10 Fragen an eine Salzburger Hebamme

Anna Ferner arbeitet seit zehn Jahren als Hebamme im Salzburger Landeskrankenhaus. Wir haben mit ihr über traurige und lustige Momente bei der Geburt, das Klischee vom nervenden Partner sowie über Gewalt im Kreißsaal gesprochen.

Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?

Das ist aus der Verzweiflung darüber entstanden, dass ich Jus und Politik nicht weitermachen wollte. Am Ende des Bachelorstudiums Politik habe ich mich gefragt: Was mach ich danach, was wird aus mir? Ich habe mir überlegt, was ich machen würde, wenn ich nochmal neu starten könnte. Da kam mir der Berufswunsch Hebamme aus meiner Schulzeit wieder in Erinnerung, über den ich mich damals nicht drüber getraut habe. Ich habe noch ein Praktikum im Kreißsaal gemacht, wo ich auch bei einer Geburt dabei war. Und dann war mir klar, das möchte ich machen, das ist mein Beruf. Ich habe dann auch noch freiberufliche Hebammen begleitet, um ein rundes Bild zu kriegen. Und jetzt bin ich zehn Jahre mit der Ausbildung fertig und bin mir sicher, mich richtig entschieden zu haben.

 

Welche Aspekte an deinem Beruf liebst du besonders und welche findest du emotional herausfordernd?

Wenn du als Hebamme arbeitest, stellt sich die Sinnfrage nicht. Es ist einfach sinnvoll, was du da machst. Egal ob ich hier im Kreißsaal bin oder draußen bei der Nachsorge, wenn man Frauen und Familien beim Mama- und Eltern-Werden unterstützt. Die Antwort, die Resonanz ist so unmittelbar. Das finde ich einfach super.

Es gibt natürlich Situationen, die einen lange beschäftigen. Aber auch die 12 Stunden-Schichten und Nachtdienste, das ist auch körperlich echt eine Herausforderung. Da ist man am nächsten Tag vielleicht nicht immer die supergut gelaunte Mama und Partnerin. Sondern vielleicht auch übermüdet und ein bisserl grantig.

 

An welche Geburtssituation denkst du heute noch gerne zurück?

Da war ein super sympathisches Paar, die ihr zweites Kind bekommen haben. Ich habe der Frau einen venösen Zugang gelegt, das gehört zu unseren Routinen. Als ich den Zugang gelegt habe, ist natürlich ein bisschen Blut rausgekommen und der Mann hat da schon ein bisschen gewankt. Und da habe ich mir gedacht: puh, das wird spannend unter der Geburt, auf ihn muss ich gut schauen. Die Geburt ist dann voll gut voran gegangen und bei der Untersuchung war der Muttermund vier Zentimeter geöffnet. Die Frau hatte auch kräftige Wehen und wollte nicht im Bett liegen bleiben, sondern lieber aufstehen. Plötzlich sagte sie: Jetzt kommt das Kind! Der Mann schaute dann hin und sagte: Luise ist da! Er hat da die Haare vom Köpfchen gesehen, der da schon rauskam. Und ich dachte mir, wie schräg ist das? Bei drei Tröpfchen Blut fliegt er fast um und wenn er die Haare sieht, war er mega begeistert. Und ich war es auch, das war eine coole Geburt. 

Welche besonderen Rituale hast du schon bei Geburten miterleben dürfen?

Manche Kinder, ich glaube aus dem arabischen Raum, bekommen ein rotes Shirt angezogen – das finde ich total schön. Nach der Geburt meines eigenen Kindes, die sogar hier in der Badewanne stattgefunden hat, sind alle Kolleginnen zu mir gekommen und haben gesungen. Das war wahnsinnig schön und wirklich besonders.

Eine Frau hat sich mal mit Weihwasser besprenkelt. Sie sagte: „Ich glaub zwar nicht an Gott, aber das hat mir meine Mama mitgegeben und ich brauch das jetzt.“

"Extrem belastend für die Frau und auch den Geburtsprozess ist, wenn die Männer sagen: Meine Frau kann nicht mehr. Meine Frau will nicht mehr. Meine Frau hat solche Schmerzen."

Stimmt es, dass manche Partner im Kreißsaal mehr Betreuung brauchen, als die Gebärenden selbst?

Nein und mir ist eines ganz wichtig: Ich bin für die Frauen und die Kinder da und die Männer sollten das auch. Natürlich erklär ich ihnen alles und rede mit ihnen, sie sind selbstverständlich im Prozess miteinbezogen. Aber wichtig: Sie sind zur Unterstützung da. Extrem belastend für die Frau und auch den Geburtsprozess ist, wenn die Männer sagen: „Meine Frau kann nicht mehr. Meine Frau will nicht mehr. Meine Frau hat solche Schmerzen.“ Ich vergleiche die Geburt gerne mit einem Berg. Wenn du auf einen Berg raufgehst und es ist zach, dann hörst du aus dem Hintergrund immer: Die kann nicht mehr, die schafft das nicht mehr. Von der Person, die ich eigentlich mitgenommen habe, damit die mich stärkt und unterstützt. Das würde mich massiv demotivieren. Wenn eine Frau nicht mehr kann, dann sagt sie das schon selber. Den Weg, den geht die Frau. Das muss man als Begleitperson aushalten.

 

 

Wie gehst du mit unvorhergesehen Komplikationen um und wie bereitest du die Eltern darauf vor?

Also im Geburtsvorbereitungskurs spricht man das schon an. Das würde ich auch echt allen werdenden Eltern empfehlen: Geht in einen Geburtsvorbereitungskurs und redet mit einer Hebamme!

Während der Geburt ist dann einfach wichtig, dass man präzise erklärt. Die Kommunikation ist aus der Frauen- und Eltern-Perspektive sicher am wichtigsten. Dass sie einfach wissen, was gerade passiert und passieren wird. Wenn etwas Unvorhergesehenes eintreten sollte, ist immer mein erster Impuls, die Glocke zu läuten. Dann kommen die Kolleg*innen, Hebammen und Ärzt*innen dazu und unterstützen mich. Manchmal stabilisiert sich die Lage wieder, manchmal braucht es eine Intervention.

„Eine besonders traurige Geburt war, als eine Frau ihr Baby still geboren hat. Das war vorab auch bekannt. Sie haben das dann so liebevoll willkommen geheißen und wieder verabschiedet. Das war sehr berührend.“

Erinnerst du dich noch an eine besonders schöne und eine besonders traurige Geburt?

Eine besonders schöne Geburt, war eigentlich eine ganz normale. Das erste Kind von den Eltern war ein Kaiserschnitt, den sie damals nicht wollten, aber unter der Geburt notwendig wurde. Und dann haben sie dieses zweite Kind gekriegt und haben es geschafft und waren so glücklich. Dieses Geburtenhoch, was man als Hebamme miterleben darf, ist schon besonders. Die haben mich einfach so berührt, dass mir selbst fast die Tränen gekommen sind. Und da war ich echt schon länger Hebamme.

Eine besonders traurige Geburt war, als eine Frau ihr Baby still geboren hat. Das war vorab auch bekannt. Sie haben das dann so liebevoll willkommen geheißen und wieder verabschiedet. Das war sehr berührend

Meine erste Stille Geburt generell war während des Studiums und irrsinnig traurig. Danach habe ich ganz viel mit meinem Bruder, der Arzt ist, und meiner Studiengangsleitung reden müssen. Es ist wirklich wichtig, über belastende Situationen zu reden. Ganz oft ist das dann eine Kreißsaal-Küchentisch-Supervision, wo man das bespricht und somit stückweise auch in der Arbeit lassen kann. Wir starten jetzt auch mit einer professionellen Intervision, wo man einfach hingehen und reden kann. Das ist interdisziplinär, das heißt, da können die Hebammen hingehen, genauso wie die Ärztinnen und Ärzte.

Man hört leider auch immer wieder von Gewalt im Kreißsaal. Wie nimmst du das wahr und gibt es Präventionen oder Sensibilisierungen?

Gewalt in der Geburtshilfe ist auch für uns Hebammen ein extrem schmerzhaftes Thema. Manchmal sind Geburten so schnell und haben so eine Kraft, dass man als Frau Vertrauen in die Umgebung und den eigenen Körper haben muss, damit der das schafft. Auch hier: Geht in einen Geburtsvorbereitungskurs. Denkt darüber nach, wie eure Einstellung zum Gebären ist und auch, wie ihr mit Schmerzen umgeht. Redet mit einer Hebamme darüber und setzt euch mit dem Sinn der Geburtsschmerzen auseinander. Der ist der Guide durch die Geburt, der die Frauen unterstützt und natürlich auch mal überwältigend sein kann. Und da hat man die Möglichkeit der Schmerzmedikation.

Wenn Komplikationen unter der Geburt entstehen, ist Kommunikation was extrem Wichtiges. Bei uns findet auch eine Fortbildung zur Notfallkommunikation statt. Zusätzlich machen wir im Landeskrankenhaus auch Simulationstrainings. Da üben wir Notfälle, um anschließend zu reflektieren, was gut gelaufen ist und was nicht. Solche Notfall-Situationen kommen zum Glück selten vor, aber man muss das trainieren. Kommunikation ist aus der Eltern-Perspektive, neben der Gesundheit von Mutter und Kind, sicher am wichtigsten. Ich würde auch allen Frauen zum Postportalen Debriefing raten, sei es bei einer Geburt mit oder ohne Komplikationen. Seit kurzem geben wir den Frauen einen Zettel mit, wo sie ermutigt werden, erneut zu kommen, wenn sie nochmal über was reden wollen.

Wie gehst du mit Sprachbarrieren zwischen der Gebärenden und dir um?

Das ist schon schwierig, wenn man nicht kommunizieren und erklären kann. Zum Glück ist das den Frauen auch bewusst, dass das keine tolle Situation ist und sie nehmen meistens jemanden mit, der übersetzen kann. Aber das ist schon eine Herausforderung. Wir haben zwar auch einen Videodolmetscher, hin und wieder hilft auch Google Translate. Aber medizinische Aufklärung kann ich nicht mit Google Translate machen. Im schlimmsten Fall wird mit Händen und Füßen kommuniziert. Irgendwie klappt es.

 

"Was ich mir wünschen würde, ist, dass jede*r weiß, was Hebammen alles können."

Was würdest du dir wünschen, das mehr Menschen über deine Arbeit wissen?

Was ich mir wünschen würde, ist, dass jede*r weiß, was Hebammen alles können. Dass Hebammen eigenständig die gesunde Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betreuen können. Wir sind auch Ansprechpartnerinnen beim Thema Stillen und bis ins erste Lebensjahr des Kindes. Dass die Menschen sehen, wie umfangreich der Hebammenberuf ist.

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