Ich war beim 1000 Kreuze Marsch in Salzburg

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An der breiten Masse der Bevölkerung geht der 1000 Kreuze Marsch in Salzburg teilnahmslos vorbei. Das Interesse ist lediglich auf neugierige Blicke von Touristen und Smartphonefotos reduziert. Trotzdem bin ich dem Zug bis zum letzten Meter gefolgt.   

1000 weiße Kreuze sollen es sein, die durch die Altstadt getragen werden. Nicht mehr als 100 sind es aber letzten Endes. Und mindestens genauso viel Polizeiaufgebot begleitet den Zug. Ein Trauerzug für die ungeborenen Leben, sagen die Marschierenden. Ein Protestmarsch fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen, sagen die anderen, die von der Polizei abgeschirmt werden und das kollektive Kirchenlieder-Murmeln mit Parolen zu sprengen versuchen. Der 1000 Kreuze Marsch ist eigentlich nicht mehr als ein wenig öffentlichkeitswirksames Aufeinandertreffen dieser Haltungen.

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Das Spektakel beginnt am Mozartplatz. Ein Van parkt neben dem Mozartdenkmal und eine Traube Menschen sammelt sich um das Fahrzeug. Lange Röcke, bunte Hemden, ein paar Trachtenjacken, die Mehrheit jenseits der Fünfzig, aber auch ein paar junge Gesichter. Ein blauer Zettel mit Kirchenliedern wird verteilt: Dona nobis pacem. Ubi caritas, deus ibi est. Blut-Christi-Weg. Polizist*innen begleiten das Treiben mit ernster Miene. An den Ecken des Platzes junge Menschen in schwarzen Hoodies zwischen asiatischen Tourist*innen, dahinter die Kulisse Dom und Festung. Noch stehe ich etwas abseits der Gruppierung, unschlüssig, wie ich mich dem Zug anschließen soll. Spätestens dann, als die großen weißen Kreuze an die Teilnehmer*innen verteilt werden und ich ablehne, habe ich meine Rolle geklärt. Ich werde ganz hinten gehen und ich werde die sein, die für die Zeitung schreibt.

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Die weißen Kreuze sind Kinderkreuze, wie man sie auf Friedhöfen findet, sagt Wolfgang Hering in den einleitenden Worten am Van. Er ist Vorstand und Gründer von EuroProLife München und aus meiner Position ganz hinten kaum ersichtlich. Er hat den Marsch gemeinsam mit Human Life International organisiert und seit 20 Jahren in der Seelsorge laut eigenen Angaben genügend Erfahrung mit werdenden Müttern vor der Abtreibungsfrage. Er nennt Abtreibungskliniken das Golgota der Moderne und den 1000 Kreuze Marsch eine friedliche Prozession im Gebet für die Kinder. Mittlerweile habe ich Farbe bekannt und mich mit Kamera und Notizblock näher an den Redner herangewagt. Und das bringt mir misstrauische Blicke ein. Warum ich denn kein Kreuz wolle, fragt mich der Erste. Und ob ich für die Salzburger Nachrichten schreibe.

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Dann stimmt Wolfgang Hering seine Mitstreiter auf den Marsch ein. Darauf, dass auch die „Feinde des Lebens“ unverwechselbare, von Gott geliebte Wesen seien. Und dazu gehören auch Politiker*innen, Journalist*innen, Ärzt*innen in Abtreibungskliniken, sagt er. Die Feinde des Lebens und die Freunde weiblicher Selbstbestimmung. Er dankt dem Sicherheitskorpus und mahnt noch mal zur Friedfertigkeit. Blockaden zu klären sei Aufgabe der Polizei, sagt er. Wie eine Mannschaft sollen seine Mistreiter*innen sein, wenn sie in Dreierreihen in ein wichtiges Match zieht. Und dann stimmt er „O komm herab, du heiliger Geist“ an und wir ziehen in das wichtige Match und ich bin an dem Punkt angekommen, Kamera und Notizblock als Schutzschild vor mir herzutragen.

„Ihr Oaschlecha“, schreit man uns zu. Ob es hier um Tierschutz gehe, fragt ein Mann mit Fahrrad den Polizisten hinter mir. „Du kannst es eh am Schild lesen“, antwortet der harsch.

1000 Ungeborene jeden Tag, steht auf dem Banner. Und so bewegt sich der Murmel-Singsang durch die Kaigasse und sonst passiert da nichts. Bis wir an der Brücke vor der Unfallklinik ankommen. Da weist man mich darauf hin, dass ich keine Menschen auf meinen Fotos abbilden darf. „Weil das bringt dir eine Klage ein.“

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Spätestens jetzt haben die Umstehenden ihr Interesse auf meine Anwesenheit gelenkt. Eine Frau baut sich vor mir auf. Wer ich denn sei, will sie wissen. Aber viel mehr will sie erzählen. Sie verurteile nicht den Sünder, sondern die Sünde selbst, beginnt sie ihre Ausführungen. Sie ist auch aus Südtirol, gibt sie mir zu verstehen, ein eigener Bus der „Bewegung für das Leben“ ist aus Südtirol für den 1000 Kreuze Marsch angereist, und das nun schon zum fünften Mal. Das fünfjährige Erscheinen der Mitstreiter aus dem Nachbarland wird Wolfgang Hering zum Abschluss mit dem königlich-bayerischen Kaffeehäferl belohnen. Es gibt wohl sowas wie einen Sammelbonus in diesen Kreisen.

Ironischerweise dampft das Salzachschiffl gerade jetzt in unsere Richtung und überfährt die Spur aus Rosen, die die Flussströmung trägt. Die Frau küsst mich auf die Wange und sagte „Gott segne Dich“, immer wieder.

Die Brücke ist von beiden Seiten von der Polizei abgeschirmt worden, den Gegner*innen des Marsches bleibt nichts anderes übrig, als von den angrenzenden Salzachufern mit Wispeln und Schreien auf sich aufmerksam zu machen. Hier wird gleich eine Trauerzeremonie stattfinden, darin bestehend, weiße und rote Rosen und dazu verlesenen Namen in den Fluss zu schmeißen. Hundert Rosen sollen es werden, in Gedenken an all die ungeborenen Kinder, die durch chirurgische Eingriffe oder Mittel mit frühabtreibender Wirkung wie Pille oder Spirale „umkommen“. Gerade als ein anderer Herr mich darauf hinweisen will, positiv über das Vorgehen zu berichten, taucht die Frau wieder auf und zieht mich am Ärmel nach vorne. „Komm, schau dir das an, die Zeremonie findet gerade statt“.  Wir stehen am Geländer und schauen den Rosen zu, die ins schlammige Wasser fallen. Und die Frau schluchzt, sagt etwas von so viele Leben wie du und ich und weißen unschuldigen Rosen. Ironischerweise dampft das Salzachschiffl gerade jetzt in unsere Richtung und überfährt die Spur aus Rosen, die die Flussströmung trägt. Die Frau küsst mich auf die Wange und sagt „Gott segne Dich“, immer wieder.

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Dann bewegt sich der Zug in derselben Trägheit zurück, begleitet vom selben apathischen Murmel-Singsang. Ich gehe zwischen dem besorgten Mann, der sich eine positive Berichterstattung wünscht und einem Verschwörungstheoretiker, der der Meinung ist, „dass in zehn Jahren eh alles die Mohammedaner übernommen haben.“ Wir erreichen den Mozartplatz, es werden ein, zwei Vater-unser und Ave-Maria gebetet, Spenden eingesammelt und Dankesreden für die Polizei und die Bitter geschwungen. Dann werden die Kreuze eingesammelt und im Van verstaut. Die Barmherzigkeitsgesichter weichen entspannteren Mienen und der Gesprächspegel wird höher. In den nächsten zehn Minuten werden alle wieder gewöhnliche Mitbürger*innen. Weil irgendwo kommen sie ja schließlich her.

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