Ein Kind auf Bestellung

Google braucht genau 0,69 Sekunden. Dann spuckt die Suchmaschine 2.710.000 Ergebnisse zum Begriff „künstliche Befruchtung“ aus. Der erste Treffer führt zu Wikipedia und erklärt, wie die Wissenschaft mithilft, damit ein Baby auf die Welt kommt. Der zweite Treffer bringt den User zur Webseite einer Salzburger Kinderwunschklinik.

Ein Jahr haben sie es normal probiert, erzählt Anna* und sich dann für ein „In-Vitro-Baby“ entschieden. Sie erzählt es auf einer Geburtstagsfeier, die Männer sind draußen beim Rauchen, etwas beschämt wirkt sie dabei, wie beim Ausplaudern eines peinlichen Geheimnisses. Beim zweiten Versuch hat der Eingriff funktioniert, mittlerweile ist ihre Tochter auf der Welt und Anna könnte nicht glücklicher sein. Und trotzdem wusste bis zum Tag der Geburt niemand von der künstlichen Befruchtung, nicht einmal ihre Eltern.

Warum Anna damit so schweigsam umgegangen sei? „Ich hatte keine Lust auf Kommentare wie ‚Baby aus dem Reagenzglas’ und die mitleidigen Blicke von denen, die ganz normal schwanger geworden sind.“ Mit diesen Bedenken ist sie nicht allein. Viele Eltern würden sich nicht öffentlich outen, bestätigt Dr. Dietmar Spitzer. Er ist ärztlicher Leiter der IVF Zentren Prof. Zech – Salzburg GmbH. Seit dem Bestehen der Prof. Zech Kinderwunschkliniken wurden weltweit bis dato 30.000 Kinder zur Welt gebracht, die auf „natürlichem Wege“ vielleicht nie geboren worden wären.

Dass die Flüstereien um das Thema „künstliche Befruchtung” ein Ende haben sollten, dafür setzt sich Sonja Winkler ein.

Sonja Winkler und kuenstliche Befruchtung in Salzburg

Bevor sie ihren Blog gingerinthebasement.at stillgelegt hat, hat sie dort über Salzburg, Fashion und Kulinarik geschrieben. Vor einigen Jahren hat sich neben Rezepten und Lokaltipps aber ein neues Thema eingeschlichen. „Was wirklich mit mir los ist” titelte der Blogbeitrag damals, über dessen Veröffentlichung Sonja lange nachgedacht hat. Darin erzählt sie zum ersten Mal von ihrem Plan, eine künstliche Befruchtung vornehmen zu lassen. „Mein Mann und ich haben es zwei oder drei Jahre lang darauf ankommen lassen, schwanger zu werden”, erzählt Sonja. Geklappt hat das nicht und somit wurde im Kopf an einer Alternative gebastelt: „Wir haben viel darüber gesprochen, über Adoption nachgedacht, und darüber, ob wir überhaupt Kinder wollen. Ob unsere Beziehung auch ohne Nachwuchs stark genug wäre.” Nach einiger Bedenkzeit fiel die Entscheidung auf die Wissenschaft.

"Als Frau fühlt man sich wie ein Loser, wenn man keine Kinder kriegen kann."

„Testen sollte sich lassen, wer ein Jahr lang ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und nicht schwanger wird”, rät Dr. Spitzer. Dann wird geschaut, wo die Ursachen liegen könnten. Bei 90 Prozent der Patient*innen ließen sich die Probleme recht einfach definieren, bei 10 Prozent der Fälle bleiben die Gründe ein Rätsel. Als erstes sollte der Weg zum Frauenarzt oder Urologen führen, um durch Tests auf Nummer Sicher zu gehen. Der nächste Schritt sei dann jener zum Info-Abend in der Kinderwunsch-Klinik oder zur persönlichen Beratung. Neben einer kurzen physiologischen Einführung in das Thema „Kinder kriegen” werden an einem solchen Beratungsabend die unterschiedlichen Konzepte besprochen, die zu einer Schwangerschaft führen können. Hormontherapie, zum Beispiel. Oder Insemination. Und schlussendlich das, was wir als „Künstliche Befruchtung“ kennen. Überraschend fand Sonja, wie viele Frauen über eine künstliche Befruchtung nachdenken.

Dass beim Info-Abend auch andere Menschen waren, für die eine Schwangerschaft eine Herausforderung war, sagt Sonja, habe sie erleichtert, weil man sich nicht mehr wie ein Loser verkomme, der keine Kinder kriegen kann. Sondern sieht, dass es viele Menschen betrifft. Nach der Entscheidung ging alles ganz schnell: Hormontherapie, Pillen und Spritzen – über 100 müssen es gewesen sein, und die Entnahme der Eizellen, die nach Vereinigung mit den Samenzellen Sonjas Kind werden sollten. Die Spritzen werden in den Bauch gestochen, dazu kommen Tabletten, die oral und vaginal eingenommen werden. Die Prozedur hat sich ausgezahlt: Gleich beim ersten Versuch trat die Schwangerschaft ein. Hormontherapie helfe, erklärt Dr. Spitzer. Während auf natürlichem Wege immer nur eine Eizelle heranreift, regt eine Therapie mehrere Eizellen zum Wachstum an, acht bis zehn Eizellen sind das Ziel.

Ob das die Krankenkasse zahlt? Sonja lacht. Nein, aber es gibt Unterstützung – zumindest für die ersten vier Versuche. Um die 2.000 Euro haben sie und ihr Mann zuzahlen müssen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das wenig. „In Österreich gibt es den IVF-Fond. Dieser schießt bei Nachweis einer medizinischen Indikation 70 Prozent der Kosten einer oder mehrerer Behandlungen zu. Die restlichen 30 Prozent müssen privat bezahlt werden. Wenn keine Zusatzleistungen in Anspruch genommen werden, beläuft sich der Selbstbehalt auf einen Betrag zwischen 900 und 1.000 Euro”, erklärt Dr. Spitzer das Finanzierungs-Modell. Wenn keine Gründe vorliegen oder bereits vier Versuche erfolglos waren, werden 100 Prozent der Kosten privat verrechnet.

Heute gibt es mehr künstliche Befruchtungen als vor zehn Jahren, weil Frauen sich zuerst Ausbildung und Job sichern wollen.

Gibt es heute mehr künstliche Befruchtungen als noch vor zehn Jahren? „Ja, es ist auf jeden Fall mehr geworden.” Dr. Spitzer ist seit 30 Jahren in diesem Feld tätig, war bei der Geburt des ersten Salzburger Babies durch eine künstliche Befruchtung dabei. Das war damals noch im Landeskrankenhaus, im Jahr 1992. In der Zwischenzeit sei es nicht mehr ganz so ein Tabu, über künstliche Befruchtung zu sprechen. Vorurteile gegen In-Vitro-Fertilisation (IVF) mag Dr. Spitzer gar nicht: „Ich sträube mich dagegen, wenn Menschen vorgeschrieben wird, wie sie ihr Leben zu leben haben.”

Wenn eine Frau mit 40 Jahren ein Kind haben wolle, dann würde er alles in seiner Macht stehende tun, um ihr den Familientraum zu erfüllen. Für Sonja Winkler und ihren Mann hat die künstliche Befruchtung auf jeden Fall funktioniert. Wie waren eigentlich die Reaktionen ihrer Blog-Leser*innen, als sie ihre Geschichte in vollem Umfang veröffentlichte? „Durch die Bank positiv. Viele Leute haben mir von ihrer künstlichen Befruchtung erzählt, von den meisten habe ich es gar nicht gewusst.” Sonja geht ganz bewusst sehr offen mit dem Thema um. Und hilft so mit, ein weiteres weibliches Stigma Stück für Stück verschwinden zu lassen. Nämlich, dass eine Frau nur dann perfekt ist, wenn sie ohne medizinische Hilfe in der Lage ist, für Nachwuchs zu sorgen.

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