipp, falls ihr euch die Zeit bis zum Christkind vertreiben wollt: Auf den übervollen Christkindlmarkt pfeifen und ein paar Häuser weitergehen, ins Architekturhaus zur Ausstellung „Circular Materials“.

Uhuhuh, Lieblingsthema-Alert.

Wir sind wieder einmal bei der Arbeit der FH Salzburg am Campus Kuchl gelandet. Ihr erinnert euch: Der Standort beschäftigt sich in unterschiedlichen Schwerpunkten mit der Entwicklung von nachhaltigen Projekten. Egal, ob im Design, im Hausbau, in der Innenarchitektur etc pp. Dieses Mal sind wir aber nicht nach Kuchl gefahren, sondern ins Architekturhaus. Da gibt’s noch bis Februar eine Ausstellung über das Potenzial von biogenen Materialien und wie man sie als Basis für neue, kreislauffähige Werkstoffe und Produkte nutzen könnte. Sinngemäß von uns übersetzt: Produkte aus biogenen Materialien nutzen wir und dann bauen sie sich irgendwann selber ab. Win-win. 

 „Alles was wächst“, sagt Michael Ebner, „ist vor uns nicht sicher.“

Michael Ebner leitet den Fachbereich Furniture & Interior Design am Campus Kuchl im Department für Design und Green Engineering. Die Ausstellung, sagt er, zeigt, was biogene Materialien leisten können und wie man sie in zukünftigen Entwicklungen zum Einsatz bringen kann. Möglich ist vieles: Im Designbereich, bei z. B. Möbeln, aber auch in weniger offensichtlichen Bereichen wie dem pharmazeutischen Kontext. „Das sind Materialien, die uns faszinieren“, sagt Michael. „Und wir wollen diese Faszination weitergeben.“

Was wächst denn da so, von dem wir wissen sollten? 

Wir starten mit einem Klassiker: die Rinde. Die ist im Prinzip die Schutzschicht des Baums gegen die widrigsten Umwelteinflüsse, Temperaturen von +40 Grad Celsius an der Oberfläche bis –20 Grad Celsius im Winter. „Ein Temperaturdelta, das andere Werkstoffe, die wir technisch produzieren, in der Form nicht in der Lage sind zu leisten“, sagt Michael. Man glaubt, die Rinde zu kennen. Was aber interessant ist, sind die natürlichen Abwehrmechanismen in Richtung Käfer oder Pilze, gleichzeitig hat die Rinde eine Dämmeigenschaft und kann extrem viel Energie speichern. Speziell diese Speicherfähigkeit macht sie hochgradig attraktiv, um sie im Bereich der Dämmung oder Fassaden einzusetzen, zum Beispiel, wenn es darum geht, das sommerliche Überhitzen abzufedern, als Speichermasse und gleichzeitig als Dämmung. „Da ist die Rinde unerreicht im Vergleich zu unseren technischen Möglichkeiten.“

"Alles, was im Kreislauf geführt wird, produziert keinen Müll. Jeder Reststoff aus einer Produktionskette ist der Ausgangsstoff fürs nächste Produkt."

Die Grundlage von allem, das ist der Kreis.

Am Campus Kuchl läuft alles rund, zumindest ist das die Idee. Ausgangslage aller Überlegungen ist immer die Natur. „Die Natur ist nicht motiviert, sich für uns zu entwickeln. Sondern wir sind es, die schauen müssen, wie wir symbiotisch mit ihr unsere Wohlstandsvorstellungen umsetzen, und zwar so, dass niemand unter die Räder kommt“, sagt Michael. Ein guter Weg dafür ist die Kreislaufwirtschaft. „Bis jetzt wurde in der Produktion linear gedacht. Ein Produkt hat einen Anfang und ein Ende. Der Kreislauf, das ist etwas, das wir uns von der Natur abschauen. Alles, was im Kreislauf geführt wird, produziert keinen Müll, jeder Reststoff aus einer Produktionskette ist der Ausgangsstoff für das nächste Produkt, erklärt Michael.  

Aus Karton wird z. B. Kinderspielzeug: Es könnte so einfach sein

Holz, das ist der Werkstoff, der am Campus Kuchl seit gefühlt tausend Jahren beforscht wird. Holz ist „die Pflicht“, sagt Michael Ebner und selbstverständlich sehr präsent am Campus. Aus Studienarbeiten entwickeln sich aber auch immer wieder neue Ansätze. So hat sich ein Student irgendwann gedacht: Was kann ich aus Kartonagen als Ausgangsstoff machen? „Kartonagen“, sagt Michael Ebner, „sind ein Problem, das jeder kennt. Kartonagen haben ein Volumen, das man sich kaum vorstellen kann. Mit den Paketen, die privat oder im industriellen Kontext versendet werden, haben wir wahnsinnig viele zellulosebasierte Kartonprodukte am Markt. Die Idee war also, die Kartonagen wieder zu zerreißen, mit Zugabe von Wasser und Maiskleber zu verrühren und dann zu Bausteinen zu pressen, die funktional und ästhetisch sind. Mit natürlichen Farben (von z. B. Heidelbeeren) lassen sich die Produkte färben. 

Früher Kartonage, heute Bausteine. Kann man mit Heidelbeeren sogar einfärben (rechts im Bild).

Aber eines muss man schon auch sagen: „Wir sind nicht naiv.“

All die schönen Ideen im Architekturhaus verführen zum Gedanken: Warum muss die Welt eigentlich zugrunde gehen, wenn man das alles schon weiß und kann? „Wir sind nicht naiv“, sagt Michael. Bei all den Potenzialen müssen sich die Werkstoffe auch ob ihrer Funktionalität und Wirtschaftlichkeit beweisen, „Fundamente werden eben nicht auf Blüten gebaut.“ Jetzt stößt Felix zu uns, er war noch im Call mit Uganda. Felix ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Salzburg am Department Design & Green Engineering. Gemeinsam mit Studierenden der FH, der afrikanischen Nkumba Universität und der Angewandten in Wien tüftelt er über mögliche Anwendungsweisen von Luffa. 

Wer „Und dann kam Polly“ schon mal gesehen hat, kennt Luffa.

Für alle anderen: Aus Luffa werden bis jetzt ganz gern Pflegeprodukte gemacht, z. B. Waschschwämme, im Englischen hält Luffa sogar als Synonym für ebendiesen her. „Das ist eine spannende Anwendung“, sagt Felix, „aber wir sind der Überzeugung, dass das Material mehr kann. Im westlichen Kontext wäre es eine Möglichkeit, eine schockabsorbende Verpackung zu konstruieren.“ Über weitere Ideen denkt Felix gemeinsam mit den Studierenden in Kuchl und in Ostafrika bei einem gemeinsamen Projekt nach. „Einlagen für Schuhe war da eine Idee oder die Nutzung der Samen, die aktuell nur ausgeklopft werden. Oder Faserversteifung für Ton“, erzählt er. Die Grundfragen sind: Wo ist der need, die Möglichkeit vor Ort in Uganda eine Wertschöpfung zu schaffen? Wie kann man einen Anreiz schaffen, dass Landwirt*innen diesen Werkstoff anbauen, Communities ihn vertreiben und verkaufen? Immer mit dem Ziel, eine lokale Wertschöpfung mit einem spannenden, biogenen Material zu schaffen. 

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Von Kuchl in die ganze Welt – sogar nach Salzburg

Das Luffa-Projekt ist nur eines von vielen, die ihr im Architekturhaus nachlesen könnt. Was ihr auch findet: Projekte mit Materialien wie  Stroh, Malve, Treber, Extrakt-Stoffe wie Tannin, Lignin, Öle, Wachse, Kasein und Stärke bis hin zu Pilzen zur Verfügung. Es zahlt sich aus: Kreislaufwirtschaft statt linearem Wegwerf-Pragmatismus, ein Grundstein zum besseren Verständnis der Möglichkeiten legt die Ausstellung im Architekturhaus. Und ajo, niemand muss sich fürchten: Die Potenziale werden nicht aufgezeigt, um etwas zu verbieten. Sondern um weniger effiziente Materialien zu ersetzen. 

Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag, 12.00 Uhr – 17.00 Uhr

Ausstellungsdauer:
Freitag, 15. November 2024 – Freitag, 28. Februar 2025

Freier Eintritt!

Eine Kooperation mit der FH Salzburg | Department Design & Green Engineering.

So, was noch?

Unsere Notizen sind noch elendslang, danke auch an dieser Stelle an Roman vom Architekturhaus, mit dem wir auch geplaudert haben, aber irgendwie ging der Text jetzt in eine andere Richtung. Wir lieben diese Potenziale, wir finden die Leute in Kuchl wunderbar und Gespräche mit ihnen tun unserem Hirn gut und lindern die Zukunftsangst-Schnappatmung. Gehet hin in Neugier und schaut euch die Ausstellung an. Bewerbt euch um einen Studienplatz und verändert die Welt. Ihr könnt auch mit biogenen Materialien reich werden, wenn euch das wichtig ist. 

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